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Berlin: Diesen Lehrer kauf’ ich mir

Eltern wollen monatlich 500 Euro aufbringen, um Wegzug zu verhindern. Protest gegen Stundenausfall

Berlins Schuljuristen müssen eine harte Nuss knacken: Eltern der Marienfelder Gustav-Heinemann-Gesamtschule wollen einem Lehrer monatlich 500 Euro zu seinem Gehalt hinzuzahlen, um seinen Weggang nach Hamburg zu verhindern. Dort würde er – anders als in Berlin – verbeamtet, so dass sein Nettoverdienst wesentlich höher wäre. Jens Stiller, Sprecher der Schulverwaltung, bezeichnete dieses Vorhaben der Marienfelder gestern als „nicht praktikabel“. Allerdings ist der Vorgang so ungewöhnlich, dass es keine Präzedenzfälle gibt, an denen man sich orientieren könnte.

Hintergrund der spektakulären Aktion ist, dass der betreffende Lehrer die tragende Säule des bilingualen Unterrichts im deutsch-englischen Zug der Schule ist. Er war vor zwei Jahren aus Brandenburg abgeworben worden, nachdem er zuvor die Zusage für eine Verbeamtung in Berlin bekommen hatte. Diese Zusage wurde jedoch wertlos, weil Berlin kurz darauf die Verbeamtung abschaffte. Jetzt hat der gefragte Pädagoge ein Angebot aus Hamburg: Dort könnte er im Februar anfangen.

Schulleiter Karl Pentzliehn und die Eltern des Fördervereins sind entsetzt über die Aussicht, ihren „Mister bilingual“ zu verlieren. Harald Soch, einer der empörten Väter, die sich am finanziellen Ausgleich für den Lehrer beteiligen wollen, ist entschlossen „zu kämpfen, um eine halbwegs vernünftige Ausbildung für mein Kind zu bekommen“. Die Schulverwaltung gab gestern aber zu bedenken, dass es wohl als „Vorteilsnahme im Amt“ gelten müsse, wenn der Lehrer das Geld nehme. Ein Förderverein dürfe nur „zusätzliche Angebote, nicht aber regulären Unterricht finanzieren“. Soch sucht nun einen legalen Weg, um sein Vorhaben zu realisieren, das erstmal auf sechs Monate angesetzt ist. Bildungssenator Klaus Böger (SPD) betonte gestern seinen „Respekt vor dem Engagement der Eltern“.

Seit Jahren schon verlassen junge Lehrer Berlin. Zunächst, weil sie keine Stellen bekamen, dann waren es nur Zweidrittelstellen, jetzt geht es meist um die Nicht-Verbeamtung. Der Senat hat sich stets damit getröstet, dass Berlin als Stadt attraktiv genug sei, um letztlich genügend junge Lehrer zu halten.

Ob dies stimmt, scheint fraglich. Denn bundesweit droht Lehrermangel, so dass die Abwerbungsversuche aus Ländern wie Hamburg immer offensiver werden. Schon jetzt gibt es in den Mangelfächern wie Physik oder Latein kaum noch Pädagogen auf dem Markt. Pentzliehn lässt aktuell einige Stunden sogar von einem Physikstudenten erteilen. Angesichts von Unterrichtsausfall und anderen Problemen wollen sich einige Dutzend Schulen am Sonnabend an einer Protestaktion am Gendarmenmarkt beteiligen. Ilse Schaad, Tarifexpertin im GEW-Bundesvorstand, wies gestern darauf hin, dass Berliner Lehrer nicht nur wegen der Nicht-Verbeamtung im Nachteil seien: Sie müssten auch besonders viel unterrichten. Die Abwanderung werde deshalb wohl anhalten.

Weitere Infos zur Elterndemo unter www.meineschule-online.de

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