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Direkt dran: Wie wirkt der Volksentscheid

Der Volksentscheid in Berlin wirkt sich aus: auf Bürgerbeteiligung und Kommunen. Wie genau?

Berlin passt mit dem Wasser-Volksentscheid in die politische Landschaft: Bürgerprotest gegen einen Bahnhof in Stuttgart, erfolgreiche Volksentscheide in Hamburg und Bayern. Direkte Demokratie ist en vogue. „Der Ausgang des Wasservolksentscheids in Berlin ist erstaunlich und überraschend, aber er ist auch mit der politischen Großwetterlage zu erklären, wonach es einen allgemeinen Vertrauensverlust der Bürger in politische Institutionen gibt“, sagt Michael Efler von „Mehr Demokratie e.V.“. Aber nicht nur die Debatte um mehr plebiszitäre Instrumente wird befeuert, der Berliner Volksentscheid kann auch Auswirkungen auf andere Kommunen und ihr Geschäftsgebaren haben.

Gibt der Volksentscheid in Berlin einen Impuls für mehr Bürgerbeteiligung?

Für Michael Efler steht fest: „Dieser Volksentscheid wird in Deutschland Signalwirkung haben und einen Trend unterstützen, der seit Mitte 2010 zu beobachten ist: Das Thema Bürgerbeteiligung wird immer wichtiger und es ist auch in den politischen Parteien präsent.“ Umfragen zeigen immer wieder große Zustimmung für mehr partizipatorische Möglichkeiten. Flankiert wird das Ganze von einer zunehmenden Entfremdung zwischen Politik und Bürgern, die sich auch an der Wahlbeteiligung ablesen lässt. Das repräsentative System, in dem der Bürger auf Bundesebene alle vier Jahre einmal zur Stimmabgabe aufgerufen wird, zeigt Krisenfalten. Direktdemokratische Instrumente sind im Aufschwung. Sämtliche Parteien entwickeln zurzeit Konzepte, wie Bürger besser am politischen Prozess während einer Legislaturperiode beteiligt werden können. Insofern dürfte der Berliner Volksentscheid diese Debatten weiter anheizen. Allerdings ist äußerst umstritten, ob es auch auf Bundesebene Volksentscheide geben soll. SPD und Grüne unterstützen das, Union und FDP sind skeptisch. Und auch unter Experten gelten Volksentscheide nicht als Allheilmittel der Partizipation.

Wie steht es um direkte Demokratie in Deutschland?

Auf jeden Fall besser als noch vor zehn Jahren. Die Zahl der direktdemokratischen Elemente in den Landesverfassungen hat zugenommen. Wobei zu unterscheiden ist, ob es sich um Elemente auf Landesebene handelt, hier spricht man von Volksentscheiden oder um Abstimmungselemente auf kommunaler Ebene, Bürgerentscheide. Für beides gibt es unterschiedlich hohe Hürden. Um einen Bürgerentscheid herbeizuführen, muss vorher ein Bürgerbegehren stattfinden. Dafür muss in der Regel eine bestimmte Zahl an Unterschriften gesammelt werden. Die Zahl variiert von Bundesland zu Bundesland. Hat das Bürgerbegehren Erfolg, folgt direkt danach der Bürgerentscheid.

Volksentscheide sind ähnlich aufgebaut, wenngleich es hier noch eine weitere Vorstufe gibt. Zuerst steht ein Antrag auf ein Volksbegehren, der eine Mindestzahl an Unterschriften erbringen muss, bevor es überhaupt zum Volksbegehren kommt. Auch dieses muss wieder eine bestimmte Unterschriften-Anzahl aufweisen, bevor es zum eigentlichen Volksentscheid kommt. Für den gibt es dann ebenfalls eine Hürde: das Quorum. Mit Quorum ist eine gesetzlich vorgeschriebene Mindestbeteiligung der Wahlberechtigten gemeint. Meistens sind es zwischen 20 und 25 Prozent, in machen Fällen sind es auch 40 Prozent und mehr. Genau dieses Quorum hält Efler für überflüssig: „Wir fordern, das Quorum bei Volksentscheiden ganz abzuschaffen und wie bei Wahlen die Mehrheit der abgegebenen Stimmen über Sieg und Niederlage entscheiden zu lassen.“

Welche Bundesländer sind besonders direktdemokratisch?

„Mehr Demokratie e.V.“ hat bereits dreimal ein Volksentscheids-Ranking erstellt, um zu sehen, welche Länder besonders effektive direktdemokratische Instrumente haben (siehe Grafik). Entscheidend für das Abschneiden der Länder sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Werden besonders viele Themen von Volks- oder Bürgerbegehren ausgeschlossen? Gibt es besonders hohe Quoren für die Einleitung von Volks- oder Bürgerbegehren? Und wie hoch sind die Quoren für den Volksentscheid selbst?

Wie wirkt sich die Berliner Abstimmung auf andere Kommunen aus?

„Die Offenlegung von Verträgen zwischen Staat und Unternehmen gehört jetzt auf die Tagesordnung“, sagt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Die Bundesregierung und der Bundestag sollten aus dem Ergebnis des Berliner Volksentscheids lernen. Die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dürften nicht länger als Transparenzsperre für Bürgerinformation wirken. Der Zugangsanspruch zu dem seit fünf Jahren geltenden Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes sollte nun deutlich erweitert werden. Das IFG gewährt jedem Bürger einen voraussetzungslosen Zugang zu amtlichen Informationen von Bundesbehörden. Ein schriftlicher Antrag ist nötig und es entfallen Gebühren. Außerdem gibt es viele Ausnahmeregelungen, die den Behörden doch Geheimhaltungsspielraum gewähren.

Nach Ansicht von Helmut Dedy vom Deutschen Städte- und Gemeindebund wird der Trend zur Rekommunalisierung durch die Entscheidung in Berlin verstärkt. Vor ein paar Jahren noch schwappte eine Privatisierungswelle über die Bundesrepublik. Städte und Gemeinden privatisierten alles, was sich privatisieren ließ: Wasserversorgung, Stromerzeugung, Müllabfuhr, Krankenhäuser. Schnelles Geld wollte man machen, mit den Verkäufen die Gemeindekasse auffüllen. Doch vielerorts war das Resultat ernüchternd. Einige Städte und Gemeinden machten ihre ursprünglichen Entscheidungen schon wieder rückgängig. Andere überlegen noch. In Hamburg könnten die Menschen bei diesem Thema ebenfalls direkt ins Spiel kommen. Im Mai steht das Volksbegehren „Keine Privatisierung gegen den Bürgerwillen“ zur Abstimmung. Es geht um eine Verfassungsänderung, die eine Privatisierung öffentlicher Unternehmen nur noch mit Zustimmung der Bürger zulässt.

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