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DIE BRÜCKE: Die Partybrücke

Treffpunkt Ecke Oberbaum: An der Spree öffnen immer mehr Clubs, das Watergate feiert Jubiläum – doch es gibt einige Probleme.

Manche reagierten verständnislos, andere entsetzt. Einen Club in Kreuzberg eröffnen? Damals, 2002, hielten viele das für eine ziemlich bescheuerte Idee, wo doch Mitte und Prenzlauer Berg als Ausgehbezirke etabliert waren. Steffen Hack und Ulrich Wombacher ließen sich von den Reaktionen aus dem Bekanntenkreis nicht beirren. Ein Freund hatte sie auf die Räume an der Oberbaumbrücke aufmerksam gemacht, auf das Gebäude mit der verglasten Fassade an der Spree. Und obwohl es damals in der unmittelbaren Nachbarschaft kaum nette Bars, andere Clubs und somit feierfreudiges Publikum gab, eröffneten sie das Watergate.

Mittlerweile gehört der Laden zu den bekanntesten der Stadt. Auf der Gittertreppe zum Eingang warten jedes Wochenende hunderte Gäste auf Einlass. Sie kommen nicht mehr nur aus Berlin, sondern aus Spanien, Israel, Australien. Dass das Watergate bei Touristen so beliebt ist, liegt wohl auch an der britischen Fachzeitschrift „DJ Mag“, die den Club regelmäßig zu einem der weltweit besten in ihrer Top-100-Liste kürt.

Bei der Eröffnung 2002 hätten Hack und Wombacher davon nicht zu träumen gewagt. Um sich bei ihren Gästen zu bedanken, aber auch um dem Kiez etwas zurückzugeben, spendieren sie heute Abend zum Auftakt ihrer zehnjährigen Geburtstagsfeierlichkeiten ein kostenloses Freiluftkonzert: Ab 20 Uhr wird der Musiker Henrik Schwarz auf der clubeigenen Wasserterrasse auftreten, von der Oberbaumbrücke aus wird man ihm dabei zuschauen können. Ab 22 Uhr geht die Party drinnen weiter.

Man könnte meinen, Hack und Wombacher sind zufrieden, so wie die Dinge laufen. Der Club schreibt schwarze Zahlen, er beschäftigt 17 Mitarbeiter und unterhält ein eigenes Plattenlabel. Doch Hack sieht den Erfolg seines Ladens auch kritisch. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass sich die Gegend um die Oberbaumbrücke als Ausgehmeile etabliert hat. Auf beiden Seiten der Spree locken Clubs scharenweise Nachtschwärmer an.

Auf der Kreuzberger Seite haben sich direkt neben dem Watergate der „Magnet Club“ sowie der „Comet Club“ angesiedelt, ein paar Schritte weiter, am U-Bahnhof Schlesisches Tor befindet sich das „Bi Nuu“, in dem Konzerte stattfinden. Läuft man über die Oberbaumbrücke hinweg Richtung Friedrichshain, passiert man „Die Busche“ und das Matrix; und hinter den S-Bahngleisen an der Warschauer Straße befindet sich das RAW-Gelände mit Läden wie dem Astra-Kulturhaus, Cassiopeia, Suicide Circus und Mikz. Eine höhere Clubdichte findet man in ganz Berlin nicht.

Steffen Hack, 48, bezeichnet die Meile deshalb wahlweise als „Technostrich“ oder „Ballermann“. Mehr Menschen, mehr Andrang, mehr Umsatz – profitiert er nicht von der Entwicklung? Hack sieht das anders: „Es bedeutet automatisch mehr Ärger an der Tür, mehr Absagen, mehr Unverständnis bei den abgewiesenen Gästen.“ Er wolle einen Club mit einer klaren Ausrichtung betreiben. „Dass wir uns jetzt auf dem Technostrich befinden, ist für uns kontraproduktiv.“ Nach der Eröffnung sei das Watergate „ein Solitär“ gewesen, etwas Einzigartiges. Mit seiner Spezialisierung auf Drum’n’Base machte es sich einen Namen. Die Gäste kamen wegen der Musik und blieben bis zum nächsten Mittag. Heute, sagt Hack, scheinen insbesondere junge Touristen eine Art To-do-Liste abzuhaken: „Einmal zum Brandenburger Tor, einmal an den Ku’damm, dann noch ins Berghain und ins Watergate – das wird abgestrichen und natürlich auch so umgesetzt. Man kommt rein, bleibt zwei Stunden und geht dann noch woanders hin.“ Es ginge nicht mehr um die Musik oder ums gemeinsame Feiern, eine Tatsache, die Hack zutiefst bedauert.

Auf der Friedrichshainer Seite hinter der Oberbaumbrücke, genauer: auf dem RAW-Gelände, betreibt Dragqueen Nina Queer ihre „Bar zum schmutzigen Hobby“. Der Laden ist eine Mischung aus trashiger Spelunke und Club. Queer freut sich über das Laufpublikum, das jedes Wochenende über das Gelände streunt und auch zu ihr kommt. Vor allem aber freut sie sich über die Toleranz der Anwohner. Ärger habe es mit denen noch nicht gegeben – im Gegensatz zu Prenzlauer Berg, wo Queer vor anderthalb Jahren wegen ständiger Anwohnerbeschwerden entnervt wegzog. „Als Fremdkörper, der ich war, hat man mich mit offenen Armen empfangen.“ Auch das Verhältnis zu den anderen Clubbetreibern bezeichnet sie als „friedliche Koexistenz“.

Der Neuanfang in Friedrichshain sei „die beste Entscheidung meines Lebens“ gewesen, sagt Nina Queer. Zusätzlich zu ihrer Bar veranstaltet sie im Comet-Club auf der Kreuzberger Seite der Oberbaumbrücke die Partyreihe „Irrenhouse“. Noch bis vor Kurzem fand diese im Geburtstagsclub in Prenzlauer Berg statt, heute feiert sie ihren elften Geburtstag. Zur Kreuzberg-Premiere vorigen Monat, erzählt Queer, sei der Andrang so groß gewesen, dass die Schlange vom Eingang bis zum U-Bahnhof Schlesisches Tor gereicht habe. „Es ist eine nicht enden wollende Party, der absolute Wahnsinn. Jeden Abend ist hier Bambule.“ An den Horden betrunkener Halbstarker, die zu später Stunde unterwegs und mitunter auf Krawall aus sind, stört sich die Partymacherin nicht. Begegnen könne man denen ja überall. „Es kam mal eine Gruppe, die hat uns im ,Schmutzigen Hobby’ die Bar kurz- und kleingeschlagen. Mein Gott: Da stellt man hinterher die Stühle wieder auf und gut ist.“ Vorsorglich gibt es nun Türsteher. Seither gebe es kaum noch Ärger, versichert Queer.

IHR NAME

Einst trieben die Zöllner Geld ein für Schiffswaren, die über die Spree transportiert wurden. Nachts sperrten sie den Fluss an der Stadtmauer – mit einem Stamm. Daran angelehnt heißt die Brücke im Osten Oberbaum-, im Westen Unterbaumbrücke. Diese befand sich einst an der Unterbaumstraße – wo später der Bundespressestrand öffnete – und heißt heute Kronprinzenbrücke.

DAS SYMBOL

Die Brücke, im Krieg schwer beschädigt und erst ab 1975 für Fußgänger aus West- Berlin passierbar, wurde nach der Wiedervereinigung ins Bezirkswappen für Friedrichshain-Kreuzberg aufgenommen. Bis 2013 ist sie gen Kreuzberg gesperrt.

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