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Berlin: Dieseln in der Biosphäre

Ein großer Jeanshersteller feiert im Botanischen Garten. Aber was?

Bevor man sich wehren könnte, ist man schon ein Küblböck im Dschungelcamp. Die Werbeagentur des Jeansherstellers Diesel hat sich was einfallen lassen, um die neue Kollektion „Lost Paradise“ zu feiern. Eine freundliche Dame führt die Partydelegation in Zwanziger-Gruppen durch das große Gewächshaus des Botanischen Gartens. Die Glaskugel ist in spärliches blaues Licht getaucht, sie wirkt etwas surreal. Der Eindruck verstärkt sich, als das über Band eingespielte Affengeschrei und das Froschgequake anschwillt. Vor zwei Wochen hieß es, die schweren Pflanzenlampen fallen von der Decke. Jetzt vibriert der Affenlärm und die Lampen regen sich nicht. So schlimm kann’s wohl nicht sein.

Im neuen Glashaus ist tonnenweise Sand ausgeschüttet. Ein Dutzend junger Frauen in knappen Bikinis sitzen auf Bambusliegen. An der Cocktailbar hält sich eine brünette Mittvierzigerin an einem der neonfarbenen Getränke fest, die zwei muskulöse Herren mixen. Die Frau trägt einen knielangen Leopardenmantel. Im Gegensatz zu anderen Gästen muss sie gewusst haben, wohin sie fährt.

Auf Großleinwänden zwischen den Palmen schwimmen Delphine und blaue Fraktale. Eine Stimme aus dem Off sagt:„Wir laden Sie ein, einzutauchen in die Welt des Lost Paradise.“ Die Stimme kündigt die neue Diesel-Sommerkollektion in so bedrücktem Ton an, dass es schon fast bedrückt klingt. Doch statt der neuen Jeans- und Blusenkollektion sieht man nur einen poppig-bunten Videoclip. Macht dann aber auch nichts. Dies hier ist ein Event, das ein Image befördert – dazu braucht es keine realen Waren, sagen Werbestrategen. Also: mehr Cocktails und weiterdieseln in der Biosphäre und das Geschäft läuft wie von selbst.

Ebenfalls aus Imagegründen gibt es einen heimlichen Wettbewerb im Kamerablitzlicht, der „Posen unter Palmen“ heißen könnte: Sänger Ben („Engel“) klemmt sich einen Kunststoff-Flamingo zwischen die Beine und auf die Schultern, schneidet Grimassen und wird fotografiert. Schauspieler Simon Licht hält links und rechts eine der Bikinifrauen im Arm. „Und jetzt Kuscheln!“, rufen die Fotografen und drücken ab. Fernsehdarstellerin Alexandra Neldel steht einfach da, nippt an einem Cocktail und wird ebenfalls abgelichtet. Und der Fernsehkommissar Bruno Eyron posiert mit den Bikinifrauen so lange, bis das Reporterteam von RTL von dannen zieht.

Ach ja. Die Miete für die Party geht an die Pächterin des Glashauses. Der Botanische Garten ist an den Einnahmen beteiligt. Und darf den Sand behalten.

Marc Neller

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