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Berlin: Drehspieße gegen den miesen Ruf Die „Lange Nacht des Döners“ sollte Berliner in den berüchtigten Soldiner Kiez locken – aber nur wenige kamen

Sven Drossel vom „Bullettenparadies“ am U-Bahnhof Osloer Straße fürchtet sich nicht vor der Konkurrenz. „Hier gibt es Leute“, erzählt der Mitvierziger, „die sagen: ,Gott sei Dank seid Ihr noch da!

Sven Drossel vom „Bullettenparadies“ am U-Bahnhof Osloer Straße fürchtet sich nicht vor der Konkurrenz. „Hier gibt es Leute“, erzählt der Mitvierziger, „die sagen: ,Gott sei Dank seid Ihr noch da!‘“Dann hantiert er so großzügig mit seiner roten Plastikflasche, dass die Wiener beinahe im Ketchup ersäuft – und weist zur Soldiner Straße. „Dort hinten, da sind jede Menge Döner-Kebap-Buden.“

An deren Türen warb gestern ein großes, gelbes Plakat für die „Lange Nacht des Döners“ – eine Aktion des Quartiersmanagements Soldiner Straße mit einem Programm, dessen Vielfalt ein für allemal deutlich machen sollte, dass sich ein Döner nicht nur gut verschlingen lässt, sondern auch kulturell ein Genuss sein kann und sich sogar zur Imagepflege eignet. Schließlich ist der Soldiner Kiez nach etlichen Gewaltexzessen einer der berüchtigsten der Stadt. Angelockte Dönerfreunde aus Berlin sollten die Gegend deshalb Freitagnacht angenehm erleben. Aber nur wenige kamen.

Zum Beispiel Bernd Hoffmann (52) aus Weißensee. „Kalifs Dönerladen“ hat er sich zwar geschenkt, das war ein Puppentheater für die jüngsten Drehspieß-Fans – aber danach hakte er das Programm gründlich ab: Führung durch die Kap.Lan-Dönerfabrik, Diskussion über die „Avantgardefunktion des Döners“ und natürlich die große Döner-Rallye zu Imbissen im Kiez, deren türkische Namen es zu übersetzen galt. Im Kilic-Grill fand Hoffmann die Lösung schnell heraus: „Kilic heißt Schwert.“

Zwei Chicken-Döner hintereinander lassen ihn Kälte und Dunkelheit ertragen. Der Kiez macht ihm ohnehin keine Angst. „Egal“, sagen auch drei Oberschüler in einer Knoblauchwolke. „Wir wollen einfach nur Spaß haben“ – bis zur nächtlichen Döner-Disco. Dann ziehen sie weiter über die Panke zum nächsten Imbiss, während ihnen ein Gast am Tresen skeptisch nachschaut.

Wachmann Thorsten Eberle (35) wohnt wegen der günstigen Miete im Kiez. Und er weiß, dass viele hier am Rande des Existenzminimums leben und hält die Lange Nacht für einen Flop. „Wir brauchen keine Publicity, sondern mehr Hilfen.“ Aber die Dönermacher im Sakir-Baba-Grill nebenan genießen es dennoch, mal unter den Augen der Presse am Spieß zu säbeln. „Mit viel Liebe“, sagt Yalcin Anbarli. „Sonst schmeckt’s nicht.“

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