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Sänger Tim Bendzko lebt seit einem Jahr in Potsdam.

© Mike Wolff

Durch Potsdam mit Tim Bendzko: Vom Autoverkäufer zum Superstar

Tim Bendzko bevorzugt trotz seiner Popkarriere ein ruhiges Leben – und hat seiner Heimat Berlin vor einem Jahr den Rücken gekehrt. Ein Treffen in Potsdam

Gemütliches Spazierengehen? Nicht mit ihm. Tim Bendzko steht unruhig auf einem Parkplatz in der Nähe des Parks Sanssouci in Potsdam. Er will los, sich entschieden nach vorn bewegen, rasch, genauso wie er redet, wie es seinem Naturell entspricht. Definitiv mehr Walking als schlendern.

Bendzko, 34 Jahre alt, ist hauptberuflich Sänger und Musiker, geboren und aufgewachsen ist er in und um Ost-Berlin. Seine Karriere begann er im Fußball (B-Jugend beim 1. FC Union Berlin) und als Auktionator für Autos – dabei habe er viel über Bühnenpräsenz gelernt. Bendzko hat eine von den Routen ausgewählt, auf denen er sonst seinen Hund ausführt – der ist heute aber zu Hause geblieben.

Der Park Sanssouci mit seinen Rabatten und dem Neuen Palais liegt einladend da, Bendzko kennt sich aus. Er weist auf Skulpturen hin, auf besondere Gebäudeteile, hier hatte der König seine Blumen, es gab gar ein ganzes Haus dafür.

Tim Bendzko mag Ordnung

Bendzko wohnt noch gar nicht so lange in Potsdam, nicht mal ein Jahr – und ist innerhalb der Stadt bereits umgezogen. Einige Zeitungen und Zeitschriften hatten vollmundig darüber berichtet, ihm einen Hang zum Spartanischen angedichtet, weil er eine „Villa“ zugunsten einer „sehr kleinen Wohnung“ getauscht habe. Ganz so sei es nicht, sagt Bendzko und muss grinsen. Die Wohnung, in der er jetzt lebt, und die nicht allzu weit vom Park Sanssouci entfernt liegt, ist groß genug für Bendzko, Hund und einige Dinge.

Zum Beispiel die wachsende Fotoausrüstung: Bendzko ist passionierter Fotograf (echt professionell, raunt die Managerin), er hat es sich zwar mehr oder weniger selbst beigebracht, aber betreibt das Ganze ernsthaft. Von vielem anderen hat er sich aber tatsächlich getrennt. Ausgemistet, neu geordnet.

„Ich mag es, Struktur hineinzubringen“ erklärt der Musiker, er habe sogar Marie Kondo angewendet, die japanische Aufräumberaterin, „den esoterischen Teil allerdings weggelassen“. Selbst das Sammeln habe er aufgegeben, jede Menge Sneakers flogen, „am Ende braucht man doch nur die beiden Paare, die man immer anzieht“, sagt der Sänger pragmatisch.

Tim Bendzko kritisiert Konsumverhalten

Um Konsum geht es auch in seiner Single „Nicht genug“, die er gemeinsam mit Kool Savas aufnahm: „Wir wollen immer mehr / und den Rest auch noch dazu / genug ist nicht genug“, heißt es darin. Das dazugehörige Album „Filter“, es ist sein viertes, kam im Oktober heraus – und nistete sich schnell auf dem dritten Platz der deutschen Albumcharts ein.

Es ist schon ein Traum, was da seit knapp zehn Jahren abgeht. Über einen Talentwettbewerb trat er gemeinsam mit den Söhnen Mannheims in der Berliner Waldbühne auf, kurze Zeit später bekam Bendzko einen Plattenvertrag. Der erste Megahit „Nur noch kurz die Welt retten“, war 47 Wochen lang in den Charts. Aus dem Autoverkäufer, Studenten, Sportler wurde ein Star, der plötzlich pro Auftritt Tausende sehnsüchtige Augen vor sich hatte.

Tim Bendzko leidet unter dem Klatsch

Gar nicht so einfach, vor allem, wenn man eigentlich ein vorsichtiger Mensch ist. Der zwar offen und freundlich wirkt, dem man dennoch anmerkt, dass er unter dem gestiegenen und teilweise rücksichtslosen Interesse an seinem Privatleben leidet, den Spekulationen über Freundin ja, nein, Liebeskummer ja, nein, Geld ja, nein. Und der nicht auf Riesenbühnen steht, weil er sich von vielen geliebt fühlen will, sondern, weil er Musikfan ist, und die Chance, denn so realistisch ist er, nicht verstreichen lassen wollte.

Bendzko schafft sich auf der Bühne eine Art Schutzraum – er kann sich da fallen lassen, erzählt er, und seine Livekonzerte bestätigen das: Er wirkt glücklich dort oben. Doch im Gegensatz zu dieser Kommunikation mit den Fans ist es privat anders. Er träfe sich, erklärt er, während man mit Holzkisten winterfest gemachte Skulpturen streift, eher mit wenigen als mit ganz vielen Leuten auf einmal: „Ich bin kein wirklicher Partygänger, viele Menschen in einem Raum – das ist nichts für mich.“

Der Park, so angenehm menschenleer er auch ist, wird langsam zu kalt, Bendzko fährt mit dem Auto (schnittiges Ding mit Riesen-Navi-Screen) in ein Eck-Café in der kopfsteinbuckligen Potsdamer Altstadt, eines seiner Lieblingscafés.

Im Gespräch geht es um Musik, die alten Helden. Einer davon sei Michael Jackson, sagt er. „Und – ganz uncool – sein ,History‘-Album, das hat mich tief beeindruckt“. Die Frage, ob er zwischen Kunst und Künstler trennen könne, was ja nicht nur im Falle Jacksons ein Thema ist, beantwortet Bendzko spontan mit Ja. Ein politischer Mensch sei er schon, sagt er, „aber mein Kommunikationsweg ist Musik. Wenn mich ein Thema stark beschäftigt, dann schreibe ich einen Song dazu“.

Gerade schreibt Bendzko Song über Berlin

Momentan schreibt er an einem Song über sein Verhältnis zu Berlin. Einerseits ist die ganze Stadt für ihn klar Heimat – Bendzko hat in sehr, sehr vielen Stadtteilen gewohnt, er hat offenbar ein Händchen für das Finden neuer Wohnungen, erzählt begeistert davon, wie er bei der aktuellen Bleibe nach kurzer Recherche Glück hatte. Andererseits ruft ihn die Stadt momentan seltener.

Bei der Frage nach Lieblingsorten muss er länger nachdenken. Die Alte Försterei, sagt er schließlich, aber das ist immerhin das Fußballstadion, in dem der Ex-Verein Union spielt. Und eine Fußballleidenschaft verschwindet genauso wenig wie die für Musik.

Er sei aber nicht immer zu hundert Prozent konsequent beim Hobby-Trainieren, behauptet Bendzko. „Ich bin diszipliniert – aber in Phasen.“ Und er erzählt, wie er beim Fußballgucken dennoch zuweilen fast körperlich mitfühlt: „Bei Jerome Boatengs letzten beiden Verletzungen hat es bei mir direkt in den Stellen gekribbelt – da sehe ich schon in der Bewegung, wie weh das tut.“

Gesünder als die Fußballkarriere ist das Dasein als Popstar im Falle Bendzko bestimmt. Und mit unerwünschter Aufmerksamkeit muss man in beiden Fällen umgehen. An diesem Nachmittag hat der Musiker es jedenfalls geschafft, nicht angesprochen zu werden. Andererseits: Wer weiß, was noch auf dem Weg zum Auto passiert.

Konzerte am 27. und 28. Dezember im Theater am Potsdamer Platz, Tickets ab 41,20 Euro unter www.eventim.de. Konzert in der Max-Schmeling-Halle am 30. Mai 2020, Tickets ab 49,90 Euro.

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