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Berlin: Dominik Schloemp (Geb. 1962)

Das viele Geld rann ihm durch die Finger

Salesman rettet den Umsatz. Salesman, blond, kantiges Gesicht, Raubtierlächeln, setzt die Kettensäge an den Tarifdschungel, ein Teufelskerl, unbestechlich, unbeirrbar. Die Kundschaft ist begeistert. „Unsere Marketingleute werden Sie lieben.“

Salesman ist das aktuelle Comicmaskottchen der Werbeagentur, für die Dominik arbeitete. Die Figur hat viel Ähnlichkeit mit Dominik, ihrem Schöpfer. Ein Gewinnertyp, gut aussehend, geistreich, gentlemanlike. Einer, dem die Herzen zufliegen. Klingt jetzt blöd, stimmt aber.

Dominik war „Creative Director“, einer, der Ideen hat und die Ideen anderer auf Tauglichkeit prüft. In einer früheren Phase seines Berufslebens hatte er die Idee für die BSR-Kampagne, die den orangen Straßenschrubber zum „Saturday Night Feger“ aufpolierte.

Dominik kam aus Kassel. In der Schule war er der Klassenclown, verstand sich gut mit älteren Mitschülern und hatte mit 16 das Gefühl, der wachsenden Langeweile entkommen zu müssen. Also bewarb er sich auf der Kunsthochschule und wurde abgelehnt. Nach einer Schreinerlehre nahmen sie ihn doch.

Dominik wollte Comics zeichnen, er fühlte sich als Künstler, aber die Werbebranche bot richtige Jobs und zahlte richtiges Geld. Außerdem fühlte es sich für ihn besser an, auf Partys „Ich mache Werbung“ zu sagen als „Ich zeichne Comics“. Beides ließ sich gelegentlich verbinden. 2002 machte er das Comic-Plakat zum Theaterstück Caveman: einen debil grinsenden Speer- und Aktentaschenträger als Prototyp des von archaischen Zwängen getriebenen Mannes. Das Stück wurde ein großer Erfolg, und Dominik erreichte bald den Gipfel seiner Karriere.

Das Leben sollte sich gut anfühlen, und dabei kann auch ein Mercedes Cabrio helfen, Klamotten von „Boss Orange“ und eine großzügige Wohnung mit entsprechendem Inventar. Frauen sollten darin natürlich auch vorkommen. Dominik hatte das Talent und das Aussehen für erfolgreiche Beziehungsanbahnungen. Ein Foto zeigt ihn, tanzend auf einem Tisch, umringt von jungen Frauen. Einer, der zu leben versteht, den Moment auskostet und andere mit seiner Energie ansteckt.

Aber ein Macho war er nie, eher ein Frauenversteher und sehr anhänglich, fast bis zur Selbstaufgabe. Das viele Geld des erfolgreichen Salesman rann ihm durch die Finger. Für Geschenke. Für Markenanzüge. Für teure Hotels und Champagner am Pool. „Die fetten Jahre“, sagt ein Freund lächelnd.

Dominik achtete auf Niveau. Er trank nicht einfach Wasser, sondern „mein Wasser“, er aß „meine Schokolade“, alles gute Marken. Bestellte er einen Capuccino in seinem Stammcafé, sagt er „Capussino“. Hörte er einen Satz, der seine ungeteilte Zustimmung fand, lobte er den Satzgeber mit einem nonchalanten „Absolut!“

Acht Jahre lang war er verheiratet. Doch die Beziehung zu Barbara, seiner polnischen Putzfrau, währte noch viel länger. „Wir waren wie ein altes Ehepaar“, mit festen Gepflogenheiten und Neckereien, erzählt sie. An Geburtstagen gab es immer Geschenke, in Richtung Barbara auch wertvolle.

Auf die fetten Jahre folgten die mageren, aber Dominik ließ sich nichts anmerken. Er überwarf sich mit seinem Geschäftspartner, die Finanzen kamen ins Schlingern, seine Beziehung endete im Streit. Über Geld konnte sich Dominik nicht streiten, er hatte sich angewöhnt, den Zahlen auf seinem Konto keine Beachtung zu schenken. Mahnbriefe öffnete er nicht, Hinweise ignorierte er. Er müsse Insolvenz anmelden, riet ein Freund. Dominik sträubte sich. Bis er es dann doch tat.

Blöd gelaufen, aber Dominik kommt schon wieder auf die Beine, dachten seine Freunde. Ein Sonnenschein wie er packt das auf jeden Fall. Und die Kreativität hielt ihm ja auch die Treue. Wieder Arbeit zu finden, fiel ihm nicht schwer.

Dass ein Damoklesschwert über Dominik schwebte, wusste ja niemand. Als seine Mutter an der Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose starb, gab es den Hinweis auf einen Gendefekt als Ursache. ALS verläuft fast immer tödlich, daran ist auch der Maler Jörg Immendorf gestorben.

Dominiks Schwester erkrankte, dann sein Bruder und schließlich er selbst. Ein weiterer Bruder hat den Gendefekt nicht.

Dominik brauchte lange, bis er von seiner Krankheit erzählte. Er wollte nicht in die Opferrolle wechseln, seinen Humor und die von vielen bewunderte Unbeschwertheit verlieren. Bald war er erleichtert, dass seine Freunde auch als Mitwisser nicht aufhörten, mit ihm zu lachen und ganz und gar ungehörige Behinderten-Witze zu machen, die ahnungslose Passanten aufschreckten.

Als sein kranker Bruder starb, fuhr er mit letzter Kraft zur Beerdigung nach München. In der Nacht darauf folgte er ihm in den Tod. Thomas Loy

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