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Berlin: Doch, sie bewegt sich

Vier Berliner Lehramtsstudentinnen bewiesen, was Galileo Galilei schon behauptet hatte: die Drehung der Erde Im Vakuum-Turm ließen sie Kugeln nach unten fallen – in Potsdam stellten sie jetzt ihr Experiment vor

Potsdam. Sie hatten sich das ganz einfach und lustig vorgestellt: auf einen Turm steigen und eine Kugel aus der Hand fallen lassen, dann nachmessen. Die vier Lehramtsstudentinnen von der Freien Universität Berlin (FU) wollten so wie vor gut 400 Jahren Galileo Galilei den Beweis erbringen, dass sich die Erde wirklich dreht. Zwei Jahre und viele Rückschläge später hatten sie laut ihrem Dozenten eine kleine wissenschaftliche Sensation vollbracht: den ersten wissenschaftlich seriösen Beweis mit dieser Methode. Die Ergebnisse stellten die vier gestern auf einer Didaktik-Tagung an der Uni Potsdam vor.

Die Idee kam von Jörg Ramseger, Professor der Erziehungswissenschaft an der FU. Er fand, dass die zukünftigen Sachkundelehrerinnen einmal selber ein Experiment von Anfang bis Ende durchführen sollten. So sollen Ramsegers Studenten lernen, dass es interessanter ist, sich etwas selber zu erarbeiten, als es nur von Lehrern oder Dozenten zu hören. Julia Bähr, Marilen Logé, Kathrin Mechelk und Alexandra Operhalsky entschieden sich für die Drehung der Erde.

Galileo wollte beweisen, dass die Erde sich um ihre Achse dreht. Der Legende nach stieg er 1589 auf den Schiefen Turm von Pisa. Wenn man eine Kugel fallen lässt, so seine Überlegung, müsste der Landepunkt nicht senkrecht unter der Abwurfstelle liegen, sondern ein Stück westlich, da die Erde sich in der Zwischenzeit ein Stückchen weiter Richtung Osten gedreht hat. Als die ersten Versuche nicht das erwartete Ergebnis brachten, sahen Galileis Gegner darin schon den Beweis für die Nicht-Bewegung der Erde. Er führte dagegen die Trägheit der Masse an: Die Kugel würde auch im Fallen die Bewegung der Erde mitmachen. Was er nicht bedachte: Die Turmspitze dreht sich schneller als die Erdoberfläche – weil sie weiter vom Erdmittelpunkt entfernt ist. Und diese Vorwärtsbewegung bleibt wegen der Trägheit auch im Fallen erhalten, so die Überlegung der vier Studentinnen. Die Kugel würde dem Turm bei der Drehung also sogar vorauseilen und östlich vom zu erwartenden Punkt – in Drehrichtung „weiter vorne“ – auftreffen.

Auf der Suche nach einem geeigneten hohen Gebäude hatten die Studentinnen zuerst die Cargolifter-Halle in Brand im Auge, unter deren Dach eine Plattform in über hundert Meter Höhe hängt. Beim Ortstermin merkte das Team aber, dass der Wind in der Halle zu stark ist. Das hätte die Ergebnisse verfälscht. Auch große Kirchen wurden in Betracht gezogen. Dann erfuhren die Studentinnen vom Fallturm der Uni Bremen.

Im Innern des 145-Meter-Turms kann ein Vakuum erzeugt werden: ideale Bedingungen für eine unverfälschte Fallbahn. Doch damit begannen auch die Kosten auszuufern. „Ein paarmal waren wir kurz davor aufzugeben“, erzählt Kathrin Mechelk. Doch man fand Geldgeber; Stiftungen waren von der Idee so angetan, dass eine fünfstellige Summe zusammenkam.

Mehrere Tausend Euro kostete allein die Haltevorrichtung, von der die kleinen Metallkugeln nach unten fielen. Die stammten übrigens aus Kugellagern von U-Bahntüren. „Zuerst wollten wir sie mit Wachs befestigen, das dann durch Erhitzung zum Schmelzen gebracht wird“, erinnert sich Marilen Logé. Dann entschied man sich aber für eine Kombination aus Magneten und einer Platte, die nach unten wegklappt. Alles musste ferngesteuert funktionieren, da im Vakuum des Turms niemand anwesend sein konnte.

Projektvater Ramseger äußerte am Ende des Potsdamer Vortrages Zweifel an den Ergebnissen der „altvorderen Physiker“. Denn eindeutige Erkenntnisse seien mit den Methoden des 19. Jahrhundert noch nicht möglich gewesen. Wenngleich auch an dem jetzigen Experiment nicht alles Hightech war: Das Gelenk der Haltevorrichtung kauften die Studentinnen in einem Baumarkt. Um Geld zu sparen, wurde die Gefängniswerkstatt Tegel mit dem Zusammenbau beauftragt.

210 Kugeln stürzten schließlich in Bremen in die Tiefe. Und alle landeten ein paar Zentimeter in Richtung Osten.

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