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Michael Müller (links) will für die SPD in den Bundestag, Olaf Scholz ins Kanzleramt.

© Wolfgang Kumm/dpa

„Die Union muss sich in der Opposition regenerieren“: Lockere Fragen und schwammige Antworten bei Gespräch von Scholz und Müller

Der eine will für die SPD in den Bundestag, der andere ins Kanzleramt. In einem Facebook-Live-Event geht es wenig um Inhalte. Eine Glosse.

Da ist Olaf Scholz richtig glücklich. „Ach, das ist ja mal eine schöne Frage“, sagt er nahezu ironiefrei, „da steckt die Antwort schon fast mit drin.“ Gerade hat ihm einer der Teilnehmer des virtuellen „Zukunftsgesprächs“ mit Scholz und Michael Müller eine Steilvorlage geliefert.

Ob denn die Grünen mit ihrer Anbiederung an die CDU wie in Baden-Württemberg noch glaubhaft für Klimaschutz stehen könnten? Und Scholz sagt, was er sagen muss: Ja, überall, wo Schwarze und Grüne gemeinsame Sache machten, sei das mit dem Klima doch ziemlich langsam geworden.
Es war nicht erkennbar, wie viele Zuschauer dem Gespräch auf Facebook am Mittwochabend gefolgt sind. Deutlich wurde aber, dass die, die dabei waren, unter sich blieben, Genossen und -innen in solidarischer Eintracht und mit unverfänglichen Fragen.

Die Konstellation ist klar: Der Kanzlerkandidat steht im Zentrum, Michael Müller moderiert und gibt ein bisschen Berliner Würze hinzu, dann werden die Fragen gestellt. Beide geben sich optimistisch, denn Scholz hat seine Umfragen gesehen und baut darauf eine leicht gewagte Prognose auf: „Die CDU wird nicht über 30 Prozent kriegen, und damit können wir genug Stimmen erreichen, um den Kanzler zu stellen.“

Ein Zuhörer wirft die Frage ein, was man denn so koalitionstechnisch erwarten könne als Wähler und bekommt die Antwort gewissermaßen als leicht unterbelichtetes Negativ: „Die Union muss sich mal in der Opposition regenerieren.“ Na, und selbstverständlich müsse man Müller und Scholz wählen, den einen in die Regierung und den anderen in den Bundestag, dann werde das schon.

Scholz muss keine schwierigen Fragen beantworten

Der Kandidat hat seine Wahlkampfroutine schon gefunden. Freundlich und in Kurzform spult er sein Programm ab, nennt bessere Löhne, technischen Wandel und ein starkes Europa als zentrale Ziele, und Corona, nun ja, „ich bin gegen eine Sprache des ewigen Winters, wir sollten doch hoffen, dass der Sommer kommt, und dass wir mit ihm mehr Freizügigkeit verbinden können.“

Aber, wirft Müller ein, werden wir uns das alles überhaupt finanziell leisten können und dann auch noch eigene Schwerpunkte setzen? Da mutiert der Kandidat flugs zum Finanzminister und entgegnet väterlich, „ja, das können wir, weil wir uns das vorher erwirtschaftet haben.“

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Sollten Besserverdiener zuhören, hat er für sie aber eine bittere Pille vorbereitet, denn der „Steuersenkungswettbewerb“ sei beendet, und es werde nun Zeit, dass diejenigen, die an der Spitze stehen, ein bisschen mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen.

Die Großkonzerne natürlich, aber genauer wird es nicht, und die Frage, ob die Gesamtsteuerlast denn nicht ohnehin schon am Anschlag sei, wird nicht gestellt – hier predigt einer den Bekehrten. Das Weitere verläuft vorhersehbar.

Scholz muss keine Fragen beantworten, in denen er eventuell nicht sattelfest wäre, er jongliert lässig mit den Werkzeugen des Experten, Themen wie Kindergrundsicherung, kommunale Wohnungen, Nordstream 2 und Bürgerversicherung perlen an den Zuhörern vorüber, und nie vergisst er, den Hinweis auf eigene Verdienste mit dem Vorzeigen langjähriger Erfahrung zu verknüpfen, Ja, sagt er, den Pflegemindestlohn, „den habe ich ja damals noch als Arbeitsminister möglich gemacht“.

Geht Müllers Traum vom Bauminister in Erfüllung?

Manches ist auch richtig ulkig, zum Beispiel die Frage, ob er denn auch sicherstellen werde, dass die SPD kompetente Personen ins Kabinett beruft? Sollte das als subtile Kritik an den vorhandenen Ministern gemeint sein, verfängt es nicht, denn Scholz beruhigt gelassen: Klar, die Personen habe man, und zwar Männer und Frauen halb und halb, dafür stehe er selbstverständlich. Müller lächelt, aber ob sein Traum vom Bauministerium in Erfüllung geht? Jeder kriegt was an diesem Abend. Scholz ist selbstverständlich für die Nato, hat gegen die kalte Progression schon allerhand getan und wirft den Begriff „Stromlüge“ auf, man wolle doch präzisere Aussagen darüber, wo der Strom 2030 herkommen soll.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz müsse geändert werden, „eine vierköpfige Familie kann da 3- 400 Euro sparen, das haben wir mal ausgerechnet.“ Goldene Zeiten voraus! Dann ist es auch schon wieder vorbei, schönen Abend allerseits.

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