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Berlin: Diplomat soll 35 000 Euro an Hausangestellte zahlen

Indonesierin verklagte saudischen Ex-Attaché.

Berlin - Ein ehemaliger Attaché der saudi-arabischen Botschaft in Berlin muss 35 000 Euro an eine frühere Hausangestellte zahlen. Diesen Vergleich schlossen am Dienstag beide Parteien vor dem Berliner Arbeitsgericht. Der knapp zwei Jahre währende Rechtsstreit, der bereits zum Bundesarbeitsgericht gegangen war, beruht auf den Angaben der Frau, wonach sie von der Familie des Mannes misshandelt und erniedrigt worden sein soll. Außerdem soll sie gezwungen worden sein, bis zu 20 Stunden täglich zu arbeiten, ohne dafür angemessen bezahlt zu werden. Die Angestellte habe kein eigenes Zimmer gehabt, sondern auf dem Boden im Kinderzimmer schlafen müssen, sagte Paula Riedemann von Ban Ying, einer Beratungs- und Koordinierungsstelle gegen Menschenhandel. Sie sei quasi im Haus eingesperrt gewesen. Man könne durchaus von „moderner Sklaverei“ und „menschenunwürdigen Bedingungen“ sprechen, unter denen die Frau leben musste. Nach Angaben von Rechtsanwalt Klaus Bertelsmann hat die Hausangestellte 19 Monate im Privathaushalt des Diplomaten gearbeitet. Im November 2010 habe sie auf sich aufmerksam machen können; anschließend wurde sie von Ban Ying betreut. Ihr Fall sei schon ein „sehr extremer“, sagte Riedemann, die bei der Beratungsorganisation als Projektkoordinatorin arbeitet.

Die Frau lebt inzwischen wieder in ihrem Heimatland Indonesien; deswegen hat die Juristin und ehemalige Berliner Senatorin Heide Pfarr die Klage übernommen. Pfarr wollte vor allem erreichen, dass der Schutz durch die diplomatische Immunität in solchen Fällen aufgehoben wird, damit die Hausangestellten von Diplomatenfamilien nicht rechtlos ihren Arbeitgebern ausgeliefert sind.

Aber sowohl das Arbeitsgericht wie auch später das Landesarbeitsgericht hatten in den ersten Instanzen eine Klage wegen der diplomatischen Immunität für nicht zulässig erklärt, deswegen sei ein deutsches Gericht nicht zuständig. Als das Verfahren dann beim Bundesarbeitsgericht anhängig war, wurde bekannt, dass der damalige Attaché Deutschland verlassen und aus diesem Grund keinen diplomatischen Schutz mehr hat. Deswegen verwies es die Klage zurück ans Arbeitsgericht. Weder die Hausangestellte noch der ehemalige Diplomat waren zum Gerichtstermin erschienen, sie wurden von Anwälten vertreten.

Die ursprüngliche Forderung der Frau belief sich auf 70 000 Euro. Eine Entschuldigung des Mannes, die sich die Hausangestellte gewünscht hätte, lehnte dessen Anwalt Dietrich von Berg jedoch ab, da dieses einem Schuldeingeständnis gleichgekommen wäre. Der Mann hat die Vorwürfe stets bestritten. Von Berg geht davon aus, dass das saudische Königreich die 35 000 Euro übernimmt, sein Mandant sei dazu nicht in der Lage. „Saudi-Arabien will vermeiden, dass sein Ansehen beschädigt wird“, erklärte von Berg die Zahlungsbereitschaft des Landes. Saudi- Arabien sei sensibel in diesen Fragen. Wird das Geld nicht innerhalb eines Monats auf ein Treuhandkonto überwiesen, ist der Vergleich hinfällig. Dann wird das Verfahren wieder aufgenommen.

Vor dem Prozess schätzten Beobachter die Erfolgsaussichten einer Klage als relativ gering ein. Die Beweislage sei schwierig, da alle Beteiligten sich inzwischen außerhalb Deutschlands aufhielten „Und selbst wenn Sie dann ein Urteil haben, können Sie es nicht in Saudi-Arabien vollstrecken lassen. Schon gar nicht als Frau“, sagte Anwalt Bertelsmann.

Seit Jahren werden immer wieder Fälle bekannt, in denen Botschaftsangehörigen vor allem aus arabischen Ländern vorgeworfen wird, ihre zumeist weiblichen Angestellten nicht angemessen zu behandeln. Ban Ying betreut eigenen Angaben zufolge fünf bis zehn Frauen pro Jahr. 2008 wurde in Berlin der Fall eines jemenitischen Diplomaten bekannt, der eine Angestellte vier Jahre lang ausgebeutet und misshandelt haben soll. Die Botschaft zahlte später Lohn nach. Für den Diplomaten hatte der Vorfall keine juristischen Konsequenzen. Sigrid Kneist

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