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Das Baden im Biesdorfer Baggersee kann schnell gefährlich werden.

© Christin Klose/dpa-tmn

DRK hilft am Biesdorfer Baggersee aus: Wie die Lebensretter trotz Badeverbot zu Einsätzen ausrücken

Der Biesdorfer Baggersee ist schmutzig und gefährlich. Baden ist verboten. Trotzdem tummeln sich hier im Corona-Sommer die Massen. Die Politik hat keine Lösung.

Am Biesdorfer Baggersee finden Badende alles, was sie brauchen. Der See bietet einen schönen Sandstrand, eine große Liegewiese, ein Beachvolleyball-Feld und einen Imbiss für Pommes und Eis am Stiel. Sogar eine öffentliche Toilette wurde dort installiert.

Es gibt nur ein Problem: Baden ist hier gar nicht erlaubt. Denn der See dient als Regenrückhaltebecken. Bei starkem Regen fließen ungeklärte Straßenabwässer hinein. Doch bei der Hitze hält das die Leute nicht ab.

An den vergangenen Wochenenden waren fast immer mehrere hundert Menschen dort. Vor zwei Wochen besuchte der RBB den See und filmte vergnügte Badegäste am Strand – von Abständen, Masken oder sonstigen Vorsichtsmaßnahmen wegen der Corona-Pandemie war nichts zu sehen.

Die Situation eskaliert auch wegen Corona

Das Baden wird an dem See bereits seit Jahrzehnten geduldet – auch, weil der Bezirk Marzahn-Hellersdorf mit 270.000 Einwohnern kein eigenes Freibad hat. „Aber diesen Sommer ist die Situation eskaliert“, meint der Biesdorfer CDU-Abgeordnete Christian Gräff. Weil die Freibäder wegen der Corona-Pandemie nur 10 Prozent der üblichen Gäste hineinlassen, suchten die Menschen nach Alternativen. „Mit der U5  kommen immer mehr Leute aus der Innenstadt an den See“, sagt er.

Aus dem U-Bahnhof Biesdorf-Süd müssten die Menschen quasi nur herausstolpern und stünden direkt am Strand. Der CDU-Politiker ärgert sich deshalb über die Berliner Bäderbetriebe: „Was nützt es, wenn in den Freibädern die Abstände vorbildlich eingehalten werden, wenn dafür an den Seen ein unkontrolliertes Chaos entsteht?“

Im September könnte sich die Situation bei schönem Wetter nun noch einmal verschärfen. Denn am 31. August endet offiziell die Freibad-Saison. Nur sieben Bäder bleiben noch bis Ende September geöffnet.

Die Anwohner der nahegelegenen Einfamilienhaus-Siedlung sind allerdings bereits jetzt schwer genervt. Sie stört vor allem, dass an dem See nachts Partys gefeiert werden. An Schlafen bei offenem Fenster sei am Wochenende nicht mehr zu denken, sagte ein Bewohner dem RBB.

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Christian Gräff sieht in dem See inzwischen sogar ein Sicherheitsrisiko. Mitarbeiter des Ordnungsamtes trauten sich nur in Polizeibegleitung auf die Ruhestörung hinzuweisen, sagt er. Badegäste würden beklaut und nachts würden an den Ufern Drogen verkauft.

Für Nichtschwimmer ist der See gefährlich

Für Badende ist der Baggersee auch ganz unmittelbar gefährlich. Die ehemalige Kiesgrube wurde im 19.Jahrhundert tief ausgebuddelt, an manchen vermeintlichen Badebuchten ist das Wasser bereits nach wenigen Schritten mehrere Meter tief. Eine böse Falle für Nichtschwimmer.

Vor drei Wochen ist an dem See ein junger Mann ertrunken. Wie die Polizei dem Tagesspiegel bestätigte, handelte es sich bei dem Toten um einen 19-jährigen Rumänen. Er war mit einem weiteren Mann am Samstagabend ins Wasser gegangen. Dem Vernehmen nach war dabei Alkohol im Spiel – und der Verstorbene Nichtschwimmer.

Die Feuerwehr rückte gegen 21 Uhr mit Tauchern an, um nach ihm im tiefen Wasser zu suchen. Zwar fanden die Rettungskräfte ihn schnell, doch ihr Einsatz blieb erfolglos: Auch Wiederbelebungsversuche eines Notarztes konnten dem Mann nicht mehr helfen.

Nun müssen Ehrenamtliche aushelfen

Grüne und Linke forderten nach dem tödlichen Unfall deshalb eine Badeaufsicht für den See, in dem nicht geschwommen werden darf. Und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) erklärte sich kurz darauf tatsächlich bereit, dort an den Wochenenden eine mobile Rettungsstation einzurichten.

Fortan werden dort an den Wochenenden immer mindestens sechs Ehrenamtliche mit zwei Rettungswagen vor Ort sein, erklärte Rainer Oetting vom Deutschen Roten Kreuz Berlin-Nordost. Eine Fahrradstaffel werde zudem den See immer wieder umrunden. Da es in diesem Sommer wegen Corona weniger Veranstaltungen gebe, habe man freie Kapazitäten. „Deshalb haben wir uns spontan entschieden zu helfen.“

Im Bezirksamt war die Freude groß. „Der Bezirk hat mit großem Dank angenommen und schnell eine Genehmigung erteilt“, erklärte Immobilienstadträtin Juliane Witt (Linke) bei Facebook. Der erste Einsatz am vergangenen Wochenende habe gezeigt, dass der Bedarf für eine Rettungsstelle groß sei, sagte Oetting.

Es seien in Spitzenzeiten fast 300 Badende da gewesen und „es gab zahlreiche Kreislaufzusammenbrüche, Schnittverletzungen und Insektenstiche.“ Insbesondere als ein Schwimmer einen Kreislaufkollaps im Wasser erlitt, sei es gut gewesen, dass auch zwei Rettungsschwimmer vor Ort waren. „Unser Einsatz hat zudem die Lage merklich entspannt“, sagte Oetting.

Die mobile Rettungsstation des Deutschen Roten Kreuz am Biesdorfer Baggersee.
Die mobile Rettungsstation des Deutschen Roten Kreuz am Biesdorfer Baggersee.

© Rainer Oetting/DRK

Von den Besuchern habe man viel Zuspruch erhalten. Als Zeichen der Dankbarkeit spendeten die Grünen den Freiwilligen kaltes Sprudelwasser. „Diese Anerkennung tut gut“, sagte Oetting.

Zurückhaltend reagierte dagegen der CDU-Kreisvorsitzende Mario Czaja. „Als Berliner DRK-Präsident aber auch örtlicher Abgeordneter bin ich für diese Hilfsbereitschaft dankbar. Ich habe aber bei dem Einsatz meiner Kameraden auch gemischte Gefühle“, schrieb er in seinem Newsletter.

Man müsse sich fragen, „ob diese Form der Unterstützung nicht dazu führen kann, dass die Anzahl der Badenden sogar noch steigt und die Gefahren noch zunehmen.“ Der Einsatz diene dem Schutz der Menschen, könne aber staatliches Handeln nicht ersetzen.

Wird es nächsten Sommer besser?

Mit Blick auf den nächsten Sommer suchen die Bezirkspolitiker nun nach einer nachhaltigen Lösung für den See. Einfach wird das nicht. Denn die Marzahn-Hellersdorfer baden dort bereits seit Jahrzehnten, die Wasserqualität wird jedoch auch in Zukunft nicht gut genug sein, um eine offizielle Badestelle einzurichten. Zudem ist das Baden auch in den nahegelegenen Kaulsdorfer Seen verboten. Sie liegen in einem Wasserschutzgebiet.

Die CDU fordert deshalb am Biesdorfer See einen Wachdienst und einen Zaun, der abends zugesperrt werden soll. Bei den anderen Parteien stieß das in der Bezirksverordnetenversammlung jedoch auf Skepsis.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Bjoern Tielebein, hat stattdessen ein Badeschiff im Biesdorfer Baggersee vorgeschlagen. Und Grünen-Sprecher Pascal Grothe hofft, dass die Menschen aus Marzahn-Hellersdorf künftig im Umland baden. Grothe will dafür Fahrradwege zu den Badeseen in Brandenburg ausschildern lassen.

Wesentlich entspannen könnte die Situation aber wohl vor allem ein eigenes Freibad für Marzahn-Hellersdorf. Ein Machbarkeitsgutachten des Bezirks hat drei mögliche Standorte identifiziert.

Am kommenden Montag kommen nun gleich drei Ausschüsse der Bezirksverordnetenversammlung zusammen, um die Standortfrage zu beraten. Doch bis die Marzahn-Hellersdorfer wirklich im eigenen Freibad Erfrischung suchen können, werden definitiv noch mehrere Sommer vergehen.

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