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In einem Waldgebiet südöstlich von Berlin, hatte die Polizei in den vergangenen Tagen nach der vermissten Rebecca gesucht.

© Paul Zinken/dpa

Diskussion um Ermittlungen in Berlin: Polizei verteidigt Öffentlichkeitsarbeit im Fall Rebecca

Wurden Details aus dem Fall Rebecca "rechtsstaatswidrig" preisgegeben? Die Polizei wird scharf kritisiert - und weist die Kritik entschieden zurück.

Die Berliner Polizei hat den Verdacht zurückgewiesen, im Fall der vermissten 15-Jährigen Rebecca Reusch hätten Polizisten Details aus den Ermittlungen gegen den Schwager der 15-Jährigen bewusst an die Öffentlichkeit gegeben und damit das Verfahren gefährdet. „Ich habe die Mordkommission auch in diesem Fall als absolut verschwiegen erlebt“, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz dem Tagesspiegel.

„Es gibt keinen Anlass daran zu zweifeln. Das gesicherte Verfahren hat hier absoluten Vorrang.“ Es gebe auch „keine konkreten oder gar belastbaren Anhaltspunkte dafür“, dass Informationen aus Ermittlerkreisen an die Presse weitergegeben worden seien. Zugleich warnte Cablitz: „Lässt sich ein Anfangsverdacht begründen, leiten wir ein Strafermittlungsverfahren ein.“

Am Verhalten der Berliner Polizei hatte es heftige Kritik gegeben

Cablitz widersprach damit Vorwürfen von mehreren Seiten. Volker Boehme-Neßler, Professor für öffentliches Recht an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, hatte in einem Gastkommentar für die „Welt“ erklärt: „Völlig rechtsstaatswidrig ist aber die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei in den letzten Tagen. Um es klar zu sagen: Sie ist ein Skandal.“ Mit ihrer aktuellen Pressearbeit im Fall Rebecca „tritt die Polizei die Unschuldsvermutung mit den Füßen.“

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger hatte in einer Erklärung Polizei und Medien kritisiert. Es sei an der Staatsanwaltschaft, „dem rechtswidrigen Treiben von mindestens Teilen der Ermittler entgegenzutreten“. Diese korrumpierten mit der Weitergabe von Informationen an Medien „die Verfahrensfairness möglicherweise irreparabel“. Diese "zivilisatorische Errungenschaft" werde von Teilen der Ermittler "auf dem Altar sich aufschaukelnder Sensationslust" geopfert.

Der Vorsitzende der Strafverteidiger-Vereinigung, Stefan Conen, legte im rbb noch nach: „Informationen aus Ermittlungskreisen durchzustechen - und das wird hier vornehmlich die Polizei sein, die Staatsanwälte kenne ich, von denen glaube ich das nicht - das ist eine Straftat“ - nämlich Verrat von Dienstgeheimnissen. Zudem werde Unschuldsvermutung gegenüber dem Beschuldigten konterkariert durch die Informationspolitik.

Als Motiv für Durchstechereien nannte Conen „Wichtigtuerei einzelner Beamter“ und mögliche Geldzahlungen. „Es kann aber auch Politik sein, um Stimmungen zu beeinflussen, Stimmungen die in der Bevölkerung herrschen - die Polizei steht unter Druck“, sagte Conen.

Die Familie der Vermissten hatte sich bereitwillig gegenüber den Medien geäußert

Polizeisprecher Cablitz erklärte, der gegen die Polizei geäußerte Verdacht des Geheimnisverrats müsse hinterfragt werden. Dass eine Information aus Ermittlerkreisen stamme, besage zunächst lediglich, „dass sie von einer Ermittlerin oder einem Ermittler an einen berechtigten Personenkreis weitergegeben wurde“ - aber nicht, wie sie von dort weitergereicht wurde.

Tatsächlich hatte sich auch die Familie der vermissten Rebecca mehrfach gegenüber den Medien bereitwillig geäußert. In Vermisstenfällen werden Angehörigen in der Regel über den Stand der Ermittlungen informiert. Angehörige von Rebecca, die den Schwager für unschuldig halten, hatten selbst davon berichtet, dass sie über vorliegende Indizien informiert worden waren.

Cablitz erklärte zur aktuellen Berichterstattung der Medien über kleinste Details, dies könne die Ermittlungen unterstützten, das „kann aber auch genau das Gegenteil bewirken, zu Vorverurteilungen führen und Täterwissen in die Öffentlichkeit tragen“.

Die Polizei arbeite "sehr gut und vertrauensvoll mit der Staatsanwaltschaft" zusammen

Die Vereinigung der Strafverteidiger vorverurteile die Ermittler und messe mit zweierlei Maß, sagte Cablitz. Eine Informationsweitergabe durch die Staatsanwälte halte Conen für unwahrscheinlich, da er diese persönlich kenne. Das erwecke den Anschein, dass „die Unschuldsvermutung von persönlicher Bekanntheit abhängt“, sagte Cablitz. Zu dem in der Polizei kursierenden Verdacht, Details könnten aus der Justiz an die Presse lanciert worden sein, wollte sich Cablitz nicht äußern.

Die Polizei arbeite auch in diesem Verfahren „sehr gut und vertrauensvoll mit der Staatsanwaltschaft“ zusammen, sagte der Sprecher. Zudem sei die Staatsanwaltschaft „als Herrin des Verfahrens dazu verpflichtet, nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln“.

Bisher sind mehr als 1200 Hinweise bei der Polizei eingegangen

Die 15-Jährige Rebecca wird seit dem 18. Februar vermisst. Die 3. Mordkommission des Landeskriminalamts geht davon aus, dass Rebecca das Haus des Schwagers und der ältesten Schwester nicht selbstständig verlassen hat, zur möglichen Tatzeit allein mit dem Schwager im Haus war - und dass sie tot ist. Der Schwager sitzt wegen des dringenden Tatverdachts des Totschlags in Untersuchungshaft und schweigt zu den Vorwürfen.

Staatsanwaltschaft und Polizei veröffentlichten per Richterbeschluss auch Fotos des Schwagers, einer Fleecedecke und des Autos des Mannes. In dem Wagen waren Haare von Rebecca und Faserspruen gefunden worden. Zudem war der Wagen von einem Kennzeichenerfassungssystem am 18. Februar und am Folgetag auf der A12 nach Frankfurt (Oder) registriert worden.

Der Polizei liegen mehr als 1200 Hinweise vor, ein Hinweis führte die Polizei zu einem Waldstück bei Storkow. Drei Tage lange suchte die Polizei mit einer Hundertschaft, Spürhunden und einem Hubschrauber das Gebiet ab. Am Samstagabend wurde die Suche ohne Erfolg abgebrochen.

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