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Halbtags geöffnet. Das Abgeordnetenhaus ist ein Teilzeitparlament – und wird es auch bleiben.

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Diskussion um Parlamentsreform in Berlin: Die Nebenbei-Abgeordneten

Braucht Berlin ein Ganztagsparlament, um effizienter und bürgernäher zu arbeiten? Ein Pro und Contra zu dieser Idee.

Gute Parlamentsarbeit kann nur ein alter Hase „nebenbei“ machen

Wer möchte, dass sich Berliner Abgeordnete lächerlich machen durch Uninformiertheit, stümperhafte Gesetzesvorstöße und überflüssige parlamentarische Anfragen, sollte ruhig für ein Halbtagsparlament votieren. Er sollte sich dann aber nicht darüber wundern, dass sich wichtige Reformen Monat um Monat hinziehen, weil Volksvertreter keine Zeit haben, sich intensiv in die wechselnden, komplizierten Materien vom Lehrerbildungsgesetz bis hin zur Energiewirtschaft einzuarbeiten. So werden die Parlamentarier zu Statisten in ihren eigenen Ausschüssen, in denen sie ahnungslos auftauchen und nichts von Substanz beitragen können. Diesen Zeitmangel kann man nicht heilen, in dem das Land jedem Abgeordneten 3000 Euro im Monat für Mitarbeiter in den Wahlkreisen zur Verfügung stellt. Diese Versorgungspöstchen für Familienangehörige oder Freunde werden kaum dazu dienen, das Parlament schlagkräftiger zu machen.

Gute Parlamentsarbeit kann nur ein alter Hase „nebenbei“ machen. Wer sich hingegen ganz neu in die geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze des Abgeordnetenhauses einfinden und dabei noch das Ohr beim Bürger behalten will, wer die Verwaltung sowohl auf Trab bringen als auch kontrollieren und dann noch nebenbei seinem Beruf und seiner Familie gerecht werden will, kann im Grunde nur scheitern – auch auf Kosten des Landes Berlin, dessen Geschicke von einer Laienspielschar gelenkt werden. Eine kleine Truppe von schlagkräftigen und ernst zu nehmenden Vollzeitparlamentariern wäre allemal besser als personell aufgeblasene Fraktionen von Ahnungslosen. (Susanne Vieth-Entus)

"Ein Teilzeit-Parlament bringt mehr Alltagsbezug."

Abgeordnete erfahren am ehesten im Wahlkampf, was den Leuten wichtig ist an der Politik. Dann wollen sie nicht nur reden, sondern auch zuhören. Wahlkampf ist in Berlin alle fünf Jahre. In den Zwischenzeiten haben Volksvertreter zwei Quellen, um zu erfahren, was das zu vertretende Volk bewegt: ihre Sprechstunden und ihr nicht politisch geprägtes Umfeld. Zu dem sollte ein Beruf gehören: Der steht für das Leben mit Problemen, die nichts mit Wasserbetrieben oder angeblichen Missetaten eines Tierparkchefs zu tun haben.

Das alles ist wichtig – deshalb kümmern sich Politiker darum. Aber wie immer, wenn sich Menschen professionalisieren, neigen sie dazu, mehr vom Gleichen zu machen: mehr Anhörungen und Arbeitskreise, intensivere Fraktionssitzungen, gefühlsechtere Plenardebatten.

Vollzeit statt Teilzeit, denn es gibt so viel zu regeln! Wie heftig aber der Regelungswahn die Stadt im Griff hat, wissen eben Leute, die noch einen Beruf ausüben, und sei es in einer Anwaltskanzlei. Noch besser wissen es wohl Handwerksmeister und Start-up-Unternehmer, doch haben die weder Zeit noch Lust, sich politisch zu engagieren. Ein bisschen Teilzeit-Parlament bringt also immer noch mehr Alltags- und Lebensbezug mit sich als ein Vollzeitparlament. Am Bundestag, über den man auch Gutes sagen kann, sieht man genau, dass er nicht geworden ist, was er mit dem Umzug nach Berlin hatte werden wollen: eine Volksvertretung mit Nähe zum Volk. (Werner van Bebber)

Halbtags geöffnet. Das Abgeordnetenhaus ist ein Teilzeitparlament – und wird es auch bleiben.
Halbtags geöffnet. Das Abgeordnetenhaus ist ein Teilzeitparlament – und wird es auch bleiben.

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