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Schaumbad in Mitte. Der Tilla-Durieux-Park, aufgenommen in der Nacht zu Mittwoch.

© Kai-Uwe Heinrich

Drehort Berlin: Volles Rohr Winter

Im Tilla-Durieux-Park scheint es geschneit zu haben, ebenso in Neukölln: alles weiß. Das Wetter war es nicht. Vielmehr wurde für Dreharbeiten Winterpracht vorgegaukelt - wie schon so oft

Knöcheltief stehen die Männer im Schnee, und das drei Wochen vor Weihnachten. Wer in der Nacht zu Mittwoch am Potsdamer Platz unterwegs war, freute sich allerdings zu früh: Bei dem nächtlichen Wintereinbruch im Tilla-Durieux-Park handelte es sich doch nur um Kunstschnee: Der Autohersteller Toyota drehte hier einen Werbespot. Für eine einzige Nacht wurde die Wiese des Parks mit weißem Schaum bedeckt, und schon einen Tag später war der Schnee wieder spurlos beseitigt, der überraschende Winterzauber verschwunden.

Fernsehzuschauer wollen zur Wintersaison Schnee sehen, doch wenn von dem wie derzeit nichts zu sehen ist, bedeutet das für Filmemacher kein Problem. So wunderten sich vor zwei Wochen die Anwohner der Neuköllner Richardstraße über einen ähnlich plötzlichen Schneeeinbruch. Dort drehte das Möbelhaus Ikea seinen neuen „Knut-Werbespot“, wie eine Sprecherin des Unternehmens sagte. Für den Spot, bei dem jedes Jahr wieder die Weihnachtsbäume aus dem Fenster geworfen werden, um Platz für Möbel zu schaffen, müsse es schließlich winterlich aussehen. Welche Gebühren die Firmen für die Sperrung des Parks oder der Straße zahlen, war nicht zu erfahren.

Es ist nicht alles Schnee, was rieselt. Gerade in Berlin hat man damit Erfahrung, muss es auch angesichts der unsicheren Wetterlage. Anderenfalls wären einige hier gedrehte Großproduktionen der jüngeren Vergangenheit wohl schneller dahingeschmolzen als die ersten echten Flocken dieser Saison, wären wer weiß wo gedreht worden, aber nicht in dieser Stadt.

Berlin und Kunstschnee – das ist ein weites Feld, und mitunter lässt sich die weiß bestäubte Fläche sogar ziemlich genau bemessen. Rund 30 000 Quadratmeter wurden beispielsweise Anfang Februar 2007 für winterliche Moskau-Szenen in „Das Bourne Ultimatum“ mit Matt Damon auf Weiß umgefärbt, so am Platz der Vereinten Nationen und an der Lichtenberger Brücke, an der es noch am Tag nach den Dreharbeiten im Verkehrsfunk warnend gemeldete Staus gab. „Vielleicht sind die Autofahrer über unseren Kunstschnee an der Brücke irritiert“, vermutete damals Marcus Bensch, Location Scout bei Studio Babelsberg, damals gewissermaßen der Pfadfinder des Hollywood-Teams. Unten, direkt am Bahnhof Lichtenberg, war Matt Damon über die weiß bedeckten Schienen gehechtet.

Schneefall in Lichtenberg. So sah es 2007 beim "Bourne"-Dreh aus.
Schneefall in Lichtenberg. So sah es 2007 beim "Bourne"-Dreh aus.

© Manfred Thomas

Mit Schnee hat man in Babelsberg seit langem Erfahrung, und regelmäßiger Lieferant, auch beim „Bourne Ultimatum“, ist dafür die 1999 gegründete Firma Snow Business aus Ladbergen in Nordrhein-Westfalen – eine Art Frau Holle der Filmszene, doch auch für die Werbebranche, für Fotografen und Eventfirmen aktiv. „Papierene Zellulose“, so beschreibt Geschäftsführer Lucien Stephenson seinen wichtigsten, hinterher entsorgten und kompostierten Stoff für solche filmischen Aufträge. Und er kann eine ganze Reihe von Berliner Auftritten aufzählen. „Flightplan“ von 2005 etwa, mit Jodie Foster als Flugzeugingenieurin, der auf dem Flug nach New York die Tochter verloren geht. Die Anfangsszenen spielen im Abflugort Berlin, zeigen Pariser Straße, Fasanenstraße und Chamissoplatz, im Film zu einem Ort komprimiert, tief verschneit, während sich sonst stadtweit keine Flocke blicken ließ.

2001 hatten die westfälischen Schneekünstler den Rüdesheimer Platz für „Epsteins Nacht“ mit Mario Adorf und Bruno Ganz präpariert, kurz zuvor ein Birkenwäldchen bei Krampnitz für den Stalingrad-Film „Duell – Enemy at the Gates“, in dem eine Kindheitsszene aus dem Leben des von Jude Law gespielten sowjetischen Scharfschützen gedreht wurde: eine Wolfsjagd in Weiß. Auch für „Operation Walküre“ mit Tom Cruise griff Babelsberg 2008 auf Snow Business zurück, allerdings wurde der Kunstschnee diesmal schwarz und grau eingefärbt. Simuliert wurde nicht weiße Winteridylle, vielmehr eine sommerliche Waldlichtung nach einem Bombenangriff.

Viele Kunstschnee-Fotos gibt es unter www.snowbusiness.de

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