zum Hauptinhalt
Leichte Schulter. Mate Gyenei stemmt Anna Weihrauch ohne Anlauf in den Berliner Himmel. Bis auf Weihrauchs Haarfarbe sehen die beiden den berühmten Filmvorbildern Patrick Swayze und Jennifer Grey ein wenig ähnlich – zumindest von Weitem.

© Davids

Dirty Dancing kehrt nach Berlin zurück: Einfach mal abheben

Baby und Johnny tanzen wieder durch Berlin: Eine Show im Admiralspalast will „Dirty Dancing“ neu erfinden. Die Hebefigur sieht plötzlich ganz einfach aus.

Was für eine Enttäuschung! Da nimmt Anna Weihrauch nicht mal Anlauf, ein Schritt, ein kleiner Hopser und schwupps, schwebt sie über Mate Gyenei, perfekte Körperspannung, fertig ist die Hebefigur. Locker kann sie sogar noch ihr rosafarbenes Kleidchen richten, damit es ihrem Partner nicht im Gesicht baumelt. So einfach ist das? Was Frances „Baby“ Houseman und Johnny Castle tagelang üben, ist in Wirklichkeit nur eine Sache von Sekunden. Ja, eine ziemlich einfache Figur sei das, sagt Gyenei grinsend, „da machen wir Profis viel schwierigere Sachen“. Aber darum geht es ja hier auch nicht: Es sieht spektakulär aus – und keine andere Szene ist mehr „Dirty Dancing“.

Donnerstagvormittag, Zeitreise mit pinkfarbenem Anstrich. Das „nhow“-Hotel neben der Universal-Zentrale am Spreeufer liefert die skurril-perfekte Kulisse für die kurze Tanzeinlage. Zwischen den Songs aus den 60ern und die Erinnerungen an den Film von 1987 schlängeln sich Rezeption und Polstermöbel durch den Raum wie die Einrichtungsgegenstände eines geschwungenen 70er-Jahre-Raumschiffs, nur eben nicht orange-braun sondern: pink! Als hätten sie die Macher der Show extra für diesen Anlass umlackieren lassen. Nein, das sei hier immer so, versichert der Veranstalter, verrät aber, dass die Wahl des Ortes schon auch farbliche Gründe gehabt habe. Weiße Luftballons und Kerzen säumen den Weg zu einem kleinen Raum mit pinkfarbenen Deckenstrahlern, wenn jetzt Prinzessin Lillifee persönlich den Kopf durch die Tür stecken würde, niemand der anwesenden Medienvertreter würde deswegen den Chefredakteur anrufen.

Die Baby-und-Johnny-Nummer nimmt man den Schauspielern ab

Es kommen allerdings nur Anna Weihrauch und Mate Gyenei, von Weitem nimmt man ihnen die Baby-und-Johnny-Nummer durchaus ab: Er ganz in Schwarz, perfekter Tänzerkörper, durchtrainiert, braune Knopfaugen, etwas südländischer als einst Patrick Swayze, aber ganz gut getroffen. Sie mit silbernen Riemensandalen, das Rosakleidchen flattert adäquat, etwas reifer als die junge Film-Baby ist Weihrauch allerdings und vor allem: brünett! Man kann nicht alles haben. Die Darsteller müssten schließlich nicht nur vom Typ passen, sondern auch in der Lage sein, die anspruchsvolle Rolle mit Tanz, Gesang und Schauspiel acht Vorstellungen in der Woche durchzuhalten, sagt Ko-Regisseur Alex Balger. Immerhin wird alles live gesungen – diesmal sogar mit Band. „Die beiden harmonieren sehr gut, es wird sicher knistern auf der Bühne“, verspricht er.

Natürlich ist es die Hebefigur-Szene, die Anna Weihrauch und Mate Gyenei vor einwandfreier Berlin-Kulisse an der Oberbaumbrücke wieder und wieder stemmen müssen, natürlich ist es „Time Of My Life“, das vom Band läuft, und unweigerlich taucht die Frage auf: Was soll an dieser Show, die am 27. April im Admiralspalast Premiere hat und dann monatelang durch Deutschland tourt, eigentlich neu sein? Ist nicht jeder Satz von „Ich hab eine Melone getragen“ bis „Mein Baby gehört zu mir, ist das klar?“ tausendmal gespielt, können nicht ohnehin alle alles mitsprechen?

Ein Taschentuch pro Zuschauer und Vorstellung

Das ist es ja gerade, sagt Alex Balger, „wenn die ersten drei Töne erklingen, geht doch jedem das Herz auf. Weil jeder so viel erlebt hat mit diesem Film!“ Es sei eine universelle, zeitlose Story, die ein breites Publikum anspreche, eine große Liebesgeschichte. Die könne man nicht oft genug erzählen. Und die Musik! „Da geht doch jeder mit.“ Balger hat sich trotzdem bemüht, die Figuren weiterzuentwickeln, erzählt er, noch „tiefer“ seien die Charaktere geworden. Der 40-jährige Österreicher hat sich dafür sogar extra mit Eleanor Bergstein getroffen, der US-Amerikanerin, die sowohl den Film als auch die Show geschrieben hat, die bis 2010 schon einmal anderthalb Jahre im Theater am Potsdamer Platz gespielt wurde. Noch rasanter sei das Ganze jetzt, die beiden hätten sich bemüht, „noch mehr Herz in die Sache zu bringen“. Ja Himmel, wer soll das denn aushalten? Balgers Ziel ist nicht weniger als ein Taschentuch pro Zuschauer und Vorstellung.

Dirty Dancing schon als Kind gesehen – aber nicht freiwillig

Anna Weihrauch und Mate Gyenei jedenfalls scheint das alles gar nicht zu belasten. Mit Musical-Strahlen stehen sie auf dem Lila-Kuller-Teppich und beantworten zum fünften Mal die Frage, wie oft sie den Film denn nun gesehen haben. „Sechs Mal ungefähr“, sagt Gyenei, seine Mutter habe ihn dazu gezwungen als Kind. Jetzt hat er sich natürlich die DVD gekauft, Sonderedition. Und Weihrauch hat von früher sogar noch VHS und Schallplatte.

Weihrauch und Gyenei, beide 29, wohnen seit längerem in Berlin, beide in Charlottenburg. Müssten Künstler in ihrem Alter nicht in Prenzlauer Berg wohnen? Charlottenburg ist doch genauso toll, sagt sie, „es gibt genauso viele Cafés aber weniger Touristen“. Außerdem: „Charlottenburg ist das neue Prenzlauer Berg!“ Wer so an die wichtigen Fragen des Lebens herangeht, hat sicher auch kein Problem mit den großen Filmvorbildern, dem 2009 verstorbenen Patrick Swayze und seiner Partnerin Jennifer Grey? „Wir wollen denen ja nicht nacheifern“, sagt Weihrauch. „Wir machen die Figuren zu unseren eigenen.“ Klingt vernünftig.

Übrigens, sagt Mate Gyenei noch, sei die berühmte Hebefigur an Land wesentlich einfacher als im Wasser. Da hätten es sich Jennifer Grey und Patrick Swayze unnötig schwergemacht. Sah aber gut aus. Und war ja schließlich nur ein Film.

„Dirty Dancing – das Original Live On Tour“, 23. April bis 18. Mai im Admiralspalast, Friedrichstraße 101 in Mitte. Karten ab 36 Euro, mehr Informationen und Karten unter:

www.admiralspalast.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false