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Berlin: Die weiße Villa wollte keiner haben

Nach einer halben Stunde wurde die Zwangsversteigerung des früheren Aubis-Firmensitzes vertagt

Klack, wieder hat sich der Zeiger ein Stück vorangearbeitet. Der Richter schaut gelangweilt zur Uhr, Füße scharren im Publikum. Seit acht Minuten steht die Altbauvilla – einst Firmenzentrale der Immobiliengruppe Aubis – zum Verkauf. Doch abgesehen vom Uhrzeiger regt sich nichts bei der Zwangsversteigerung im Amtsgericht Tiergarten. Neun Minuten vergehen, zehn, elf – dann tritt plötzlich der Anwalt der Gläubigerbank nach vorne. „Herr Jörg S. hat 1,6 Millionen Euro als erstes Angebot abgegeben“, verkündet der Richter.

Ein taktisches Manöver, das verstehen selbst die Laien im Saal. Da sitzt beispielsweise die weißhaarige Marion Aasberg, die in dem Haus Lindenallee 33 aufgewachsen ist. „Schlimm“, seufzt sie. „Ich hoffe, das Haus kommt in gute Hände.“ Die heutigen Eigentümer, Klaus Wienhold und Christian Neuling, dürften mit der schmucken Villa eher düstere Erinnerungen verbinden: Im November 2001 durchsuchte hier die Polizei jeden Schreibtisch, hier nahm sie im Februar 2002 die beiden Aubis-Manager vorläufig fest. Die hatten mit einer Spende über 40 000 Mark an den damaligen CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky den Berliner Bankenskandal ins Rollen gebracht. Zurzeit stehen die Aubis-Manager wegen Betruges vor dem Landgericht. Dem Handelsregister ist zu entnehmen, dass die 1991 gegründete „Aubis Konzept GmbH“, ein wichtiger Teil ihres Firmenimperiums, im Januar „infolge Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ aufgelöst wurde.

Wienhold und Neuling lassen sich im Amtsgericht nicht blicken. Immerhin, ihr einstiger Firmensitz kann ein solides Gutachten vorweisen: Baujahr 1925, harmonischer, historischer Stil, denkmalgeschützt, Mängel nicht erkennbar, drei Stockwerke, repräsentativ, großzügig… Der Verkehrswert beträgt rund 2,5 Millionen Euro. „Wir haben damals weniger bekommen, als wir 1991 an Wienhold und Neuling verkauft haben“, sagt Marion Aasberg. Vor ihr hat ein pensionierter Apotheker Platz genommen, der sich für Häuser in Westend interessiert, heute aber erst mal zurückhält. „Noch ist das Gebot für mich uninteressant.“ Neben ihm genießt ein Werbefachmann, der letzte Mieter in der inzwischen verwaisten Lindenallee 33, das Schweigen im Saal. Wer weiß, was ein neuer Besitzer bringt, fragt er. „So habe ich erst mal meine Ruhe.“

Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten.Um 10.39 Uhr endet nach der gesetzlich vorgeschriebenen halben Stunde die Zwangsversteigerung. Es hat sich kein Käufer gefunden. Ende des Jahres wird es voraussichtlich einen neuen Termin geben. Das Publikum ist offenbar trotzdem auf seine Kosten gekommen. „Schon interessant, wenn man auf dem Gebiet ein Neuling ist“, sagt einer – und versteht erst nicht, weshalb die anderen auf dem Gerichtsflur grinsen.

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