zum Hauptinhalt
Der Streit um ein Flüchtlingsheim in Kittlitz droht zu eskalieren. In dem Heim sollen 130 Flüchtlinge Unterschlupf finden, so wie auf diesem Bild aus Heidelberg.

© Uwe Anspach/dpa

Drohungen wegen Flüchtlingsheim: Ortsvorsteher von Kittlitz gibt sein Amt auf

Bernd Elsner war ehrenamtlicher Ortsvorsteher von Kittlitz, einem Ortsteil der Spreewaldstadt Lübbenau. Jetzt legt er sein Amt nieder. Er und andere Politiker waren wegen des geplanten Baus einer Flüchtlingsunterkunft bedroht worden.

Letztlich war der Druck wohl zu groß: Der ehrenamtliche Ortsvorsteher von Kittlitz, Bernd Elsner, ist zurückgetreten. Im Lübbenauer Rathaus sei eine entsprechende E-Mail eingetroffen, bestätigte eine Sprecherin des Landkreises Oberspreewald-Lausitz dem Tagesspiegel am Mittwoch.

In dem 100 Einwohner zählenden Ortsteil der Spreewaldstadt Lübbenau ist seit einigen Wochen ein heftiger Streit um die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft entbrannt. Bis zum Jahresende sollen in einer ehemaligen Förderschule bis zu 130 Asylbewerber untergebracht werden. Viele Einwohner fühlen sich von der Politik vor vollendete Tatsachen gestellt und lehnen dies ab, hieß es.

Kurz vor Ostern hatte sich der Ton verschärft, als im Lübbenauer Rathaus ein Drohbrief eintraf. Bürgermeister Helmut Wenzel (parteilos) teilte zwar nicht mit, was genau in dem Schreiben stand. Klar war aber schnell, dass es um die geplante Kittlitzer Flüchtlingsunterkunft ging. Die Polizei habe daraufhin mit dem Bürgermeister und seiner Familie ein sogenanntes Gefährdetengespräch geführt, teilte das Innenministerium mit. Auch Ortsvorsteher Elsner sei bedroht worden.

Landrat kann den Schritt nachvollziehen

„Angesichts der derzeitig vorherrschenden Stimmungslage, die mir durch den Ortsvorsteher geschildert wurde und die ich selbst auch so wahrnehme, aber nicht zuletzt auch aufgrund des immensen medialen Drucks der letzten Tage ist dieser Schritt eines ehrenamtlich tätigen Ortsvorstehers jedoch nachzuvollziehen“, erklärte Landrat Siegurd Heinze (parteilos) am Mittwoch. Gleichzeitig bedauerte er Elsners Rückzug.

„Kittlitz ist nicht rechtsextrem“, sagt Dirk Wilking vom Mobilen Beratungsteam Brandenburg, das Kommunen und Initiativen in der kritischen Auseinandersetzung mit Neonazis unterstützt. Der Ort mit seinen ländlichen Strukturen sei von der Entwicklung schlicht überrollt worden. Normalerweise gebe es eine längere Vorbereitungsphase, in der intensive Gespräche mit der Bevölkerung geführt werden. Wegen der stark steigenden Flüchtlingszahlen sei hierfür kaum noch Zeit gewesen, versuchte sich Wilking die Lage in Kittlitz zu erklären.

In den ersten drei Monaten dieses Jahres seien mehr als 2800 Flüchtlinge nach Brandenburg gekommen. Das sind nach Angaben des Innenministeriums mehr als dreimal so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. „Unsere Kapazitätsgrenze im Kreis ist fast erreicht. Wir brauchen Platz und gehen verschiedene Wege, und Kittlitz gehört zur engeren Wahl“, erklärte Kreissprecherin Sarah Werner. Daher will der Kreis weitere Gespräche mit den Einwohnern führen.

„Mir scheint, dass Elsner zwischen die Fronten geraten ist“, sagt Berater Wilking. Zwar hatte der Ortsvorsteher stets erklärt, dass 130 Flüchtlinge für Kittlitz zu viele seien. Das habe er auch gegenüber Journalisten kommuniziert. Dennoch sei er von Einwohnern angefeindet worden. „Das war anscheinend zu viel“, betonte Wilking.

Kittlitzer Ortsbeirat will vorerst weitermachen

Die anderen Mitglieder des Kittlitzer Ortsbeirats wollen zwar weitermachen, aber die weitere Entwicklung abwarten. „Wann lässt uns die Presse endlich in Ruhe“, fragt die Ehefrau des stellvertretenden Ortsvorstehers, als der Tagesspiegel sie anruft. „Uns werden ja doch nur die Worte im Mund umgedreht.“

Der Fall erinnert an die Vorgänge in Tröglitz. Der Ort in Sachsen-Anhalt war nach dem Rücktritt des Bürgermeisters Markus Nierth in die Schlagzeilen geraten. Der Politiker hatte sich für Flüchtlinge eingesetzt, daraufhin wurden er und seine Familie von Rechtsextremisten bedroht. Auch dabei ging es um die Asylbewerberunterkunft, in der ab Mai 40 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Der 46-jährige Bürgermeister hatte seinen Rücktritt damit begründet, dass er sich von der Politik nicht ausreichend unterstützt und seine Familie nicht gut genug geschützt gefühlt habe. Sein Schritt hatte eine bundesweite Debatte über den Schutz von Politikern vor übergriffigen Demonstranten ausgelöst.

Georg-Stefan Russew

Zur Startseite