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DJ in Aktion. Am Pult steht Wladimir Kaminer nie still.

© Kitty Kleist-Heinrich

DJ Wladimir Kaminer im Interview: Völkerverständigung in der Russendisko

Am Sonnabend ist in Neuruppin „Russendisko“. Dort werde die deutsch-russische Freundschaft wieder lebendig, sagt Wladimir Kaminer.

Wladimir Kaminer, geboren 1967 in Moskau, kam 1990 nach Berlin. In seinem Textband „Russendisko“ erzählt der Schriftsteller in kurzen Geschichten von seinen Erlebnissen in der Stadt.

Was einst im mittlerweile geschlossenen Kaffee Burger in Mitte begann und immer noch jährlich am 24. Dezember in der Volksbühne stattfindet, setzt Bestsellerautor Wladimir Kaminer nun in Brandenburg fort: Am Samstagabend steigt im Neuruppiner Hangar-312 seine legendäre „Russendisko“.

Herr Kaminer, was reizt Sie an Neuruppin?

Ich habe dort um die Ecke, in Vielitz bei Lindow, ein Haus. Zudem gibt es den Neuruppiner Bilderbogen-Verein, der sich dafür einsetzt, Kultur aufzubauen und an die Vergangenheit anzuknüpfen. Durch die lange Präsenz des russischen Militärs in Brandenburg ist eine deutsch-russische Freundschaft entstanden, früher die deutsch-sowjetische Freundschaft. Dass die heute fehlt, fühlt sich für viele Menschen nach einem Identitätsverlust an. Sie leiden sehr darunter, dass die Politiker beider Länder nicht gut miteinander sprechen können.

Ihre „Russendisko“ füllt die Lücke?

Ja, ich übernehme damit die Rolle der Politiker und sage, solch eine deutsch-russische Freundschaft ist da. In Form der „Russendisko“ wird sie ausgelebt. Eine richtige Tanzparty klappt aber nur, wenn der DJ selbst gute Laune hat, wenn er nicht mit dem ernsten Gesicht eines Musiklehrers hinterm Pult steht, sondern wie ein Wilder herumspringt, mitsingt, mittanzt und mitfeiert. Deswegen mache ich meine Russendisko nur noch selten. Ich bin jetzt 52 Jahre alt, da kann man nicht mehr jede Woche an der Decke kleben.

Und bei Veranstalter Christian Juhre, der den Neuruppiner Bilderbogen-Verein mit gegründet hat und den Hangar-312 betreibt, können Sie nicht Nein sagen?

Richtig. Christian ist ein Enthusiast. Er ist immer offen für verrückte Sachen. Er hat sich einen russischen Kleintransporter gekauft, einen Buhanka, hat das Auto aus München geholt und ist in sowjetischer Uniform zu mir nach Vielitz gekommen. Wir haben Wodka getrunken und Hühner gefüttert. Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal zusammen die „Russendisko“ gemacht.

Die Rote Armee nutzte den Hangar 312 bis 1990 als Flugzeuggarage.
Die Rote Armee nutzte den Hangar 312 bis 1990 als Flugzeuggarage.

© Anja Reinbothe-Occhipinti

Sein Hangar ist sozusagen die perfekte Location für Ihr Disko-Format.

Ja, der Hangar-312 ist ein großartiger Veranstaltungsort. Er stammt aus der Zeit des Kalten Krieges. Dort, wo früher Flugzeuge standen, wird heute getanzt. Das ist das, was Menschen wollen – ein friedliches Leben in einem solidarischen Europa. Zudem ist die Veranstaltung jetzt in Neuruppin für mich eine besondere. Wir feiern das 20-jährige Bestehen der „Russendisko“. Meine Vielitzer Fraktion erscheint vollzählig und auch Freunde aus Berlin wollen kommen.

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Feiern Brandenburger anders als Berliner?

Die Brandenburger zünden nicht gleich. Sie sind wie Wunderkerzen. Wenn sie dann aber brennen, kann weder Gott noch der Teufel sie mit bloßen Händen löschen.

Und legen sie anders auf als vor 20 Jahren?

Ich spiele immer wieder neue Sachen. Die Russen machen weiterhin Musik, egal wie die Lage im eigenen Land ist. Es ist ja so: Je mehr ein Land unter Druck steht, desto mehr Musik wird produziert. Bei der letzten „Russendisko“ im Hangar-312 kamen auch einige Russen mit eigener Musik. Das war einerseits anstrengend. Andererseits sind wir eine offene Veranstaltung. Es geht nicht um die Musik, sondern um die Stimmung und darum, Spaß zu haben.

Das Interview führte Anja Reinbothe. Die „Russendisko“ findet am Sonnabend ab 19 Uhr im Hangar-312, Hugo-Eckener-Ring 40, Flugplatz Neuruppin, statt. Die Veranstaltung ist ab 18 Jahren, der Eintritt kostet 12,50 Euro.

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