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Berlin: Dinner auf sieben Etagen zu Ehren der Cats

Erst sprühten Hoffnungsfunken am Potsdamer Platz, dann wurde Bewährtes gefeiert

Statt Feuerwerk und Fackeln gab es diesmal ein Dinner auf sieben Stockwerken. Mit den Cats hat auf dem Potsdamer Platz auch eine neue Stil-Ära begonnen.

An den Rhythmus hat man sich langsam gewöhnt: zehn visionäre Schritte vor, dann zwanzig ernüchterte zurück und schließlich, trippel, trippel, elf reale Schritte vor. Von den Wechselbädern, denen sich die Stimmung dieser Stadt unterziehen muss, hätte Herr Kneipp noch manches lernen können.

Als vor gut drei Jahren zum ersten Mal eine Musical-Premiere auf dem gerade fertigen Potsdamer Platz gefeiert wurde, kannte der Enthusiasmus kaum Grenzen: Der rote Teppich war quer über ganzen Platz gerollt, der Glöckner kam als Welturaufführung, die überwältigende Zahl der eleganten Abendgarderoben und Träger klingender Namen war für Berlin eine wunderbare Neuerung. Die Hoffnung sprühte Funken, alle Zeichen waren auf Glanz gesetzt.

Inzwischen liegt schon ein bisschen Patina (auch solche aus zerstobenen Erwartungen) auf dem Theater, und auf dem Programm steht ein Stück, das passenderweise unter anderem von sieben Leben handelt.

Das zweite Leben begann verhaltener. Stehender Beifall immerhin, viele Zuschauer bekannten hinterher, die singenden Katzen in London oder New York schon mal gesehen zu haben, aber eben nie auf deutsch. Und auch die Wiederholungsseher waren durchweg angetan von der Qualität dieser Inszenierung. Selten genug, dass Kritik und Publikum mal zum selben Urteil kommen.

Das besiegt geglaubte Klischee, Berlin gehöre zu den eher dürftig gekleideten Metropolen der Welt, wurde diesmal von allzu vielen Premierengästen leider doch wieder bestätigt. Eine Jeans-Weste wird noch nicht zum Abendkleid, nur weil die Trägerin einen berühmten Namen besitzt und sich vielleicht von den strengen amerikanischen Dresscodes erholen muss. Mit den bekannten Namen war es überhaupt so eine Sache. In einem Umfeld junger Privatfernseh-Stars wird dann auch schon mal ein 17-jähriges Mädchen zum Fotografenfutter, nur weil es sich ein paar Katzenöhrchen aufgesetzt hat. Bei einem für den Tourismus der Stadt so wichtigen Ereignis hätte man erwarten sollen, dass, wo schon nicht der Regierende Bürgermeister, wenigstens die für Kultur und Wirtschaft zuständigen Senatoren Flagge zeigen. Sie ließen sich nicht blicken.

Dafür wurden erstmals alle Möglichkeiten des Theaters ausgereizt. Den zweiten Akt nutzte das Interconti-Team, über sieben Etagen auf den Galerien, in den Foyers und unter im Adagio sorgfältig gedeckte Tische und Büfetts aufzustellen, eine logistische Meisterleistung, die sich zur Nachahmung für bessere Zeiten empfiehlt, wenn Großunternehmer mal wieder darüber nachdenken, wie sie möglichst vielen Geschäftsfreunden einen schönen Abend bereiten. In den vorab mit Kunst und Licht wärmend gestalteten Räumen gab es Sushi, orientalische und italienische Spezialitäten.

Premierenfeier im eigenen Haus, das hat sich hier als freundliche Alternative auch zu langen nächtlichen Busfahrten ins Blaue erwiesen. So gegen elf, als sich die Stars der Aufführung im Adagio unter ihre Fans mischten, teilte sich die Gesellschaft konsequent in Frühzubettgeher und wilde Tänzer auf, die bis fünf Uhr morgens durchhielten. Der neue Realismus auf dem Potsdamer Platz. Bis zum dritten Leben ist es hoffentlich noch weit hin.

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