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Berlin: Diesmal geht’s schon vor dem Presseball rund

Zu hohes Defizit, zu viel Streit, zu viel Konkurrenz: Eine West-Berliner Institution kämpft ums Überleben

Droht dem Berliner Presseball das Aus? Im Journalistenverband ist ein offener Streit über die Zukunft des Balls ausgebrochen. Es geht um Altlasten, die an den West-Berliner Sumpf erinnern, und um erschreckende Defizite, die teils auch auf den neuen Wettkampf der Events zurückgehen. Der Überlebenskampf einer Institution aus Vorwendezeiten geht offenbar in die letzte Runde.

Zu West-Berliner Zeiten war der Presseball das wichtigste gesellschaftliche Ereignis des Jahres. Wer in der Stadt etwas zu sagen hatte, musste dabei sein. Klar, dass die Geschäftswelt mit Sponsorengaben Schlange stand. Nach der Wende wuchs die Konkurrenz: Professionell vermarktete Charity-Galas kamen über die Stadt wie eine Maikäferplage, und schließlich landete auch noch die Konkurrenz aus Bonn in Gestalt des Bundespresseballs. Ziel des Berliner Presseballs ist es, Geld aufzubringen für Not leidende Journalisten. Dieses Ziel geriet offenbar schon lange ins Hintertreffen.

Erstes Indiz war die fristlose Kündigung des langjährigen Geschäftsführers Jürgen Grimming im April 2002, ein für eine Gewerkschaft ungewöhnlich drastischer Schritt. Grimming habe unter anderem verschleiert, dass der Ball schon seit Beginn der 90er Jahre defizitär war, sagt Alexander Kulpok, seit fünf Jahre Vorsitzender des Verbandes. Da in den guten Zeiten gebunkert worden sei, sei das zunächst nicht aufgefallen. Unter anderem habe man inzwischen 300000 Euro Steuern nachzahlen müssen. Der eigentliche Veranstalter des Presseballs ist eine Tochter des Journalistenverbandes, die Sozialfonds GmbH.

Im Moment steht der Plan noch, den Presseball am 13. Februar im Ritz-Carlton am Potsdamer Platz stattfinden zu lassen. Motto soll Russland sein. Am Vorabend der Verleihung des goldenen Berlinale-Bären will man vom Glanz der Filmfestspiele profitieren und hat deshalb den traditionellen Termin (zweiter Samstag im Januar) umgeworfen.

Die Vorbereitungen gerieten allerdings ins Stocken, als innerhalb des Verbandes Anfang September heftige Proteste dagegen aufkamen, überhaupt einen Ball zu veranstalten. Eine „Recherchegruppe“, von der Gegenseite auch „Rebellen“ genannt, sprach sich angesichts der leeren Kassen strikt dagegen aus. Aus den alten West-Berliner Pfründen seien Anfang Juli gerade noch 100000 Euro dagewesen. „In sechs Monaten ist das Tafelsilber weg“, argumentiert Recherchegruppen-Sprecher Burkhard Schröder. Im Zuge der Streitigkeiten traten drei Vorstandsmitglieder zurück. Eine aus der Sicht der Presseballgegner vorschnell engagierte Agentur namens Hostess Agency, bekannt für „Miss Germany“-Events, habe 50000 Euro bekommen, schimpft Schröder. „Und zwar für nichts.“ „Eine glatte Lüge“, kontert Kulpok. Die Agentur ist inzwischen aus dem Rennen. Einen weiteren Vorwurf der Rebellen, dass der Sozialfonds für illegale Rentenzahlungen an verdiente Mitglieder benutzt worden sei, räumt er indes ein. Das gehöre zu den Altlasten. Inzwischen kümmere sich eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft um diese Dinge.

Kulpok argumentiert, dass der Sozialfonds aufgelöst werden müsse, wenn man sich entschließt, gar keinen Presseball zu machen. Findet er doch statt, könnte man wenigstens 20000 Euro dazu verwenden, Kollegen in Notlagen kurzfristig zu helfen. Ob sich eine Agentur findet, die eine Mindesteinnahmegarantie abgibt, erscheint allerdings fraglich. Tanzten in der Staatsoper noch 2500 Gäste, die 350 Euro für die Karten zahlen mussten, passen ins neue Ritz Carlton nur noch 1600 hinein. Ein Drittel aller Karten gehe sowieso gratis an altgediente Verbandsmitglieder, sagt Burkard Schröder. Nicht mal mehr die Vorstandsmitglieder sollen künftig Freikarten erhalten, kündigt dagegen Kulpok an. Er rechne damit, 150 Karten unentgeltlich abgeben zu müssen, um Ehrengäste wie den russischen Botschafter und den Bürgermeister von Moskau mit ihren Begleitungen einladen zu können.

Am 20. Oktober gibt es eine Mitgliederversammlung. Wird der Vorstand abgewählt, wird Freitag, der 13. Februar 2004, in den Terminkalendern der Berliner Society wieder zur freien Disposition stehen. Bleibt der Vorstand, wird es darum gehen, wer den Ball organisiert. Ein heißer Kandidat ist originellerweise Alfred Gertler, der langjährige Organisator des konkurrierenden Bundespresseballs. Als hoch engagiertes Mitglied im Berliner Verband wäre er Kulpoks Wunschkandidat. Gertler selbst will sich im schwebenden Verfahren nicht äußern, sähe aber in der Konkurrenzsituation der Bälle kein Hindernis: „Umso besser könnte man jedem Ball sein eigenes Profil geben.“

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