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Berlin: Drogen-Polizisten: Anderthalb Stunden für die Anklage

Von Kerstin Gehrke Der Staatsanwalt kam ins Schwitzen. Für die Verlesung der Anklage brauchte er knapp eineinhalb Stunden.

Von Kerstin Gehrke

Der Staatsanwalt kam ins Schwitzen. Für die Verlesung der Anklage brauchte er knapp eineinhalb Stunden. Es sind fast 1000 Straftaten, um die es seit gestern im Prozess um Drogenhandel, Doping und Korruption innerhalb der Berliner Schutzpolizei geht. Zumindest für einen der Angeklagten gehörten kriminelle Machenschaften offenbar zum Alltag wie das Tragen der Uniform: Der 34-jährige Polizeimeister Karsten M., der in der Szene nur „Bullen-Kalle" genannt wurde, muss sich allein für 558 Taten verantworten.

Neben „Bullen-Kalle“ sitzen zwei weitere Polizisten auf der Anklagebank. Der 35-jährige Polizeiobermeister Uwe R. muss sich wie Karsten M. wegen Handels mit Drogen und verschreibungspflichtigen Arzneien, Bestechlichkeit, Verrat von Polizeigeheimnissen und Unterschlagung verantworten. Sie sollen gegen Drogen und Geld sogar Daten aus dem Polizeicomputer herausgegeben und 500 Schuss Munition vermarktet haben.

Polizeioberkommissar Detlef B. soll von dem Anabolika-Handel gewusst haben. Doch statt eine Meldung zu machen, reihte er sich laut Anklage als Anabolika-Abnehmer von „Bullen-Kalle“ ein. Zu diesem Kreis sollen mindestens 42 Personen, darunter 15 Polizisten, gehört haben. Außerdem müssen sich ein Apotheker als Lieferant der Anabolika und zwei mutmaßliche Geschäftspartner der Polizisten vor Gericht verantworten. Im Prozess ist mit Geständnissen zu rechnen. Und mit Vorwürfen gegen die Polizei. Die Anwältin von Karsten M. sagte am Rande des Prozesses: „Er ist derjenige gewesen, der Drahtzieher war." Aber eine Vielzahl von Kollegen und Vorgesetzten habe geschwiegen zu dem, was zwischen Frühjahr 1996 und März 2001 passierte. „Man hat ihn vielleicht nicht bewusst gedeckt, aber man hat auch nicht weiter gekratzt und geforscht", meinte Anwältin Ellen Engel.

Als „Bullen-Kalle" nach seiner Festnahme im März vergangenen Jahres auspackte, fielen zahlreiche n. Zur Verhandlung kam er nun mit polizeilichem Schutz. „Man munkelt, dass er gefährdet ist", sagte die Verteidigerin. Schließlich habe er auch Personen belastet, denen Verbindungen zur Organisierten Kriminalität nachgesagt werden. Karsten M. hatte im Vorfeld des Prozesses einmal gesagt: „Ich war auf beiden Ufern zu Hause, bei den Guten und bei den Bösen, bei der Polizei und bei den Ganoven."

Karsten M. und Uwe R., waren zwei Monate nach ihrer Verhaftung aus der Untersuchungshaft entlassen worden, nachdem sie seitenlange Geständnisse abgegeben hatten. Inzwischen sind sie vom Dienst suspendiert.

Die Fahnder waren „Bullen-Kalle" bei Ermittlungen im Rotlichtmilieu auf die Spur gekommen. Der Kreis der Verdächtigen weitete sich dann schnell aus. Noch immer laufen nach Justizangaben im Zusammenhang mit der Affäre Ermittlungen gegen 102 Personen, darunter 24 Polizisten. Viele von ihnen sollen selbst Anabolika geschluckt haben. Zwar ist die Einnahme nicht strafbar, aber die Beamten wären verpflichtet gewesen, den Erwerb und damit den Verkäufer anzuzeigen. Apotheker Rainer R., der die Polizisten ohne Rezepte mit Muskelpillen versorgt haben soll, hat bereits seine Konsequenzen gezogen: Er verkaufte seine Apotheke in Hohenschönhausen und gab seine Zulassung zurück. Für kommenden Mittwoch haben fünf der sechs Angeklagten Aussagen angekündigt.

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