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Besser online. Der „SeniorenComputerClub Berlin-Mitte“ schult ältere Menschen digital. Das hilft vielen dabei, ihre ehrenamtliche Arbeit effizienter zu planen.

©  Kitty Kleist-Heinrich

Ehrenamt im Netz: Die Scheu vor dem Digitalen überwinden

Ehrenamtliche könnten sich effektiver engagieren, wenn sie digitaler arbeiteten – ergab der Report einer Technologiestiftung.

Gerade in der Pandemie ist deutlich geworden, wie sehr wir aufeinander und auf ein Miteinander angewiesen sind. Doch schon vor der Coronakrise haben sich Berlinerinnen und Berliner ehrenamtlich engagiert, um anderen zu helfen.

Schätzungsweise eine Million Menschen in Berlin sind in Vereinen, Stiftungen oder Verbänden organisiert. Allerdings wird durch die Technologisierung unserer Arbeitswelt oftmals auch vielen Freiwilligen immer mehr im Beruf abverlangt – zu Lasten der Zeit, die für das ehrenamtliche Engagement in ihrer Freizeit zur Verfügung steht. Das zumindest ist die Auffassung der Technologiestiftung Berlin (TSB).

Ihre These: Digitale Tools könnten die Vereins- und Stiftungsarbeit erheblich erleichtern und somit den Ehrenamtlichen mehr Zeit verschaffen, sich den eigentlichen Tätigkeiten im Verein oder Verband zu widmen.

Weil Berlin „Europäische Freiwilligenhauptstadt 2021“ ist, hat die TSB passend zu diesem Aktionsjahr einen Report veröffentlicht, der dem Tagesspiegel vorab vorliegt.

Der mehr als 50-seitige Reader „Digital im Verein“ der Technologiestiftung wurde von der Senatswirtschaftsverwaltung finanziert. Für den Report hat die Technologiestiftung 35 Interviews mit Aktiven in Berliner Freizeit- und Sportvereinen, Verbänden und Stiftungen geführt und herausgefiltert: Wie weit arbeiten die einzelnen Institutionen schon digitalisiert? Wo liegen noch häufig Probleme und Hindernisse?

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Zudem gibt der Report in einer Zusammenfassung Handlungsempfehlungen für die Ehrenamtlichen.

Eine erste Erkenntnis zeigt: Die Digitalisierung von Vereinen und Stiftungen hängt oft von Einzelnen ab und geschieht eher unsystematisch. Konkret heißt das, wer im Verein Mitgliederinnen und Mitglieder hat, die sich gut mit der IT auskennen oder Ahnung von Software oder Webseiten-Erstellen haben, sind digital besser aufgestellt, weil sich jemand von sich aus darum kümmert.

Nicolas Zimmer, Vorstandsvorsitzender der Technologiestiftung Berlin, sagt, dass noch immer „ zu viel kostbare Zeit in Büroarbeit gesteckt“ werde, weil mit veralteter Technik beispielsweise Mitgliedsbeiträge gebucht oder Rundschreiben verschickt würden. „Digitale Tools bieten viele Möglichkeiten, auch die Vereinsarbeit effizienter zu gestalten.“

Ein digitales Angebot kann spontanes Engagement fördern

Während etliche Vereine allenfalls per Mail kommunizieren und sonst noch sehr analog aufgestellt sind, gibt es auch andere Beispiele: Sie sind – etwa über Social Media Kanäle – gut bis ausgezeichnet vernetzt und können auf diese Weise auch weitere Helferinnen und Helfer für einzelne Veranstaltungen oder Aktionen in Kürze zusammentrommeln. So beispielsweise die Engagierten bei der Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“.

Aufgrund der Pandemie haben die Aktivitäten sich nahezu komplett ins Internet verlagert. Aus dem Bericht der Technologiestiftung geht hervor, dass ein digitales Angebot auch „spontanes Engagement befördern“ kann.

Ein Beispiel dafür sei etwa die zahlreiche Beteiligung auf der Plattform „Gieß den Kiez“ der Technologiestiftung. Über die Internetseite können sich Engagierte informieren, wo Bäume in der Nachbarschaft unter Trockenheit leiden, man kann einzelne auch adoptieren und markieren, wenn man sie gegossen hat.

Etliche Ehrenamtliche arbeiten bereits verstärkt mit digitalen Lösungen, wie auch die „Berliner Tafel“. Der gemeinnützige Verein verteilt gespendete Lebensmittel an Bedürftige.

Laut dem Report testet der Verein laufend neue Möglichkeiten, „um Prozesse für das Kerngeschäft zu verbessern“. Sei es die Beschaffung, Lagerung oder Logistik der Nahrungsmittel oder die Organisation der Freiwilligen zu vereinfachen, oder aber Geldspenden so einfach wie möglich abzuwickeln.

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Anders sah es bislang laut dem Bericht bei „Morus 14“ aus. Der Verein sitzt im sozialen Brennpunktkiez, dem Rollbergviertel in Neukölln, und kümmert sich um Gewaltprävention, Bildung und Kultur.

Der Kontakt der fast ausschließlich ehrenamtlich Tätigen sei bis vor der Pandemie analog und in persönlichen Gesprächen gelaufen, digitale Tools wurden laut Bericht nur benutzt, wenn ein persönlicher Kontakt nicht möglich war. Für den Nachhilfeunterricht seien dann „gängige oder bereits bekannte Tools genutzt worden“. Für den Online-Nachhilfeunterricht wurden dann Tablets mit vorinstallierten Apps angeboten.

Bei der Senatswirtschaftsverwaltung hieß es, dass der Bericht deutlich mache, dass oftmals das notwendige Wissen nicht vorhanden sei, auch lasse häufig die digitale Infrastruktur „komplexere Anwendungen nicht zu“.

Ein Berliner Start-up hat eine Chat-App für die Vereinskommunikation entwickelt

Andererseits hätten die Interviews mit den Ehrenamtlichen aber auch ergeben, dass man an vielen Stellen schnelle Insellösungen geschaffen habe, „die wegen ihrer Vorzüge von anderen übernommen werden“.

Eine systematische Digitalisierung finde aber auch in diesen Fällen oft nicht statt. „Mit dem Report der Technologiestiftung liegt jetzt ein Beitrag vor, der zeigt, wie durch den Ausbau von digitaler Infrastruktur, die Präsentation von Best Practice und die Weitergabe von Know-how“ die Arbeit von Ehrenamtlichen noch besser gewürdigt werden könne“, sagt Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne).

Ein Berliner Start-up, das sich um die Verbesserung der Kommunikation in Vereinen kümmert und ebenfalls für den Report der Technologiestiftung befragt worden war, ist LuckyShot.

Das Unternehmen bietet zum einen eine Software an, die den Vereinen das Mitgliedermanagement, die Finanzen – wie etwa Buchhaltung und Spendenverwaltung – erleichtern soll, aber auch Tools, damit Vereinsmitglieder besser miteinander kommunizieren und sich vernetzen können.

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„Aus Datenschutzgründen dürfen Vereine nicht über Whatsapp-Gruppen ihre Kommunikation laufen lassen“, erzählt Matthias Tausch von LuckyShot.

Deshalb hat das Start-up die App „Chapster“ für nicht-kommerzielle Vereine entwickelt, die der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unterliegt und ähnlich wie Whatsapp oder Slack funktioniert.

Die App könne von jedem Mitglied kostenlos heruntergeladen werden, und über verschiedene Kanäle können sich die Ehrenamtlichen vernetzen: Sei es, wann die nächste Chorprobe online ist oder welche Veranstaltungen demnächst organisiert werden müssen. Das Start-up habe insbesondere wegen der Pandemie sicher gestellt, dass die App für die Ehrenamtlichen kostenlos bleibt.

Denn einen Verein zu digitalisieren kostet Geld: Die entsprechende Software oder Endgeräte müssen die Vereine über Mitgliederbeiträge, Spenden, Sponsoring oder Förderung durch öffentliche Gelder finanzieren.

Den Report gibt es unter: www.technologiestiftung-berlin.de

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