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Das Bürgeramt im Rathaus Neukölln. Berlin hinkt in Sachen Digitalisierung hinterher.

© Mike Wolff

Digitalisierung der Berliner Verwaltung: Eine Geschichte des Misserfolgs

Die IT-Struktur in Berlin soll modernisiert werden, bisher bleibt das aber erfolglos. Und das IT-Zentrum braucht eine neue Spitze.

So sehr sich IT-Staatssekretärin Sabine Smentek (SPD) auch mühte – die erneute Überschreitung einer Frist für die Umstellung von Windows-Betriebssystemen in der Berliner Verwaltung war nicht schadlos zu kommunizieren. Nachdem das Land 2015 bereits für Verzögerungen bei der Umstellung auf Windows XP viel Geld in die Hand nehmen musste, um Supportverlängerungen einzukaufen und damit die Sicherheit mehrerer Millionen Bürgerdaten zu gewährleisten, wiederholt sich das Scheitern nun erneut. Rund 20000 der insgesamt 85 000 Verwaltungsrechner laufen mit Windows 7. Der Support für das Programm endete am Dienstag. Das war zwar Jahre vorher bekannt, kostet das Land Smentek zufolge aber dennoch rund eine Million Euro extra.

Ärgerlich ist das vor allem deshalb, weil ein vorhandenes Instrument für die zeitgerechte Modernisierung und Standardisierung der IT-Struktur in der Berliner Verwaltung vorhanden ist – aber kaum genutzt wird. In dem 2016 von SPD und CDU verabschiedeten E-Government-Gesetz (EGG) zur Digitalisierung der Berliner Verwaltung heißt es: „Zentraler Dienstleister für die Informations- und Kommunikationstechnologie der Berliner Verwaltung ist das IT-Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ).“

Tatsächlich ist die Behörde von dem im Gesetz formulierten Anspruch in etwa so weit entfernt wie der Haushalt der Hauptstadt von der Schuldenfreiheit. Aktuell laufen zwischen 15 und 20 Prozent aller Behördenrechner unter dem Dach des ITDZ. Die Migration weiterer Rechner kommt nur schleppend voran, wie auch Smentek im Ausschuss für Kommunikationstechnologie und Datenschutz einmal mehr zugeben musste. Eine der Folgen ist die absehbare Verzögerung bei dem zentralen Projekt des EGG, der Einführung der elektronischen Akte.

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Da hilft es wenig, dass sich die Fachpolitiker aus Opposition und Koalition in der Frage nach den Ursachen für den fehlenden Fortschritt weitgehend einig sind. Ursache sind die vielzitierten „Königreiche“, als die sich einzelne Behörden auf Bezirks- und Landesebene – dem EGG zum Trotz – noch immer begreifen. Über eine seit dem 1. Januar 2018 geltende Abnahmeverpflichtung von Leistungen des ITDZ setzen sich diese einfach hinweg.

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Geradezu krampfhaft halten einzelne Behörden an eigenen Strukturen und Handlungsroutinen fest - dem EGG und Kompetenzvorteilen des ITDZ zum Trotz. Tagesspiegel-Informationen zufolge holen einzelne Senatsverwaltungen bereits an das ITDZ delegierte Aufgaben wieder unter die eigene Hoheit zurück. Sie drosseln damit einen Prozess, der ohnehin viel zu langsam vorankommt.

Probleme bei der Fachkräftegewinnung

Darüber, welchen Anteil an der Misere das ITDZ selbst hat, gehen die Meinungen auseinander. Unstrittig sind die Probleme der Behörde bei der Fachkräftegewinnung. Smentek zufolge verfügt das ITDZ aktuell über 915 Stellen. Auf dessen Homepage wiederum ist von 782 festangestellten Mitarbeitenden die Rede. Wie die Differenz auf einem für IT-Experten günstigen Arbeitsmarkt abgebaut werden soll, bleibt ein Rätsel.

Das ITDZ ist an Tarifverträge des Landes gebunden und damit schlicht nicht konkurrenzfähig. Fachkräfte verdienen in der freien Wirtschaft das Doppelte. Warum in eine vergleichsweise behäbig arbeitende Behörde wechseln, zumal die ebenfalls in der Stadt sitzenden Bundesbehörden besser zahlen als das Land? Und auch im investiven Bereich gibt es Verbesserungsbedarf. Selbst erzielte Überschüsse, im vergangenen Jahr mehr als zehn Millionen Euro, muss die Behörde an das Land abtreten. Um Mittel für eigene Investitionen wiederum muss das ITDZ bei Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) buhlen.

Ines Fiedler verließ die ITDZ zum Jahreswechsel.
Ines Fiedler verließ die ITDZ zum Jahreswechsel.

© Doris Spiekermann-Klaas

Letzteres könnte den Ausschlag für eine Personalentscheidung gegeben haben, die Mitte Dezember bekannt geworden wahr und von Beobachtern wahlweise als „überraschend“ oder „absehbar“ bezeichnet wird. Mit Ines Fiedler verließ die 2013 in die Behörde gekommen Leiterin des ITDZ die Einrichtung zum Jahreswechsel. Über die Hintergründe sprießen die Spekulationen, auch weil eine Pressemitteilung Smenteks zu der Personalie keinerlei Angabe zu den Gründen der Trennung machte. Unter Insidern heißt es, atmosphärische Spannungen zwischen Fiedler und Smentek hätten den Ausschlag gegeben. Das ohnehin angespannte Verhältnis der beiden sei nach einer Auseinandersetzung kurz vor dem Jahresende zerrüttet gewesen.

Zu beobachten war deren Verhältnis im November. Damals hatte die Innenverwaltung nach der Sicherheitspanne am Amtsgericht kurzfristig eine gemeinsame Pressekonferenz zum Thema IT-Sicherheit der Berliner Verwaltung einberufen. Aus dem Umfeld Fiedlers hieß es, diese sei davon vollkommen überrascht worden. Während des Treffens saßen die beiden zwar nebeneinander und bemühten sich um einen harmonischen Auftritt. So recht gelingen wollte der aber nicht.

Wie geht es weiter? Fest steht, das ITDZ muss schneller werden. Dazu braucht es neben der Zuarbeit der auf ihre eigenen Strukturen beharrenden Behörden die Unterstützung Smenteks. Neben ihrem Amt als Staatssekretärin hat sie auch einen Sitz im Verwaltungsrat des ITDZ. Eine Doppelrolle, die Kritik auslöst. Den Vorstand des ITDZ wiederum übernimmt interimsmäßig Marc Böttcher, der bis zu seiner Berufung kaufmännischer Leiter des ITDZ war. Ausgerechnet in einer Phase, in der Beschleunigung Not tut, sucht das ITDZ per Ausschreibung eine neue Spitze. Stephan Lenz, CDU-Sprecher für Digitalpolitik, erklärte dazu: „In der Regel führen Wechsel nicht zur Beschleunigung, sondern zur Verlangsamung.“

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