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Der Berliner Senat will zu viel, das gebe das Budget nicht her, heißt es von Wirtschaftsvertretern.

© Armin Weigel/dpa

Drohender Abschwung in Berlin: Wirtschaft drängt Senat zum Sparen

Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg haben ihren Jahresbericht vorgelegt – und der fällt wenig schmeichelhaft für die Politik aus.

Kommt jetzt der Abschwung? Auf diese Idee kann kommen, wer sich in diesen Tagen mit Vertretern der Wirtschaft unterhält. „Wir gehen auf unruhige Zeiten zu“, warnte Christian Amsinck am Dienstag. Die Grundstimmung unter den Firmen in der Hauptstadtregion sei zwar weiterhin positiv, befand der Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin Brandenburg (UVB). Aber: „Gerade exportorientierte Branchen wie die Industrie spüren, dass das internationale Geschäft schwieriger wird.“

Der Verband hat deshalb seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr nach unten korrigiert. Für Berlin rechnet er nun noch mit einem Plus von etwa 1,5 Prozent – nach 2,5 Prozent im Jahr zuvor. Für Brandenburg liegt die Vorhersage bei maximal einem Prozent (Vorjahr: 1,6 Prozent). Gründe für die prognostizierte Wachstumsdelle sieht der UVB mehrere.

Da wäre etwa die große weite Welt: „Was sich international derzeit abspielt, wird unsere Region nicht unberührt lassen“, sagt Amsinck. Und meint damit die weltweiten Handelskonflikte, die hohe Staatsverschuldung Italiens und natürlich auch die Unsicherheit der Wirtschaft hinsichtlich des drohenden Brexits.

Doch viele Probleme sind auch hausgemacht, glaubt Amsinck. Magenschmerzen bereiten dem Verband vor allem die Haushaltspolitik der Berliner Landesregierung. „Der Senat will alles“, sagt Amsinck und verweist auf die beschlossenen und geplanten Milliarden-Ausgaben im Nahverkehr, den gestiegenen Personalkosten oder dem Rückkauf des Stromnetzes. Das sei zu viel für das Landesbudget, warnt er: „Der Berliner Haushalt eignet sich für derlei Abenteuer nicht.“

Zwar sei das Land beim Schuldenabbau zuletzt vorangekommen – das aber sei vor allem der günstigen Zinsentwicklung zu verdanken, nicht einem eifrigen Schuldendienst der Politik. „Die Stadt muss das Momentum des Aufschwungs viel stärker nutzen, um auch in schlechteren Zeiten genügend Spielraum für Investitionen zu haben“, erklärte er. „Tilgt der Senat weiter im Tempo der vergangenen Jahre, wird es vier Jahrzehnte dauern, um die Schulden auch nur zu halbieren.“

Kritisch beobachtet der Verband zudem die Verkehrspolitik der Landesregierung – nicht zuletzt die Forderung von Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne), die Berliner zum Abschaffen ihrer Autos zu drängen, sorgte für Unmut bei UVB-Chef Amsinck. Die Senatorin zeige mit ihrem Vorstoß, dass sie weit weg von der Lebenswirklichkeit der Menschen in der Hauptstadt sei. „Es geht um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auch für solche Gruppen, die auf das Auto angewiesen sind – mobilitätseingeschränkte Menschen, Ältere oder Familien mit Kindern. Müssten sie auf individuelle Mobilität verzichten, ginge ihnen ein wichtiges Stück Teilhabe verloren“, sagte er.

Guter Dinge ist der Wirtschaftsverband indes was die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angeht. In diesem Jahr seien 68000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze möglich, prognostizierte der UVB in seinem Jahresbericht – 52000 in Berlin und 16000 in Brandenburg. Das ist das Ergebnis einer UVB-Schätzung in Zusammenarbeit mit der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit. In der Hauptstadt werde es die stärksten Zuwächse in der Sozialwirtschaft (plus 6400 Arbeitsplätze) und im Gastgewerbe (plus 6300) geben. Auch der Bereich Bildung und Erziehung mit 5200 neuen Jobs entwickle sich stark. In Brandenburg stehe die Logistik mit 3000 neuen Stellen an der Spitze, gefolgt von der Sozialwirtschaft (plus 1500), dem Bau (1300) und der Gesundheitsbranche (1300 zusätzliche Stellen).

Diese grundsätzlich positive Entwicklung hat allerdings auch Schattenseiten: die Firmen der Region haben zunehmend Probleme damit, geeignetes Personal zu finden. In Berlin fänden Unternehmen im Durchschnitt erst nach 96 Tagen einen Mitarbeiter, in Brandenburg sind es sogar 112 Tage, schreibt der Verband in seinem Jahresbericht. Insbesondere Stellen in der Altenpflege mit 153 Tagen und Stellen im Gesundheitsbereich blieben in Berlin lange unbesetzt. In Brandenburg gibt es mit 237 Tagen die größten Engpässe im Bereich Klempnerei, Sanitär und Heizung.

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