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Reger Autoverkehr auf den Radstreifen der Körtestraße. Die Verbotsschilder werden von den meisten ignoriert. 

© Jörn Hasselmann

Durchfahrverbot in Kreuzberg: Bezirksbürgermeisterin stellt sich Autofahrern auf der Fahrradstraße in den Weg

In der Körtestraße herrscht ein Auto-Durchfahrverbot. Wie schwer der Kampf um die Einhaltung der Regeln ist, erlebte Bürgermeisterin Herrmann selbst vor Ort.

Friedrichshain-Kreuzberg ist einmalig. Seit Monaten treibt das Bezirksamt die Verkehrswende konsequent voran: Es entstanden zahlreiche Pop-Up-Radwege und im Juli eine mehrere Kilometer lange Fahrradstraße vom Südstern bis zum Mariannenplatz. Lob kam gerade von der grünen Verkehrssenatorin Regine Günther. Im Tagesspiegel-Interview sagte sie, der Bezirk demonstriere „sehr klar, was möglich ist, wenn politischer Wille, Kompetenz und Personal vorhanden sind“.

Willen und Kompetenz zeigte nun die Bezirksbürgermeisterin – auf der Straße. Dienstagnacht stellte sich Monika Herrmann (Grüne) Autofahrern in den Weg, die das Durchfahrtsverbot in der neu eingerichteten Fahrradstraße Körtestraße missachteten. Das Foto eines Fahrradaktivisten zeigt, wie Herrmann fast auf der Motorhaube eines Autos liegt.

Mit ihrem Straßenbau-Amtsleiter Felix Weisbrich hatte sich Herrmann die Situation persönlich angesehen. Am Montag hatte das Bezirksamt Sperrschranken und Blumenkübel in Höhe Freiligrathstraße aufgestellt. „Damit reagiert der Bezirk auf die stark regelwidrige Nutzung dieser Fahrrad-Vorrangstraße durch Pkw mit zum Teil massiv überhöhter Geschwindigkeit“, hieß es in einer Mitteilung. Und weiter: „Höhepunkt der geringen Regelakzeptanz war die massive Gefährdung von Passanten.“

Gemeint ist ein Vorfall Mitte August, bei dem zwei Männer in einem Audi-Sportwagen durch die Körtestraße raste. In Höhe Freiligrathstraße konnten sich Passanten, darunter eine Mutter mit Kinderwagen und auch zufällig anwesende Polizisten, erst in letzter Sekunde in Sicherheit bringen.

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Die beiden Männer wurden festgenommen, nachdem sie ihren Wagen gegen ein Verkehrsschild setzten. Das Polizeipräsidium schrieb eine Meldung zu diesem Vorfall („Autofahrer missachtet Anhaltezeichen – Polizeikräfte müssen sich in Sicherheit bringen“). Dass es sich um eine Fahrradstraße handelt, erwähnte die Polizei in der Meldung nicht.

„Vor ein paar Tagen hätte es fast Tote gegeben“, begründete Monika Herrmann die schnelle Sperrung. Bekanntlich sind vergangene Woche in anderen Bezirken vier Radfahrer und Fußgänger getötet worden.

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Verbände legen Vier-Punkte-Plan vor

Fahrradclub ADFC und der Verein Changing Cities, die gemeinsam das Mobilitätsgesetz verhandelten, sind alarmiert. Angesichts dieser „verheerenden Woche“ forderte ADFC-Vorstand Frank Masurat die Berliner Politik zu einer „gemeinsamen Aktion auf, um das Töten auf den Berliner Straßen zu beenden“.

Beide Verbände legten einen Vier-Punkte-Plan vor: So fordern sie, die sofortige Wegnahme von Überholspuren auf vielen Hauptverkehrsstraßen, da „Einstreifigkeit das Unfallrisiko reduziert“. Als Vorbild gilt hier die Kantstraße in Charlottenburg, in der es seit wenigen Wochen einen Pollerradweg auf einer Autospur gibt.

Wenn das Polizeiauto das Verbotsschild ignoriert, dann kann ich das ja auch, dachte sich womöglich dieser Autofahrer.
Wenn das Polizeiauto das Verbotsschild ignoriert, dann kann ich das ja auch, dachte sich womöglich dieser Autofahrer.

© Jörn Hasselmann

Kreuzungen, auf denen es schwere Unfälle gab, sollten bis zur Entschärfung entweder gesperrt oder das Rechtsabbiegen verboten werden. Sollten Berufskraftfahrer einen Unfall verursacht haben, sollte sofort der Betrieb „auf Dienstpläne, Sicherheitsmanagement, Fahrtenschreiber“ überprüft werden. Sollten sich Mängel ergeben, sollte der Betrieb zeitweise stillgelegt werden, heißt es in dem Konzept. Tempo 30 sollte deutlich ausgeweitet werden, Kreuzungen, auf denen es schwere Unfälle gab, sollten sofort eine getrennte Signalisierung für Rad- und Kfz-Verkehr erhalten.

Unablässig ignorieren Autos, selbst Lastwagen, das Durchfahrtsverbot

Wie schwer der Kampf um die Einhaltung der Regeln ist, hat Bezirksbürgermeisterin Herrmann bei ihrem nächtlichen Einsatz auf der Körtestraße erlebt. Das Problem, dass viele Autofahrer Fahrradstraßen ignorieren, ist seit Jahren bekannt, doch die Behörden stehen ihm hilflos bis gleichgültig gegenüber.

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In der Körtestraße zeigt sich, dass auch Blumenkübel und Verbotsschilder Autofahrer nicht stoppen, wenn links und rechts davon rot unterlegte Radstreifen sich für eine Durchfahrt geradezu anbieten.

Am Mittwochmorgen ist die Situation die gleiche. Unablässig ignorieren Autos, selbst Lastwagen, das Durchfahrtsverbot. Nur wenige Autos wenden vor den Schildern und bringen damit die zahlreichen Radfahrer ebenfalls in Gefahr.

Bezirk kündigt zusätzliche Poller als „Komplettsperre“ an

Als kurz vor neun Uhr eine Funkstreife der Berliner Polizei langsam in die Körtestraße hineinfährt, haben einige diskutierende Radfahrer zunächst die Hoffnung auf ein polizeiliches Einschreiten. Doch das Polizeiauto ignoriert das Verkehrszeichen ebenfalls und fährt durch - gefolgt von anderen Autofahrern. 

Der Bezirk kündigte nun als finalen Schritt zusätzliche Poller als „Komplettsperre“ an. Die Prinzregenstraße in Wilmersdorf war eine der ersten Berliner Fahrradstraßen. Seit zehn Jahren wird kritisiert, dass Autofahrer die Straße weiter als Abkürzung oder Alternative für die parallele Bundesallee missbrauchen.

Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) sagte dem Tagesspiegel, dass der Bezirk am 10. Juni die Pläne für eine Diagonalsperre an die Verkehrsverwaltung geschickt habe. Verkehrssenatorin Günther müsse nur noch genehmigen, dann werde gebaut.

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