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Barbara König und Ulf Heitmann vom Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft „Bremer Höhe“.

© Thilo Rückeis

Domstift Brandenburg: Wohnungsbaugenossenschaft erhält Freiheitspreis

Zum zweiten Mal wird der Brandenburger Freiheitspreis verliehen. Dieses Jahr geht er an die "Bremer Höhe" - für das Leben in Sicherheit.

Wie kann ein Mensch Freiheit finden, der keinen Ort hat, an dem er bleiben kann, kein Zuhause, keine Heimat? Wie kann ein Mensch sich frei entfalten, wenn er keine Wurzeln hat? Wie frei kann ein Mensch sein, der ständig von der Sorge getrieben wird, seine Wohnung zu verlieren, weil er sie nicht mehr bezahlen kann?

Auf Anhieb klingt es etwas trocken und nüchtern, wenn der Kurator des Domstifts Brandenburg, Cord-Georg Hasselmann, sagt, dass der Brandenburger Freiheitspreis 2018 an die Wohnungsbaugenossenschaft „Bremer Höhe“ aus Prenzlauer Berg geht. Das ist ihm durchaus klar. Die Idee, aus der dieser Preis geboren wurde, ist aber alles andere als trocken.

Preis wird zum zweiten Mal verliehen

Zum zweiten Mal wird am Donnerstag der Preis verliehen, der aus Anlass des 850-jährigen Bestehens des Brandenburger Doms 2015 ins Leben gerufen wurde. Die Idee war, von diesem besonderen Ort aus etwas Bleibendes zu schaffen, etwas, das weit in die Zukunft reicht. Um die Dimension zu verstehen, muss man sich mit der Tradition des Doms befassen, in dessen Archiv die erste urkundliche Erwähnung Berlins, vielmehr jenes Teils der Doppelstadt, der damals „Cölln“ hieß, liegt. Von hier aus wurde das Christentum nach Berlin getragen. Die Strahlkraft des Doms manifestiert sich noch heute in vielen Facetten, der berühmten Wagner-Orgel, die Kirchenmusiker aus der ganzen Welt anzieht, dem Museum mit einer einzigartigen Sammlung liturgischer Gewänder aus der Zeit vor der Reformation, in den Schulen, dem Ausbildungszentrum für Kirchenmusik.

Diese Strahlkraft wollten die Domherren mit dem Dechanten und Juryvorsitzenden Wolfgang Huber an der Spitze in den Dienst eines Wertes stellen, der zum einen urchristlich ist, zum anderen gerade nach der Überwindung der Teilung des Landes in dieser Region eine besondere weltliche Bedeutung hat. „Der Dom war immer auch eine Schnittstelle zwischen Religion und Politik“, sagt Hasselmann.

Preisträger 2016 war das Menschenrechtszentrum Cottbus

Man wollte für diesen Preis, der alle zwei Jahre verliehen wird, nicht die üblichen Empfänger, auf die es immer herabregnet, wenn Ehrungen zu verteilen sind, die sicheren Anwärter mit den klingenden Namen. Schon der erste Preisträger 2016 ließ aufhorchen. Damals bekam das Menschenrechtszentrum Cottbus die Auszeichnung, ein einzigartiges Projekt, gegründet von ehemaligen politischen Häftlingen, die das frühere Zuchthaus in ein weit ausstrahlendes Zentrum für menschliche Grundrechte verwandelt haben.

Diesmal hatte man als Thema die wirtschaftliche Freiheit gewählt, das Motiv „Eigentum verpflichtet“. Man wollte bei der Entscheidungsfindung auch der Frage nachgehen, wie wirtschaftlich Handelnde verantwortlich mit Freiheit umgehen. Lange habe die Jury überlegt, zu der auch Jutta Allmendinger, die Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung, und BVG-Chefin Sigrid Nikutta gehören, habe Projekte erwogen und wieder verworfen, sich mit den unterschiedlichsten Vorschlägen auseinandergesetzt, bis man sich einig war. Wohnen, das bedeutet auch Leben in Sicherheit, ein grundlegendes Recht, das gerade in Berlin durch Spekulanten immer wieder aufs Spiel gesetzt wird.

Preis mit 25 000 Euro dotiert

Zur Preisverleihung am Donnerstag, 11. Oktober im Brandenburger Dom, dem Tag der Grundsteinlegung, werden neben Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und dem Laudator und Jurymitglied Jakob Hein auch die Förderer erwartet, die den mit 25 000 Euro dotierten Preis finanzieren. Vertreten sind sie durch Stephan von Schuckmann vom Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen und Jürgen Fitschen von der Deutschen Bank. Schirmherr ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der von Anfang an dabei war. Die Vorstände Barbara König und der Spiritus Rector der „Bremer Höhe“, Ulf Heitmann, werden den Preis entgegennehmen. Rund 700 teils seit Langem schon sehr engagierte Leute gehören der Genossenschaft an. Ihr Leitsatz: Wir müssen wirtschaftlich handeln, nicht gewinnorientiert. Am Anfang stand eine Notgemeinschaft, als 1999 die Wohnanlage „Bremer Höhe“ zwischen Pappelallee und Schönhauser Allee an Investoren verkauft werden sollte. Die Bewohner schlossen sich zusammen, bekamen Geld von der Bank, konnten so ein Vorkaufsrecht nutzen. Wer sich einkauft, hat Wohnrecht.

Die Wiederbelebung des Dorfs Hobrechtsfelde

Das jüngste Projekt ist die Wiederbelebung des einst verlassenen brandenburgischen Dorfs Hobrechtsfelde. Nachdem 25 Häuser dort saniert wurden, kehren die Menschen zurück. Bis Berlin ist es auch nicht weit. Der alte Dorfkrug soll als Gemeinschaftszentrum wiederbelebt werden. Denn zur Freiheit gehört ja auch die Verwurzelung in einer Gemeinschaft. Dass der Preis für die „Bremer Höhe“ zusammenfällt mit dem 200. Geburtstag des Erfinders der Genossenschaftsidee, Friedrich-Wilhelm Raiffeisen, ist ein schöner Zufall.

Freiheit, auch das war ein Grundgedanke der Stifter dieses Preises, fällt nicht einfach so vom Himmel. Sie ist nicht immer da wie selbstverständlich. Sie ist ein zentraler Wert, für den jeder einstehen muss, den alle sich immer wieder erarbeiten müssen. Wer seine Wohnung verliert und damit die Möglichkeit, sein Leben aus einem festen, gesicherten Umfeld heraus zu gestalten, mag auf schmerzhafte Weise erfahren, wie wertvoll Freiheit ist. Viele andere gehen oft verantwortungslos damit um, in dem sie nicht wählen gehen oder Populisten nachhängen. So wird der Preis auch zu einem Zeichen, zu einer Mahnung, nicht aus den Augen zu verlieren, was wirklich zählt.

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