zum Hauptinhalt

Berlin: Die Zuhörer

Rund 1900 Beschwerden erhält der Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses im Jahr – schriftlich. Doch in die Bürgersprechstunde kommen auch Menschen, die von Bürokratie überfordert sind.

Mit Ämtern und Anträgen hatte Frank Bötcher eigentlich schon abgeschlossen. Trotzdem steht er am Donnerstagabend im Rathaus Charlottenburg, seinen Rucksack mit Unterlagen geschultert und wartet und wartet, bis er an der Reihe ist. Das hier soll sein letzter Versuch werden. Seit Jahren, erzählt er, kämpfe er um seine Tochter. Vor Gericht und vor dem Jugendamt. Seine Ex-Freundin will ihm den Umgang mit der Kleinen verbieten. In vielen Amtsstuben hat er erzählt, dass er daran kaputtgehe. Aber niemand hat zugehört.

Für Menschen wie Bötcher wurde die Bürgersprechstunde des Petitionsausschusses im Abgeordnetenhaus erfunden, sagt der Vorsitzende des Ausschusses, Andreas Kugler, der für die SPD im Abgeordnetenhaus sitzt. Es soll ein niedrigschwelliges Angebot sein für jene, die Beschwerde erheben wollen, aber von der Bürokratie frustriert oder eingeschüchtert sind. Im Foyer des Rathauses nämlich hat diese Bürokratie plötzlich ein recht freundliches Gesicht. Um einige Stehtische herum haben sich die insgesamt elf Mitglieder des Petitionsausschusses versammelt. Sie tragen Namensschilder, gehen nacheinander auf die Wartenden zu und fragen, was so falsch läuft in der Stadt.

Der Andrang ist verhalten. Vielleicht ein Dutzend Bürger sind erschienen. Das sei schon ein guter Tag mit vielen Interessenten, sagt Kugler. Im Einkaufszentrum und im Jobcenter haben sie beispielsweise schon versucht, die Menschen zu erreichen. Mit unterschiedlichem Erfolg. Die allermeisten Petitionen erreichen den Ausschuss immer noch per Post. Rund 1900 Beschwerden wurden im letzten Jahr eingesandt, etwa ein Drittel davon kommt auf elektronischem Weg. Tendenz steigend. Ins Rathaus gekommen ist auch eine Dame, die sich über nichts weniger beschweren will als über alle Jobcenter Berlins. Da kann Ausschussmitglied Monika Thamm (CDU) gleich ein bisschen Aufklärungsarbeit leisten. „So wird das nichts“, sagt sie. „Wir brauchen einen konkreten Fall. Dem können wir nachgehen und dann sind wir hartnäckig.“ Sie reicht der Dame ein Formular. Ausgang ungewiss.

Sanktionsmöglichkeiten hat der Petitionsausschuss ohnehin nicht. „Aber wir können Öffentlichkeit herstellen“, sagt Andreas Kugler. „Wir fragen beim betreffenden Amt nach und bekommen eine Stellungnahme.“ Dann wissen alle Vorgesetzten, vom Abteilungsleiter bis zur Senatskanzlei, über den Vorfall Bescheid. „Oft reicht das schon, um etwas zu verändern“, sagt der Ausschussvorsitzende.

Darauf hofft auch Frank Bötcher. Endlich ist er an der Reihe. Gerwald Claus-Brunner von der Piratenpartei hat ihn zu sich gewunken. Er hört zu, er nickt – gut eine halbe Stunde lang. Am Ende kann auch Brunner nur eine Broschüre und ein Formular herüberreichen. Die Petition muss Bötcher schriftlich einreichen. Das will er machen. Er geht mit dem guten Gefühl, dass ihm geholfen wurde. Sidney Gennies

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false