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Berlin: Die Wahl in den Bezirken (7): Wechselnde Allianzen im Bezirk der Kontraste

Es könnte spannend werden im Fusionsbezirk des Regenbogenwimpels und Jägerzaun, des quirligen Winterfeldtplatzes und des ländlichen Marienfeldes. Denn die absolute Mehrheit der CDU in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wird wohl gekippt.

Es könnte spannend werden im Fusionsbezirk des Regenbogenwimpels und Jägerzaun, des quirligen Winterfeldtplatzes und des ländlichen Marienfeldes. Denn die absolute Mehrheit der CDU in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wird wohl gekippt. Derzeit hat sie 38 von 69 Sitzen inne, gefolgt von der SPD mit 18, den Grünen mit zwölf Sitzen und einem Vertreter der PDS. Landesweite Wahlprognosen zugrunde gelegt, wird künftig aber wohl keine der Parteien die absolute Mehrheit in der BVV erhalten. Die Wahl des Bürgermeisters und der Stadträte bis hin zu einzelnen politischen Entscheidungen würde dann von strategischen Zählgemeinschaften in der BVV abhängen. Wie diese im Einzelfall aussehen, ist schwer abzusehen. Bisher haben die Folgen der Bezirksfusion zwischen den so unterschiedlichen Stadtgebieten mitunter überraschenden Kooperationen hervorgebracht.

Bis die CDU mit der Fusion ihre absolute Mehrheit erhielt, hatte eine Zählgemeinschaft von SPD und Bündnisgrünen die stark im alternativen Milieu verwurzelte grüne Bürgermeisterin Elisabeth Ziemer gestützt. Sie tritt jetzt wieder als Spitzenkandidatin an. Bei den Sozialdemokraten hat sich nach der Fusion und einem internen Machtkampf der Tempelhofer Flügel um den derzeitigen SPD-Stadtrat für Schule, Bildung und Kultur, Ekkehard Band, durchgesetzt. Er wirbt damit, Schule, Bildung und Ausbildung den Vorrang in der Bezirkspolitik einzuräumen. Arbeit und Ausbildung stehen allerdings bei allen Parteien im Programm. Band führt zusätzlich seine Kompetenz ins Feld, in Tempelhof zuletzt auch das Wirtschaftsressort geleitet zu haben. Was künftige Kooperationen angeht, hat Band bei den Grünen allerdings nicht nur Sympathien gesammelt. Zum Konflikt kam es etwa, als er den beliebten Familientreffpunkt Thomas-Dehler-Bibliothek am Schöneberger Wartburgplatz einer Neustrukturierung der Bezirksbüchereien opfern wollte. Bibliotheksfachleute hatten diesen Schritt unter anderem wegen des knappen Budgets empfohlen. Doch erst eine Allianz von CDU und Grünen ermöglichte es, dass in einem Förderverein organisierte Anwohner den Betrieb weitgehend ehrenamtlich aufrecht erhalten können.

Ein Spannungsfeld, in dem der amtierende Bezirksbürgermeister Dieter Hapel, zuvor Tempelhofer Rathauschef und jetzt CDU-Spitzenkandidat, auf moderate Töne setzt. Eilte ihm im Vorfeld der Fusion selbst innerhalb der eigenen Partei der Ruf eines "rechten Wadenbeißers", eines "Lummers für Arme" voraus, so hat er dies inzwischen fast vergessen gemacht. Hapel verkündete von Anfang an, er wolle der Bürgermeister aller Tempelhofer und Schöneberger werden und verhielt sich fortan ausgesprochen diplomatisch. Bei Sachfragen wie der kürzlich umstrittenen Streichliste für die Träger freier Jugendarbeit, entschied Hapel offenkundig pragmatisch, obwohl er damit Forderungen der Grünen nachkam. Ein Vorgehen, das deren Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Erichson schon zu dem Ausruf bewegte: "Hapel kuschelt uns zu Tode". Der erste Programmpunkt des CDU-Mannes zur Wahl lautet nun jedenfalls, eine serviceorientierte Verwaltung mit Sachverstand und Augenmaß zu leiten, die sachorientiert auf die besonderen Bedürfnisse des Bezirks eingeht.

Bürgernähe und moderne Verwaltung - das ist allerdings auch das Feld, auf dem sich die grüne Spitzenkandidatin Ziemer - wie auch schon als Schöneberger Bürgermeisterin - zu Hause fühlt. Derzeit ist sie Stadträtin für Gesundheit und Bürgerdienste. Drohenden Konflikte zwischen verschiedenen Kulturen im Kiez, auch im Gefolge der New Yorker Geschehnisse, will sie künftig durch gezielte Integrationsförderung vorbeugen. Als Beispiel nennt sie die unter ihrer Ägide eingeführten Deutschkurse für türkische Mütter, die schon jetzt in schulischen Belangen viel zur Verständigung beigetragen hätten.

In Sachen Fusion kann sich das derzeit CDU-dominierte Bezirksamt nach Auffassung vor allem der Grünen nicht nur auf Erfolge berufen. So wird etwa kritisiert, dass die Telefonzentrale noch Monate nach der Fusion nicht recht funktionierte und viele Computer in der Verwaltung bis heute nicht vernetzt sind. Allenfalls Reibungsverluste beim Zusammenschluss sehr unterschiedlicher Organisationsstrukturen will dagegen der in diesem Fall zuständige Baustadtrat und stellvertretende CDU-Kreisvorsitzende der Schöneberger, Gerhard Lawrentz, zugestehen. Doch derartige Differenzen ändern nichts daran, dass sich eine Woche vor der Wahl dauerhafte Bündnisse nicht abzeichnen, eher Allianzen in Sachfragen.

Ole Töns

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