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Klaus Wowereit (l.), Matthias Platzeck und Peter Ramsauer (nicht im Bild) stehen unter Erklärungsdruck.

© dapd

Druck auf Politiker wächst: BER-Desaster - Druck auf die Verantwortlichen wächst

Politisch müssen Klaus Wowereit, Matthias Platzeck und Peter Ramsauer für das Debakel um Berlins neuen Flughafen einstehen. Was genau wird ihnen vorgeworfen – und wie rechtfertigen sie sich?

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Die öffentliche Empörung über die kurzfristige Verschiebung der Flughafen-Eröffnung ist groß. Die Kritik trifft vor allem die führenden Köpfe der drei Gesellschafter – der Länder Berlin und Brandenburg und des Bundes. Im Aufsichtsrat hätten sie früher Alarm schlagen müssen, heißt es.

Wie rechtfertigt sich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit?
Jetzt kriegt er alles ab. Spätestens am Donnerstag im Berliner Landesparlament hat der Klaus Wowereit gemerkt, dass er als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft im Brennpunkt des Geschehens steht. „Haben Sie den Kopf in den Sand gesteckt?“, fragte die Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop in der Debatte zur Regierungserklärung. „Oder haben Sie sich an der Nase herumführen lassen?“ Es könne doch nicht sein, dass am Ende niemand verantwortlich gewesen sein wolle. Auch Linksfraktionschef Udo Wolf, vor einigen Monaten noch Regierungspartner der Sozialdemokraten, stellte die Frage nach der Verantwortung, die er allerdings mehr bei der Geschäftsführung und den Planern sieht. Wowereit warf er vor, für die Zukunft des Großflughafens „keinen Plan zu haben“. Von der Erklärung des Regierungs- und Aufsichtsratchefs habe er, so Wolf, erste Aufklärung erwartet. „Ich habe leider nichts erfahren.“ Zupackender zeigten sich die Piraten: Der Regierende solle angesichts „jeder Menge Fehler, die gemacht wurden“, die Konsequenzen ziehen, forderte Fraktionschef Andreas Baum. Welche Konsequenzen, sagte er nicht.

Bildergalerie: Reaktionen auf das BER-Desaster:

Wowereit selbst übernahm im Parlament zunächst nur die moralische Verantwortung, in dem er sich für das Desaster, wie er selbst es nannte, im Namen der Flughafengesellschaft entschuldigte. Ansonsten hielt er sich in seiner Rede zu den Ursachen des Desasters sehr zurück. Und er blieb bei seiner Darstellung, von der Verschiebung des Eröffnungstermins überrascht worden zu sein. Warum er erst Montagabend davon erfahren habe, sei eine völlig richtige und zulässige Frage. Sie müsse auch beantwortet werden. „Als Aufsichtsrat haben wir kein Interesse, die Dinge zu beschönigen“, versicherte er. Aber nur an einer Stelle wurde er konkret. Zwar sei seit längerem bekannt gewesen, dass die vollautomatisierte Brandschutzanlage nicht rechtzeitig in Betrieb genommen werden konnte, aber für dieses Problem sei auch in der Aufsichtsratsitzung am 20. April von der Geschäftsführung eine teilautomatisierte Lösung angekündigt worden.

Auch andere Flughäfen hatten schon Probleme - sehen Sie hier die größten Pannen-Airports in unserer Bildergalerie:

Seit August 2003, als drei Vorgängergesellschaften zur Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH verschmolzen wurden, leitet Wowereit den Aufsichtsrat. Dessen Aufgabe ist es, die Geschäftsführung des Unternehmens kontinuierlich zu beraten und zu überwachen. Der Aufsichtsratschef soll mit dem Vorstand die Strategie, die Geschäftsentwicklung und das Risikomanagement beraten. Über „wichtige Ereignisse“ muss der Vorstandssprecher den Aufsichtsratschef unverzüglich informieren. Das sind die Vorschriften des Aktienrechts und des Corporate Governance-Kodex, die für alle Unternehmen gelten, die Aufsichtsräte haben. In dieser Rolle hat Wowereit von Anfang an auf die Tube gedrückt. „Wir wollen, dass Druck im Kessel bleibt“, sagte er gebetsmühlenartig seit 2005, als nach der gescheiterten Privatisierung des Flughafenprojekts die öffentliche Hand in der Verantwortung blieb.

Welchen Vorwürfen muss sich Platzeck stellen? Und wo ist Ramsauer?

Welchen Vorwürfen muss sich Platzeck stellen?
In Brandenburg mahlen die Mühlen etwas langsamer. Doch nun ergreift auch Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der das Land seit 2002 regiert und – wie Wowereit – seit 2003 im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft sitzt, die Flucht nach vorn. Nachdem der Druck auch auf ihn und die anderen BER-Aufsichtsratsmitglieder seiner rot-roten Regierung wächst, wird Platzeck eine Regierungserklärung zur Krise des größten Infrastrukturprojektes in Ostdeutschland abgeben. Jedoch erst auf einer Sondersitzung des Parlamentes am 21.Mai, die Platzeck selbst anregte, womit er einem Antrag der CDU-Opposition im Landtag zuvorkam. Der Termin wurde auf seine Bitte etwas später gelegt, um die für den 16. Mai angesetzte Sitzung des Projektausschusses der Flughafengesellschaft abzuwarten.

Bildergalerie: So entsteht der neue Flughafen

Am Donnerstag wiesen Finanzminister Helmuth Markov und Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (beide Linke) auf Ausschusssitzungen im Landtag Vorwürfe zurück, dass Brandenburgs Aufsichtsräte ihre Kontrollpflicht nicht ausreichend wahrgenommen hätten. „Von Vertuschung oder Vernebelung der Probleme durch den Aufsichtsrat kann keine Rede sein“, sagte Christoffers dem Tagesspiegel. Er reagierte damit auch auf publizierte Aufsichtsrats- und Controllingberichte, wonach die Brandschutzproblematik bereits seit Dezember 2011 regelmäßig Thema in den Gremien gewesen sei. Dies sei der Fall gewesen, „aber es hat keinen einzigen Hinweis durch die Geschäftsführung gegeben, dass der Eröffnungstermin nicht zu halten ist“, sagte er.

Unterdessen schließt der brandenburgische Landesrechnungshof nicht aus, dass ein Prüfverfahren zum Flughafen eingeleitet wird. Man werde das weitere Vorgehen mit den Rechnungshöfen Berlins und des Bundes beraten, sagte Präsident Thomas Apelt. Zu prüfen sei, wie sich der Aufsichtsrat von der Geschäftsführung über das Flughafen-Projekt informieren ließ. Apelt warnte allerdings vor Aktionismus: „Es macht keinen Sinn, jetzt sofort loszulegen.“

Bildergalerie: So wird der neue Flughafen aussehen:

Unruhe in Brandenburgs Politik lösen Ankündigungen des Flughafen-Managements aus, dass der Airport kurz nach Eröffnung angesichts des rasanten Anstiegs der Passagierzahlen, die sich in den letzten zehn Jahren auf jetzt 24 Millionen jährlich verdoppelt hätten, erweitert werden muss. Zwar betonte Technik-Geschäftsführer des Flughafens Manfred Körtgen im Landtag, dass es „um Gebäude gehe, nicht um eine weitere Landebahn“. Um eine 3. Startbahn in Schönefeld zu verhindern, fordert die CDU-Fraktion unter der Vorsitzenden Saskia Ludwig jetzt Planungen eines „weiteren Flughafenstandorts“, als Ergänzung zum BER. Bei den anderen Parteien löste der Vorstoß Kopfschütteln aus.

Wo ist Ramsauer?
Der Bund ist mit 26 Prozent an der Flughafengesellschaft beteiligt. Das Land Brandenburg und Berlin mit je 37 Prozent. Das heißt, der Bund ist Minderheitseigner, aber ebenfalls im Aufsichtsrat vertreten. Allerdings nicht durch einen Minister, sondern durch zwei Staatssekretäre. Die Federführung hat das Verkehrsministerium und damit die politische Verantwortung der Minister, also Peter Ramsauer (CSU). In der FDP ist schon ein deutliches Grummeln über ihn zu vernehmen. Und die Opposition sieht Ramsauer auf Tauchstation. „Immer wenn es ernst wird, schlägt er sich in die Büsche. Ich will von ihm als Vertreter der Bundesregierung wissen, was er für eine schnelle Eröffnung des neuen Flughafens tut“, fordert Sören Bartol, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

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