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In der Kurfürstenstraße in Berlin gibt es häufig Ärger mit Freiern und Prostituierten.

© dpa

Diskussion um Prostitutionsverbot: Sperrbezirk stößt auf Skepsis

Der Vorschlag für ein begrenztes Prostitutionsverbot in Berlin stößt bei Politikern und Betroffenen auf Widerspruch: Einige fürchten, dass Prostituierte in die Abhängigkeit von Kriminellen getrieben werden könnten - oder das Problem in Außenbezirke verschoben werde.

Von Sandra Dassler

Eigentlich ging es bei dem Polizeieinsatz auf der Kurfürstenstraße vor einer Woche um Rauschgift und Falschgeld – angesprochen wurden die Beamten aber ausschließlich auf Prostitution. Viele Anwohner beschwerten sich bei den Beamten über zunehmend aggressiv und schamlos werbende Huren. Väter würden in Anwesenheit ihrer kleinen Kinder angesprochen, halbwüchsige Töchter von Freiern belästigt.

Die Bezirksverordnetenversammlung von Tempelhof-Schöneberg denkt deshalb über ein Prostitutionsverbot auf der Kurfürstenstraße von 4 bis 20 Uhr nach, auch Innensenator Frank Henkel (CDU) hat nun zumindest „zeitlich befristete Sperrbezirke“ ins Gespräch gebracht. Wie der Tagesspiegel berichtete, will er dazu Gespräche mit der Senatsverwaltung für Frauen und mit der für den Jugendschutz zuständigen Bildungsverwaltung führen. Eine entsprechende Verordnung müsste zwischen den drei Häusern abgestimmt und dann vom Senat beschlossen werden.

Eine Sperrstunde könnte das Problem nur verlagern

Doch in beiden von SPD–Senatorinnen geführten Verwaltungen steht man der Idee bislang eher skeptisch gegenüber. Man wisse durchaus, dass die Situation in der Kurfürstenstraße für die Anwohner nicht einfach sei, sagt eine Sprecherin von Frauensenatorin Dilek Kolat. Allerdings teile man die Befürchtung vieler, dass eine Sperrstunde das Problem nicht lösen, sondern nur verdrängen würde. Das könnte die Prostituierten in illegale und kriminelle Strukturen zwingen, hieß es. Außerdem könne man nicht erkennen, warum eine etwaige Verlagerung des Straßenstrichs in die Außenbezirke so viel besser sein sollte.

Problemgebiet. Hier bieten viele Prostituierte ihre Dienste an.
Problemgebiet. Hier bieten viele Prostituierte ihre Dienste an.

© Kai-Uwe Heinrich

Ähnlich argumentiert auch ein Sprecher von Bildungssenatorin Sandra Scheeres. „In Marzahn oder Reinickendorf gibt es auch Kitas und Schulen, gibt es Kinder, Jugendliche und Familien, die von einer Verlagerung der Prostitution in ihre Kieze betroffen wären“, sagt Ilja Koschembar. Es bringe jedenfalls nicht viel, bestimmte Teile der Stadt tagsüber von dem Problem zu befreien und andere damit zu belasten. Allerdings kenne man den Vorschlag des Innensenators nicht im Detail: „Er ist noch nicht bei uns eingegangen, wir wissen davon nur aus den Medien“, sagt Koschembar. Grundsätzlich sei man natürlich gesprächsbereit.

Prostituierte erwägen Zugeständnisse

Bei den Betroffenen selbst gehen die Meinungen auseinander. Zwar sind die meisten Berliner Prostituierten gegen ein zeitliches oder räumliches Verbot, es gibt aber auch andere Stimmen. „Vielleicht ist es angesichts des von Alice Schwarzer geforderten und bundesweit diskutierten generellen Prostitutionsverbots diplomatischer, einige Zugeständnisse zu machen“, sagt eine Sexarbeiterin, die ihren Namen nicht nennen will.

Drohende Abhängigkeit von Kriminellen.

Beim Verein Hydra, der seit 33 Jahren Prostituierte in Berlin berät, sieht man das ganz anders. Man habe noch von keiner Stadt gehört, in der das funktioniert hätte, sagt Hydra-Sprecherin Karolina Leppert. Im Gegenteil: Ein Verbot bringe viele Frauen oft erst in Abhängigkeit von Kriminellen. Die Beschwerden der Anwohner hält sie für heuchlerisch: „Auf der Kurfürstenstraße gibt es wie am Bahnhof Zoo schon seit Jahrzehnten Prostitution“, sagt sie. „Das weiß man, wenn man dort hinzieht.“

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"Eltern und Lehrer müssen das Thema offen ansprechen."

„Wenn ich sage, dass ich in der Kurfürstenstraße zur Schule gehe, kommt immer der Kommentar: Ach, da wo die Nutten stehen? Ich finde es nicht gut, wenn man schon morgens um acht Uhr die Prostituierten herumstehen sieht. Ich habe zwar keine Kinder, aber kleine Geschwister. Jeder Mensch hat doch eine Vorbildfunktion, oder? Hier sind viele Kindergärten und die Kinder stellen Fragen über die Frauen.“

Natalie Haager, 23, aus Neukölln macht eine Ausbildung als Erzieherin

„Ich finde eine zeitliche Sperrfrist für Prostitution sehr wichtig. Es geht einfach nicht mehr anders. Meine Schwägerin ist von hier weggezogen – wegen ihrer Kinder. Die Frauen, die hier stehen, sind ein abschreckendes Beispiel. Kontrolle fehlt in unserer Stadt ja generell – in vielerlei Hinsicht. Ich denke, wenn die Prostituierten tagsüber nicht mehr hier stehen, ist die Gegenwärtigkeit nicht mehr so groß.“

Monika Teute, 71, lebt als Rentnerin in Rudow

„Egal, wie man es regelt: Die Prostituierten machen immer weiter, weil sie ja dazu gezwungen sind. Ich finde es nicht gut, wenn ältere Jugendliche auf dem Weg zur Schule angesprochen oder angemacht werden. Aber das Argument, dass junge Menschen die Prostituierten nicht sehen sollen, kann ich gar nicht teilen. Eltern und Lehrer müssen das Thema einfach offen ansprechen.“

Matthias Münster, 50, ist Angestellter und Berliner

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