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Am Freitag wurde eine erste Lücke in die Mauer gerissen. Nach Protesten wurden die Abrissarbeiten vorerst abgebrochen.

© Kitty Kleist-Heinrich

East Side Gallery: Der Bezirk protestiert jetzt mit gegen den Mauer-Abriss

Die Berliner sind entsetzt. Am Sonntag wollen Tausende um 14 Uhr vor der East Side Gallery gegen den Abriss von Teilen der denkmalgeschützten Berliner Mauer demonstrieren. Auch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg streitet sich mit dem Senat um die Mauergrundstücke.

„Berliner Mauer-Galerie von Bauentwicklern bedroht“, mit diesem Tenor berichtet die britische BBC über den Streit um die East Side Gallery. Und die „Washington Post“ in den USA schreibt: „Streifen von Berliner Mauer-Denkmal herausgerissen, um den Weg für luxuriöse Eigentumswohnungen zu bereiten“. Die nach Protesten – aber nur bis Montag – unterbrochenen Abrissarbeiten an der denkmalgeschützten East Side Gallery in Friedrichshain-Kreuzberg verursachen weltweit Schlagzeilen. Zur Demo am Sonntag um 14 Uhr vor der East Side Gallery an der Mühlenstraße erwartet die Polizei 3000 Demonstranten, bei Facebook hatten am Samstagabend sogar schon mehr als 8800 Teilnehmer Interesse bekundet.

Zuletzt waren rund 45 Meter Mauer abgetragen worden – jetzt sollen etwa 20 Meter wegen der neuen Brommy-Fußgängerbrücke und wegen des 63 Meter hohen Neubaus „Living Levels“ auf dem Privatgrundstück des Investors CIC an der Spree fallen. Doch es werden wohl noch weitere Löcher in das Baudenkmal gefräst: Neben dem Hochhaus von „Bauhaus Living“ wird auf dem Grundstück einer israelischen Investorengruppe ein 120 Meter lange Büro- und Geschäftshausriegel entstehen. Zur Maueröffnung dort gibt es gerade einen Streit vor Gericht, bestätigte Franz Schulz, grüner Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, dem Tagesspiegel. „Es sieht so aus, als ob es zu einem Vergleich kommt, dann soll wohl die fünf Meter große Öffnung zur Strandbar auf 10,80 Meter verbreitert werden.“ Beide Grundstücke habe der Bezirk vor Jahren für den Erhalt eines unbebauten Ufers nicht mehr kaufen können.

Der Geschäftshausriegel werde Schulz zufolge der Anmutung der East Side Gallery noch mehr schaden; sie könne nicht mehr durch freie Sicht und Weite wirken. Schulz sagte, der Senat trage eine Mitschuld, weil heutige Entwicklungen auf Nachwende-Erschließungspläne zurückgingen. Er appellierte erneut an den Senat, ein Ersatzgrundstück für die Investoren bereitzustellen oder die Bauherren zu entschädigen.

Der Initiator und Vorsitzende der Künstlerinitiative „East Side Gallery“, Kani Alavi, prüft jetzt, eine einstweilige Verfügung gegen den Abriss zu erwirken. Sein Verein könne so etwas aber finanziell nicht stemmen. Daher appelliert er an die Behörden, die mehrere tausend Euro Kosten pro Tag zu übernehmen oder keine Justizgebühren zu verlangen. „Es geht um die Rettung eines denkmalgeschützte Kulturerbes“, sagt Alavi.

Die nach der Wende von den mehr als 100 Künstlern gestaltete East Side Gallery sei zudem erst vor drei Jahren für 2,5 Millionen Euro restauriert und witterungssicher gemacht worden; dieses Steuerzahlergeld sei jetzt teils verschleudert. Mehrere Künstler, etwa aus Dänemark und Frankreich, haben wie Alavi Strafanzeige wegen Sachbeschädigung und Urheberrechtsverletzung gestellt. Am Freitag wurden laut Kani Alavi 25 Meter der halbrunden Mauerkrone abgetragen – damit werde Asbest frei, und den Vorschriften nach müssten theoretisch schon aus diesem Grund die Segmente nun weg. Wie berichtet, sollen die Mauerteile etwas weiter zur Spree hin versetzt wieder aufgestellt werden. Wieso ein denkmalgeschütztes Monument abgerissen werden kann, war am Sonnabend nicht zu klären. Die Genehmigung hatte der Bezirk 2008 erteilt.

Bei Berlins Senat hieß es am Sonnabend, der Bezirk müsse alles dafür tun, dass es künftig nicht zu mehr Durchbrüchen komme und der für Berliner und Touristen wichtige historische Mauerstreifen in voller Ausdehnung erhalten bleibe. Berlins oberster Stadtvermarkter, Burkhard Kieker, ist gerade von einer Werbetour aus Los Angeles zurück. „Ich habe in den USA gerade noch Bilder von der East Side Gallery gezeigt“, erzählte Kieker dem Tagesspiegel. Der künstlerisch gestaltete Mauerstreifen komme in allen Stadtführern weltweit vor und sei bei Touristen auch daher so beliebt, weil er für den Spirit und das bunte Lebensgefühl in Berlin stehe.

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