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Berlin: Dürfen Ärzte die Behandlung von Kranken verweigern?

Dürfen niedergelassene Mediziner streiken? „Streiken“ nicht, weil sie einen freien Beruf ausüben.

Dürfen niedergelassene Mediziner streiken?

„Streiken“ nicht, weil sie einen freien Beruf ausüben. Aber ich halte kollektive Leistungsverweigerungen von Kassenärzten für zulässig, die seit mehreren Quartalen keine angemessene Vergütung mehr erhalten haben. Darauf haben sie nämlich einen Rechtsanspruch, und ihnen ist unzumutbar, dauerhaft unterhalb der Kostensätze zu arbeiten.

Das Bundessozialgericht, das Bundesgesundheitsministerium und die Länderministerien sehen das anders.

Klar, denn sie wollen das bestehende System schützen, und außerdem hat die öffentliche Hand massive Finanzierungsprobleme. Unser Rechtssystem schafft für die Behandlung der Versicherten ein Kassenarztmonopol. Das verpflichtet den Staat, den Ärzten, die in diesem System tätig sind, ihre Kosten zu erstatten und einen angemessenen Gewinn zu gewähren.

Was ist eine angemessene Vergütung?

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung nennt zirka 90 000 Euro, die als Gewinn am Ende des Jahres übrig bleiben sollen, allerdings vor allen Ausgaben, die ein Kassenarzt sonst hat, zum Beispiel für seine Alterssicherung, für Kammer und KV-Beiträge und für Steuern. Die Kassenärztliche Vereinigung vergleicht niedergelassene Ärzte bei dieser Einschätzung mit angestellten Oberärzten, und das ist auch angemessen.

Wie weit ginge ein solches „Streikrecht“?

Die Notversorgung der Patienten muss auf jeden Fall sichergestellt sein, sonst macht sich die Ärzteschaft unter Umständen strafbar. Im Übrigen halte ich aber eine totale Leistungsverweigerung durch bestimmte Arztgruppen für rechtskonform, wenn es kein anderes Mittel mehr gibt, um durchzusetzen, dass ihre Leistungen angemessen oder überhaupt vergütet werden.

Die Proteste der Ärzte gehen zu Lasten der Kranken, die sich nicht wehren können. Was sollen sie tun, wenn sie vor der verschlossenen Praxistür stehen?

Dann muss sich der gesetzlich Versicherte an seine Krankenkasse wenden. Denn nach der Rechtslage schuldet diese ihm die ärztliche Versorgung, nicht aber die Kassenärzte. Die Krankenkassen bedienen sich der Kassenärzte, um ihre Verpflichtungen gegenüber den Versicherten zu erfüllen. Die Krankenkassen werden sich also anstrengen müssen, für ihre Mitglieder versorgungsbereite Kassenärzte zu finden. Das wird um so leichter sein, je mehr sie bereit sind, für deren angemessene Vergütung zu sorgen.

Das Gespräch führte Ingo Bach.

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