zum Hauptinhalt

Berlin: Die wirklich Erwählten feiern unterm Kronleuchter

Niemand verachte den Buchstaben e. Was wären wir ohne ihn!

Niemand verachte den Buchstaben e. Was wären wir ohne ihn! Nehmen wir den Namen Bauernstübl, hinten ohne e. So nennen Wirtsleute gerne ihr Lokal, wenn sie um Volkstümlichkeit bemüht sind. Man erwartet dort Jägerschnitzel auf dem Teller, an den Wänden Hirschgeweihe und Berglandschaften in Öl, von Fliegendreck und allabendlichen Rauchwolken in ihrer Brillanz schon etwas beeinträchtigt.

All dies sucht man im neuen Tempodrom vergebens. Aber dort gibt es auch kein Bauernstübl, sondern nur im kargen Stil der Gegenwart, gleich links neben dem Foyer, das Möckernstübel, also hinten mit einem e. Es ist gewissermaßen das, was das große N im Markenzeichen "Neues Berlin" darstellt, setzt ein Zeichen gegen Jägerschnitzel, Hirschgeweihe und Fliegendreck. Am Samstagabend war das Stübel eine Art Zwischenlager für die Fotografen und Kameraleute während der Gala drinnen in der Arena, wo der Europäische Filmpreis in all seinen Varianten vergeben wurde. Die Presseleute konnten dort schon einmal Zwischenbilanz ziehen, sich über die Namen derer austauschen, die da an ihnen vorbeigehuscht waren oder ausgiebig posiert hatten. Bildschirme waren im Stübel aufgebaut, auf denen die Preisträger flimmerten. So hatten auch die draußen vor der Tür Gelegenheit, über die Tauglichkeit des Tempodrom-Betonzelts für derartige Festivitäten zu räsonnieren.

Drinnen hatten sie es da natürlich leichter, die oben im Dunkel der Ränge und die unten an den runden Tischen in der prächtig illuminierten Manege. Kronleuchter vermittelten Festsaal-Gefühl, und rotsilbern geringelte Stangen am Rande, zwischen den sich Lichterketten spannten, gaben allem einen Stich ins Südländische - ein versteckter Hinweis auf das spätere, von Lasagne, Canneloni und Gnocchi dominierte Büfett.

Doch, das alles machte einen guten Eindruck. Zumindest für diese Sorte von Veranstaltungen hat das Tempodrom seine Probe bestanden. Das Foyer mag etwas karg erscheinen, und manch einer fühlt sich angesichts des vielen Sichtbetons womöglich an die Wandelgänge der Deutschlandhalle erinnert - auch wenn es dort nichrt solch eine Bar von dezentem Schick gibt, die sich außen sichelförmig um die halbe Arena zieht.

Aber die 1500 Gäste hatten doch genügend Auslauf, plauderten noch ein Weilchen und belagerte die beiden Büfetts - ein gewohntes Bild in Berlin, nun also auch auf der ehemaligen Kreuzberger Bahnhofsbrache, diesem jahrzehntelangen Spielplatz für Kaninchen. Daran hatte Wim Wenders noch einmal erinnert und gerade diesen Ort, wo sich einst unzählige Reisende trafen, als ungemein symbolkräftigen Treffpunkt für die europäischen Filmschaffenden, diese virtuellen Reisenden des Geistes, gepriesen. Gut möglich, dass Wolf Vostells auf dem Rücken liegende Dampflok, die zur 750-Jahr-Feier 1987 auf dem Bahnhofsareal die Gemüter aufgeregt hatte, einfach zu früh kam. Als Entrée fürs Neue Tempodrom wie auch als beziehungsreiches Markenzeichen für den Europäischen Filmpreis wäre sie jetzt ideal.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false