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Berlin: Diepgen will Teile der Mauer neu aufstellen lassen

Der ehemalige Regierende hält aber nichts von einer „Disney-Version“ der tödlichen Grenze

Wo genau die Mauer stand und wie sie wirkte, wollen in jedem Jahr hunderttausende Touristen wissen. Immer wieder gibt es deshalb Diskussionen über eine „Rekonstruktion“ der Mauer. Nun hat der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen vorgeschlagen, Teile der Mauer „originalgetreu“ wieder aufzubauen und damit „Geschichte erlebbar“ zu machen. Diepgen schrieb in einem Beitrag für die „B.Z.“ vom Samstag, er erinnere sich gut an die Stimmung im Umgang mit der Mauer in den frühen neunziger Jahren: „Die Anwohner wollten das Monstrum nicht mehr sehen.“ Er habe damals „insbesondere die Mauer an der Bernauer Straße erhalten“ wollen, sei aber am „massiven Widerstand“ gescheitert.

Zwar kann man sich heute zum Beispiel in der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße oder in der Freiluftausstellung am Checkpoint Charlie darüber informieren, wie die Mauer die Stadt zerschnitt und wie brutal der Todesstreifen funktionierte. Doch künstlerisch gestaltete Gedenkorte, Fotos, Filme, Ton- und Schriftdokumente können den Effekt nicht erzeugen, den die Mauer allein durch ihre Höhe hatte. Dieser Effekt hatte sich vor Jahren gezeigt, als die Leiterin des Checkpoint-Charlie-Museums, Alexandra Hildebrandt, mit einer spektakulären Aktion die Mauer wieder sichtbar machte: An der Zimmerstraße ließ sie 2004 Teile des Grenzbauwerks in der Originalhöhe von 3,60 Metern und hunderte Holzkreuze für die Mauertoten aufstellen, um auf Mängel im Gedenkkonzept des Senats aufmerksam zu machen.

Diepgens aktueller Vorschlag findet dennoch nicht viel positiven Widerhall. Sogar der CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel, der für die streitfreudige Erinnerungspolitik Alexandra Hildebrandts einige Sympathien hat, hält nicht sehr viel von einer „Rekonstruktion“. Zur Grenze hätten Lichtmasten, Panzersperren und Hundelaufleinen gehört. Die dadurch entstandene „Barbarei der Mauer“ könne man nicht erlebbar machen, indem man Teile wieder aufstelle – auch wenn es im Nachhinein wünschenswert wäre, wenn die Mauer in ein paar Abschnitten stehen geblieben wäre. Zwischen dem Reichstag und dem früheren Reichspräsidentenpalais gegenüber hätte man die Betonmauer stehen lassen können, sagt Henkel.

Der FDP-Landes- und Fraktionschef Christoph Meyer sieht es ähnlich. Wichtiger wäre es, Schülern im Unterricht zu erklären, wie das Grenzregime funktioniert hat, sagt der Liberale. Den Rekonstruktionsvorschlag hält er für „keine „ausgegorene Idee“. Alice Ströver, Kulturpolitikerin der Grünen, fände es gut, wenn Besucher an historischen Orten einen Eindruck von der „Tiefe“ des Todesstreifens bekämen – heute unmöglich. Immerhin versuche man an der Bernauer Straße, alles an Resten der Grenzbefestigung sichtbar zu machen, was es noch gibt.

Eberhard Diepgen ist am 27. Juni Gast in der Tagesspiegel-Gesprächsreihe „Berlin, wo geht es hin?“. Die Veranstaltung im Redaktions- und Verlagsgebäude am Askanischen Platz 3 beginnt um 18 Uhr, der Eintritt kostet 14 Euro. Anmeldung unter 29021-530 oder tagesspiegel.de/shop

 Werner van Bebber

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