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Berlin: DNS-Datei für Männer?: Genetisches Lotto: Mit sechs Richtigen den Mörder finden

Gunnar Bläß ist promovierter Molekularbiologe. Vor zehn Jahren arbeitete er am Robert-Koch-Institut über das Herpes-Virus.

Gunnar Bläß ist promovierter Molekularbiologe. Vor zehn Jahren arbeitete er am Robert-Koch-Institut über das Herpes-Virus. Grundlagenforschung. Seitdem hilft er mit, Mörder, Vergewaltiger und Einbrecher zu überführen - per DNA-Analyse. Gegensätzlicher könnte die Wirkung seiner Tätigkeit kaum sein, doch Bläß ist Wissenschaftler geblieben.

Neben dem Alltagsgeschäft geht es ihm auch immer darum, die Analysemethodik zu verfeinern. Künftig, so stellt er sich vor, könnten Spuren in einem mobilen Gerät direkt am Tatort ausgewertet werden. Viel Zeit wäre gewonnen, und die Beweiskraft der Ergebnisse könnte nicht mehr so leicht von mäkelnden Anwälten zerredet werden.

Bläß und seine Kollegen von der "PTU 42", der Polizeitechnischen Untersuchungsstelle des Landeskriminalamtes, Dienststelle 42, klären Kapitaldelikte nach Aktenzeichen auf. Sie gehen nur noch selten zum Tatort, führen keine Ermittlungen, kennen weder Opfer noch Verdächtige (es sei denn, sie lesen Zeitung und kombinieren...), dafür besitzen sie das Wissen um den heiligen Gral moderner Aufklärungsarbeit: den genetischen Fingerabdruck.

Der sieht etwa so aus: 16/17 - 24 - 3,2/6 - 9/9,3 - 11 - 17. Diese Zahlen beschreiben, wie häufig sich bestimmte Abfolgen von Molekülen auf einem DNA-Abschnitt wiederholen und fallen bei jedem Menschen anders aus. Quasi jede menschliche Zelle kann diesen genetischen Fingerabdruck liefern. Mit den sechs oben genannten Zahlen wurde ein Sexualmörder überführt.

In den Asservatenkammern der Dienststelle 42 stapeln sich Pakete und Päckchen mit Kissen, Schuhen, Koffern, Lappen, Flaschen, Rollostangen, Unterhosen, Haarbürsten, Zigarettenkippen und hunderten von Röhrchen mit Abstrichmaterial. Mit freundlichen Grüßen von der Staatsanwaltschaft und der Bitte um eilige oder baldmöglichste Bearbeitung. "Wir haben reichlich zu tun", sagt Bläß. Im vergangenen Jahr wurden etwa 4000 DNA-Analysen gemacht - eine Massenabfertigung.

Das heißt aber nicht, dass 4000 Fälle bearbeitet wurden. Beim "Schrecken von Rahnsdorf", dem Bauarbeiter Dieter H., der 1999 eine 34-jährige Frau wochenlang in seinem Keller quälte und vergewaltigte, mussten etliche Masken, Ketten und Dildos sowie markante Punkte in den Folterkammern auf Spuren von Speichel und Vaginalzellen untersucht werden. "Das hat uns für Monate lahm gelegt." Dabei ging es nicht darum, den Täter zu überführen - der hatte längst gestanden -, sondern etwaige weitere Opfer zu finden. Das Ergebnis war - zum Glück - negativ.

Eine DNA-Analyse beginnt mit dem säubern und isolieren des Erbmaterials. Gibt es einen Sperma- oder Blutfleck, wird er aus dem Kleidungsstück herausgeschnitten und mit Phenolchloroform behandelt, das Verschmutzungen herauslöst und das Material zerlegt. Nach weiteren Isolierungsschritten folgt die entscheidende Reaktion: Das DNA-Material wird mit einem speziellen Enzym millionenfach vermehrt. Nur so ergibt sich genug Substanz, um in einem sogenannten Sequenzer per Laser die Längen bestimmter DNA-Abschnitte bestimmen zu können.

Der genetische Fingerabdruck wird immer an den Stellen genommen, die zwischen den Genen liegen und keine Erbinformationen enthalten. Dieser "Datenmüll" macht 95 Prozent der Erbsubstanz aus und weist Strukturen auf, die sich oft wiederholen. Die DNA-Analyse wird mit 200 Mark berechnet und hat in der Justiz inzwischen einen hohen Stellenwert. Sie wird nicht mehr ausschließlich bei Mordfällen und Sexualdelikten angewendet, sondern immer häufiger auch bei Einbrüchen. Zwar bringt das noch mehr Arbeit, aber dafür muss Bläß als Sachverständiger vor Gericht immer seltener erklären, was ein genetischer Fingerabdruck überhaupt ist.

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