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Berlin: Die Welt auf dem Sofa

Der Künstler Horst Wackerbarth reist mit einer Couch um den Globus und bittet zum Fototermin

Er nahm sie mit auf Expeditionen quer durch Island, platzierte sie auf Gletschern, venezolanischen Äckern oder in russischen Plattenbausiedlungen. Für Horst Wackerbarth ist seine rote Couch, sein Markenzeichen, zum Lebensinhalt geworden. Seit fast 30 Jahren tourt er damit durch die ganze Welt und fotografiert Menschen aller Gesellschaftsschichten in ungewöhnlichen Situationen mit der Couch. Gestern stand sie auf dem Alexanderplatz und „hat ein neues Kleid bekommen“, wie der Foto-Aktions-Künstler sagt. Inzwischen ist sie nicht mehr rot, sondern magentafarben.

Denn Horst Wackerbarths Sponsor ist die Telekom, die seine aktuelle Aktion, eine Deutschlandtour vom 8. August bis 22. September, unterstützt. Mit dem Arbeitstitel „zu Hause“ reist er durch 16 Städte verschiedener Regionen und will damit „die Befindlichkeit der Deutschen im Jahr 2006 abbilden“. 30 ungleiche oder gleiche Paare, die sich zusammensetzen aus Passanten und Persönlichkeiten der jeweiligen Stadt werden porträtiert. Begleitend beantworten sie Fragen darüber, was sie mit „zu Hause“ verbinden. Die Fotos können die Porträtierten als Polaroid gleich mit nach Hause nehmen. Am Ende soll ein Band mit den schönsten Bildern veröffentlicht werden.

„Ich bin hier in Berlin verwurzelt, obwohl ich sehr viel unterwegs bin und gerne andere Kulturen kennen lerne“, sagt Regina Marunde, ehemalig Mountainbikeprofi, die sich zusammen mit ihrem Gefährt fotografieren lässt. „Oft hab ich mir auf Reisen in den USA oder in Kanada gedacht, hier möchte ich mal leben. Aber letztendlich kommt es nicht nur auf eine schöne Umgebung an.“ In Berlin hingegen seien ihre Freunde und sie brauche diese hektische Großstadt, den Trubel und die vielen Menschen, die manchmal auch unfreundlich seien.

Die Couch sei etwas ganz Privates und symbolisiere auch ein Gefühl von zu Hause. „Ich habe sie aus dem Wohnzimmer befreit und sie in die Öffentlichkeit gestellt“, sagt Wackerbarth, der in Düsseldorf lebt. Damit sieht er sich in der Tradition der Ready Mades von Marcel Duchamps. Der brachte ebenfalls Objekte aus ihrem gewohnten Umfeld an ungewöhnliche Orte und versetzte so ein Stück Privatsspäre in die Öffentlichkeit.

Mit seinem enzyklopädischen Lebensprojekt „Gallery of Mankind“, das er 1979 startete, hat sich Wackerbarth vorgenommen, die Menschheit zu porträtieren. „Ich möchte ein Abbild der Menschen schaffen, das sie zeigt, wie sie wirklich sind.“ Die Couch sei dabei der gemeinsame Nenner, der alles in einen übergeordneten Zusammenhang stellt. „Alle Menschen sind auf ihr gleich und sind dennoch einzigartig.“ Der Mensch selbst werde darauf zum Denkmal. Promintente Persönlichkeiten wie Sir Peter Ustinov oder Michael Gorbatschow haben auf ihre genauso gesessen wie Obdachlose, Kinder oder russische Hausfrauen. „Die Couch hat etwas Magisches, wer darauf sitzt, spürt das Besondere, das Erhabene, wie auf einem Thron“, meint der Künstler. Am liebsten würde er jeden einzelnen Menschen darauf fotografieren, „aber dazu müsste ich unsterblich sein.“

Zu dem Sofa selbst hat Wackerbarth ein enges Verhältnis aufgebaut. Trotzdem ist es nicht immer dasselbe geblieben. „Eine der Vorgängerinnen dieser Couch stand einmal nach langen Expeditionen in einem Frankfurter Museum. Dort wurde sie von Arbeitern für Sperrmüll gehalten und weggeschmissen.“ Gefunden habe er sie dann nur noch auf einer Müllkippe, - kleingehexelt.

Sandra Stalinski

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