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Berlin: Die Zahlen sprechen für die Einheit

Statistiker rechnen vor: Die Lebensumstände der Berliner in Ost und West werden sich immer ähnlicher

Wie geht’s uns denn heute? Mal ganz objektiv gefragt? Noch vor wenigen Jahren konnten Statistiker diese Frage für den Ost- und den Westteil der Stadt mühelos getrennt und objektiv beantworten. Doch 16 Jahre nach der Wiedervereinigung ist das fast chancenlos geworden. Dennoch finden sich in den Zahlenkolonnen des Statistischen Landesamtes Anhaltspunkte, wie es uns heute geht.

Eines ist sicher: Statistisch betrachtet werden sich West und Ost ähnlicher, auch wenn nach jüngsten Umfragen nur 38 Prozent der Berliner finden, dass die Einheit der Stadt verwirklicht ist. So leben in einem Berliner Durchschnittshaushalt hier wie da heute 1,8 Personen. 1994 waren die Ost-Haushalte mit zwei Personen noch größer als die im Westen (1,8). Letztere haben dafür etwas mehr Platz – zumindest in den meisten Bezirken: Während den Berlinern in Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg, Steglitz-Zehlendorf und Reinickendorf mindestens 40 Quadratmeter Wohnfläche pro Nase zur Verfügung stehen, sind es in manchen Ostbezirken nur rund 36 Quadratmeter. Das liegt auch an der Architektur, denn obwohl die Durchschnittswohnung in Steglitz-Zehlendorf ebenso 3,9 Zimmer hat wie in Marzahn-Hellersdorf, ist sie fast acht Quadratmeter größer. Simpel gesagt: Villa sticht Platte. Doch in der Statistik findet sich ein Trost für die Ost-Berliner: Vor zehn Jahren hatten sie nur 32,7 Quadratmeter Wohnfläche pro Person zur Verfügung; die Marzahn-Hellersdorfer sogar nur 27,5. Allerdings liegt das oftmals daran, dass die Kinder inzwischen aus dem Haus sind. Die Grundstückspreise sind je nach Lage im Westen doppelt bis vier Mal so hoch wie im Osten.

Dabei schrumpft und altert der Westen, während der Osten wächst und sich verjüngt: Seit Mitte der 90er Jahre sank die Zahl der West-Berliner um vier Prozent und der Anteil der 18- bis 30-Jährigen (von den Statistikern „die Jungen“ genannt) um 1,4 auf 14,5 Prozent. Der Osten dagegen berappelt sich seit dem Jahr 2001, sodass das Bevölkerungsminus von 1,9 Prozent in wenigen Jahren ausgeglichen sein könnte. Weitere Indizien dafür: Der Anteil der „Jungen“ ist von 17,2 auf 19,2 Prozent gestiegen. Und die – Achtung! – „Allgemeine Fruchtbarkeitsziffer“ ist in allen Ostbezirken kräftig gestiegen, während sie im Westen fällt. Diese Ziffer gibt die Zahl der lebend Geborenen je 1000 Frauen an. Der Vergleich der Jahre 1995 und 2003 zeigt beispielsweise für Lichtenberg ein Wachstum von 25,4 auf 33,2 – während Spandau mit einem Gefälle von 44,4 auf 38,4 Geburten je 1000 Frauen auffällt. Allerdings hatte es im Osten nach der Wende einen sehr starken Geburtenrückgang gegeben.

Die Statistiker haben außerdem beobachtet, dass Neuberliner besonders gern in die Ost-Stadtteile Prenzlauer Berg und Mitte ziehen und jedes Jahr ein paar mehr Berliner aus dem Westteil in einen Ostbezirk ziehen als umgekehrt. Zwar interessieren sich die Landesstatistiker auch fürs Geld, aber nur fürs frische. So findet sich in den Tabellen kein Hinweis auf dickere West- oder dünnere Ost-Sparbücher. Das Statistik-Unternehmen Microm aus Neuss beziffert die jährliche Kaufkraft pro Haushalt auf 30 000 Euro im Osten und knapp 38 000 Euro im Westen. Doch die Bezirkszahlen zeigen, dass die Sache nicht so einfach ist: Beim monatlichen Pro-Kopf-Einkommen folgt Treptow-Köpenick mit 975 gleich hinter Steglitz-Zehlendorf mit 1000 Euro. Die Einheitsbezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg liegen mit je 775 Euro hinten.

Nimmt man den „Anteil der Personen mit überwiegendem Lebensunterhalt aus Erwerbstätigkeit“ als Indiz für eine intakte Mittelschicht, steht das sonst eher schwachbrüstige Pankow mit 60 Prozent am besten da, gefolgt von zwei weiteren Ostbezirken. Das Mittelfeld ist bunt gemischt, Neukölln ist mit 47 Prozent Schlusslicht. Im Sozialstrukturatlas kommt Pankow trotzdem nur auf den 9. Platz – vor Neukölln, Friedrichshain- Kreuzberg und Mitte. Auf dem Siegerpodest steht Steglitz-Zehlendorf, dicht gefolgt von Treptow-Köpenick und – mit Abstand – Charlottenburg-Wilmersdorf.

Indes hängt der Bestand an Autos wohl eher von der Entfernung zum Zentrum als von Ost oder West ab: Mehr als 400 Autos je 1000 Einwohner gibt es in Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick ebenso wie in Reinickendorf und Steglitz-Zehlendorf. In Friedrichshain-Kreuzberg dagegen sind es weniger als 260. Die Frage, wer welche Autos fährt, überfordert auch das Kraftfahrtbundesamt – B ist B, heißt es dort. Im Vergleich mit Brandenburg (dort: sechs Mal so viele Trabis, hier: sieben Mal so viele Ferraris) steht Berlin zwar gut da. Aber wenn wir unsere Mercedes-Audi-BMW- Flotte an der in Südwestdeutschland messen, sind wir irgendwie alle Ossis.

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