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Die FluxFM-Gründer Mona Rübsamen und Markus Kühn.

© Holger Schöttelndreier

Echo 2013: FluxFM: Die Stimmen Berlins

Essen im FluxBau, dabei FluxFM hören – und nun auch noch ein Buch aus dem eigenen Verlag „Metrolit“ lesen: Mona Rübsamen und Markus Kühn fassen das alles unter ihrer Vorstellung von Popkultur zusammen. Dafür könnten sie heute auf dem Echo ausgezeichnet werden.

Manchmal müssen für eine Vision Berge versetzt werden, manchmal sind es Behörden. Der Holzindustrielle Otto von Steinbeis hatte sich Ende des 19. Jahrhunderts in den Kopf gesetzt, die erste elektrisch betriebene Zahnradbahn in Deutschland zu bauen. Sie sollte Touristen auf den 1838 Meter hohen Wendelstein befördern. Ein technisch fast unmögliches Vorhaben, doch 1912 nahm die Bahn ihren Betrieb auf. Eher ein Fall von Bergeversetzen. Mona Rübsamen, Urenkelin des Bahnpioniers, hat es eher mit Behörden zu tun.

Rübsamen erzählt die Geschichte ihres Urgroßvaters, weil sie findet, dass sie so gut zu ihrer eigenen passt. Ihrem Kampf um eine UKW-Frequenz, auf der sie ihre Idee von einem Radiosender verwirklichen konnte. Einem, der mehr ist als eine Abspielstation für Hits der Kategorien „Super“, „Mega“ oder „Mega-Mega“. Einem, der ein Forum für noch unbekannte, talentierte Bands bietet. Mit redaktionellen Beiträgen, die unbequeme Themen aufgreifen und eine Haltung vermitteln, sagt Rübsamen, die nach Kindheit und Jugend an der Talstation der Wendelsteinbahn im beschaulich bayerischen Brannenburg nach Berlin zog, um an der UDK zu studieren. Schnell stieg sie bis ins europäische Führungsteam von MTV auf, entwickelte programmverantwortlich für Deutschland neue Formate wie „MTV Alarm“ mit Christian Ulmen. Doch irgendwann schmiss sie resigniert hin, „weil der Quotendruck kreative Innovationen unmöglich gemacht hatte“.

Während ihr Urgroßvater Organisation, Finanzierung und behördliche Genehmigungen allein vorantreiben musste, hatte Mona Rübsamen von der ersten Minute an einen Partner im Geiste: Markus Kühn, Studienabbrecher in den Fächern Mathe, Informatik, VWL, Jura und Musik. Auch ohne Abschluss brachte es Kühn zum Musikberater beim ZDF, spielte in Punk- und Jazzbands, ist Ko-Komponist der Titelmelodien von „Heute“ und „Heute Journal“. Beim Plattenriesen Universal stieg er innerhalb von drei Tagen zum Marketingverantwortlichen ohne feste Arbeitszeiten auf.

FluxFM, FluxBau und Metrolit - Nominierung als "Medienpartner des Jahres"

Heute sitzen die beiden, in ihren Vierzigern angekommen, zusammen im FluxBau in der Pfuelstraße in Kreuzberg. „Vereinsheim der Kreativbranche“ nennen sie dieses chaotisch-fantasievoll eingerichtete Restaurant mit Terrasse über der Spree, in dem Katja Eichinger ihr Buch „BE“ vorgestellt und Till Schweiger sich in einer Podiumsdiskussion mit Filmkritikern gezofft hat. Freitags und samstags gibt es hier das „Menu de Pop Culture“, bei dem die Bouillabaisse „Fish You Where Here“ heißt und der Blaubeerjoghurt „Purple Haze“.

Hier im FluxBau entstand im August auch die Idee, ihre Mission erneut zu erweitern: mit einem Verlag. Entstanden ist „Metrolit“, ein Joint-Venture mit Matthias Koch, dem Inhaber des Aufbau-Verlags. Genau wie beim Radio haben Rübsamen und Kühn eine ganz eigene Auffassung davon, wer ihre Bücher lesen soll: „Überall werden Zielgruppen über das Alter definiert“, sagt Kühn. „Das ist Blödsinn. Es geht um Milieus und Mindsets.“ Wie jemand tickt, nur das zähle. Und gemäß dieser Maxime veröffentlichen sie „Bücher, die einfach gedruckt werden müssen“. Angefangen vom Popkultur-Klassiker „Absolute Beginners“ in neuer Übersetzung bis hin zur Graphic Novel „We are Gipsies now“ der Berliner Künstlerin Danielle de Piciotto. Auf der Leipziger Buchmesse präsentierten die Metrolit-Macher zwölf Titel, sechs weitere kommen bis Anfang Mai dazu. Für das zweite Halbjahr haben sie noch einmal 20 Titel angekündigt. Das ist zumindest mutig, die meisten Branchenkenner würden eher unternehmerischen Suizid diagnostizieren.

Aber das kennen die beiden schon. Bei FluxFM war es nicht anders. „Wir waren die Ersten, die Gossip im Programm hatten, die Arctic Monkeys, Bonaparte und den britischen Singer-Songwriter Mike Rosenberg.“ Besser bekannt als „Passenger“, der in dieser Woche auf Platz 1 der deutschen Albumcharts kletterte.

Dafür könnten Rübsamen und Kühn heute Abend bei der Echo-Verleihung auf dem Messegelände an der Masurenallee belohnt werden: Rübsamen und Kühn sind in der Kategorie „Medienpartner des Jahres“ nominiert. Bei der klassischen Reichweitenanalyse der Radiosender schneidet FluxFM noch eher bescheiden ab. Aber in den Social-Media-Indizes liegen die Berliner bei den privaten Radiostationen ganz vorn in Deutschland. Knapp acht Jahre nach dem Start ist aus dem kleinen Sender, der nur nachts Programm machen konnte, weil er sich die Frequenz mit einem Kinderkanal teilen musste, ein Unternehmen mit 65 Mitarbeitern geworden. FluxFM gibt es schon in Stuttgart und Bremen, weitere Städte sind in Planung. Doch wie groß sie auch werden, eines wird bleiben, sagt Rübsamen, der Spirit. Ob sie ihn nun senden oder drucken.

Holger Schöttelndreier

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