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Berlin: „Du mit deinen weißen Ideen“

Rokia Traore, gefragte Weltmusik-Newcomerin aus Mali, tritt heute in der Kulturbrauerei auf

Zum dritten Mal in Berlin, aber zum dritten Mal nicht eine Sekunde Zeit, um auch nur eine Spur von der Stadt zu sehen: Rokia Traore, eine der viel versprechendsten Weltmusik-Newcomerinnen der letzten Jahre, ist eine gefragte Künstlerin. Trotzdem fühlt sich die 26-jährige Westafrikanerin mit Wohnsitz Nordfrankreich bei Konzerten in Berlin wohler als anderswo.

Geboren in Mali als Tochter eines Diplomaten verließ sie das afrikanische Land nicht nur ein Mal: fünf Jahre Brüssel, später Algerien, Saudi-Arabien, dazwischen immer wieder ein, zwei, drei Jahre Mali. Die Folge: Nirgendwo sonst in der Welt fühlt sich Rokia Traore, wenn sie auf Tour ist, so unsicher, spürt sie so viele Ressentiments gegen ihre federleichte Crossover-Musik wie in Mali. Egal, wie stabil die von Medien wie Publikum in höchsten Tönen bejubelte Mischung auch in den alten westafrikanischen Traditionen verankert sein mag: „Du mit deinen weißen Ideen!“, ist unter den Hardlinern zu Hause noch die freundlichste Reaktion.

Die so Kritisierte kann den Impuls nachvollziehen, spürt sie eine gewisse Zerrissenheit doch natürlich gerade auch in sich selbst: „Ich halte es zwar für einen Vorteil, im Laufe seines Lebens anderen Kulturkreisen ausgesetzt zu werden und so den Blick geöffnet zu bekommen für all die verschiedenen Möglichkeiten, die es gibt auf der Welt, aber das ist auch sehr anstrengend. Und es kann, vor allem für Teenager, sehr schmerzhaft sein. Für die Malier bist du kein echter Malier mehr, und für die Algerier oder Europäer kein echter Algerier oder Europäer.“ Auch Berliner Jugendlichen der zweiten oder dritten Einwanderergeneration muss man über derlei Konflikte nicht groß etwas erzählen.

Zum Glück bleiben die Türen, wenn man es denn will, letztlich für immer offen – in beide Richtungen. So fühlt sich Rokia Traore auf europäischen Bühnen der speziellen Aufgeschlossenheit wegen besonders wohl. Und wie nahe ihr selbst Mali bleibt und wie viel die Welt um sie herum davon zu hören bekommt, hängt auch ganz von ihr selbst und ihrem Einsatz ab. „Meine Musik hat ihre Wurzeln ganz bewusst in meiner alten Kultur, der malischen Kultur. Musik gab es in Mali lange, bevor durch den Kontakt mit Europa Elektrizität, Verstärker, die moderne Welt Einzug hielten. Und je mehr ich aus Mali herauskam, desto stolzer wurde ich auf diese Kultur.“ Eine zurückhaltend zarte, sanft, aber unwiderstehlich groovende Kultur: „Ich möchte, dass die Welt etwas mehr davon erfährt.“ Sie tut es. Christian Beck

Heute, Palais der Kulturbrauerei, Prenzlauer Berg, Knaackstraße, 21 Uhr, 18 Euro.

Christian Beck

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