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Dieter Lenzen: FU-Präsident rechnet mit Berliner Politik ab

FU-Präsident Dieter Lenzen kritisitiert die Berliner Hochschulpolitik und beklagt vor seinem möglichen Wechsel nach Hamburg die Lage der Berliner Universitäten.

Der Senat betreibe eine „fahrlässige“ Politik gegenüber seinen Hochschulen und zwinge sie zu endlosen Auseinandersetzungen über immer weitere Kürzungen – mit scharfen Worten hat der scheidende Präsident der Freien Universität, Dieter Lenzen, mit der Berliner Politik abgerechnet. Die Lage der Hochschulen werde „immer unsicherer“, sagte Lenzen dem Tagesspiegel am Sonntag. Ein Beispiel für diese Politik sei unter anderem die Einstein-Stiftung, die den Universitäten Millionen entziehe.

Der Fraktions- und Landesvorsitzende der Berliner CDU, Frank Henkel, forderte den Regierenden Bürgermeister auf, mit Lenzen umgehend Bleibeverhandlungen aufzunehmen. Damit müsse Klaus Wowereit dem Eindruck entgegentreten, Lenzen gebe aufgrund wiederkehrender Dissonanzen mit dem Senat auf. Auch der FU-Mediziner Heinz-Peter Schultheiss vom Benjamin-Franklin-Klinikum glaubt, dass die Auseinandersetzungen mit dem Senat ein Grund für Lenzens Weggang seien. „In Berlin hat er sich beim Kampf um jeden Cent aufgerieben. In Hamburg wird er dagegen hofiert“, sagt Schultheiss. Für den Senat sei es eine „klatschende Ohrfeige“, dass ein Mann solchen Formats Berlin verlasse. Bleibeverhandlungen mit Lenzen lehnte Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) mit Blick auf „bessere Rahmenbedingungen“ in Berlin ab. Die Ausgaben pro Professor und pro Student seien in Berlin bis zu 20 Prozent höher als in Hamburg, sagte Zöllner dem Tagesspiegel.

Lenzen betont allerdings, dass er nicht nach Hamburg fliehe, um der Berliner Hochschulpolitik zu entkommen. Die Uni Hamburg hatte Lenzen am Freitag zu ihrem Präsidenten gewählt. Er sehe in Hamburg eine „reizvolle neue Aufgabe“, sagt Lenzen. Die Uni sei „an dem Punkt, an dem die FU vor zehn Jahren war: Sie krankt an ihrem schlechten Image“.

Lenzen legt Wert darauf, dass er in Hamburg noch nicht zugesagt hat. Er wolle erst mal mit dem dortigen Senat über die Aussichten der Uni verhandeln. Für Bauinvestitionen sei die Bereitschaft glücklicherweise groß: „Wir sehen ja an der FU, wie wichtig die Architektur für die Identifikation ist“, sagt Lenzen.

Lenzen hatte sich für die FU jahrelang ins Zeug gelegt. Er stemmte sich gegen Einsparattacken aus der Politik, gegen die ungeliebte Einstein-Stiftung und die Abnabelung der Medizin von der FU. Im Exzellenzwettbewerb für die deutschen Universitäten führte er die FU zum Erfolg. So stand die Uni unter „Schockstarre“, als sie erfuhr, dass Lenzen sie verlässt, berichtet ein Professor. Selbst im Präsidium habe man von seinen Plänen nichts gewusst. Seitdem offen über Lenzens Kandidatur spekuliert wurde, „gab es für alle eine Menge Irritationen“, sagt die Erste Vizepräsidentin, Ursula Lehmkuhl.

„Die FU wird es ohne ihn schwerer haben“, sagt der Historiker Paul Nolte. Der Mediziner Schultheiss hält den Abgang des Präsidenten für „ein Desaster“: „Lenzen ist der mit Abstand profilierteste Hochschulmanager, den wir in Berlin haben“. Auch andere Professoren würdigen Lenzens Verdienste. In den vergangenen zehn Jahren habe Lenzen die FU zu dem gemacht, was sie heute ist, sagt Lehmkuhl. „Aber die weitere Entwicklung der Universität hängt nicht von seiner Person ab.“ Das sieht Lenzen auch so: „Das Kind ist erwachsen.“ Er habe exzellente Teams für die Weiterarbeit zusammengestellt.

Wie geht es weiter an der FU? In den vergangenen Tagen hatten Professoren Lehmkuhl und den Germanisten Peter André Alt als Kandidaten für die Präsidentschaft ins Spiel gebracht. Alt leitet das Dach für die Doktorandenprogramme der FU. Beide wollten sich auf Anfrage zu dieser Frage nicht äußern. „Die nächsten Schritte der Findung eines neuen Präsidenten müssen in einer offenen Diskussion an der Hochschule abgestimmt werden“, sagte Alt lediglich.

Alt gehört wie Lehmkuhl der stärksten Fraktion im Akademischen Senat (AS) an, aus der auch Lenzen kommt. Die 60 Mitglieder des erweiterten Akademischen Senats wählen den Präsidenten. Kandidieren darf, wer vom AS oder vom Kuratorium mit mindestens einem Drittel der Mitglieder unterstützt wird. Wann die Wahl stattfindet, müssen die Gremien der FU jetzt besprechen. Bis Lenzens Nachfolger gefunden ist, führt die Erste Vizepräsidentin die Geschäfte.

Der Mathematiker Peter Deuflhard hält es angesichts der komplizierten Rahmenbedingungen in Berlin für „nicht schlecht, einen Kandidaten zu wählen, der die Universität von innen kennt“. Der Historiker Nolte erwartet vom Nachfolger Lenzens, dass er sich mehr der eigenen Universität widme und mit allen Gruppen stärker kommuniziere. Daran habe es Lenzen zuletzt gemangelt. Schuld daran sei aber auch der Berliner Senat. Dieser habe durch die monatelangen Verhandlungen um die Hochschulverträge die Präsidenten gehindert, an den Universitäten präsent zu sein.

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