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Das versehrte Krankenhaus: Die Kinderklinik in Weißensee war 1911 eröffnet und 1997 geschlossen worden. Der Eigentümer versprach eine Sanierung, doch das Areal verfällt immer mehr.

© Timo Kather

Ehemalige Kinderklinik Berlin-Weißensee: Eigentümer überlassen das Baudenkmal dem Verfall

Nichts tun, wenn's brennt: Seit Jahresbeginn brach elf Mal Feuer aus im früheren Kinderkrankenhaus in Weißensee. Die Eigentümer überlassen das Baudenkmal dem Verfall. Mit Absicht?

Wenn die Feuerwehrsirenen draußen jaulen, schnappt sich Fabian Zschau sein Smartphone und geht ins Schlafzimmer. Von dort macht er Fotos vom Einsatz. Der 21-jährige Auszubildende schaut von seiner Wohnung im zehnten Stock eines Plattenbaus direkt auf das ehemalige Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee in der Hansastraße. Zschau könnte mit seinen Bildern mittlerweile ein Album füllen – seit Januar hat es auf dem Gelände elf Mal gebrannt. Zuletzt fast jede Woche.

Seit eineinhalb Jahren lebt Zschau mit seiner Freundin in der Piesporter Straße, ungefähr 200 Meter vom Krankenhaus entfernt. „Zuerst war alles ruhig“, sagt er, „im Januar diesen Jahres gingen die Brände los – meist abends, wenn es dunkel ist“. Dies passt zu den Aufzeichnungen der Berliner Feuerwehr, die über jeden Einsatz Buch führt: Im Januar brennt es drei Mal in einer Woche, im März stehen 50 Quadratmeter Dach in Flammen. Im April brennt es zwei Mal, im Mai muss die Feuerwehr gleich vier Mal kommen. Meist wird Gerümpel und Müll angezündet. Die Flammen greifen auf das Gebälk über, Teile des Daches und der Zwischendecken stürzen ein. Zum vorerst letzten Mal schlagen die Brandstifter am 6. Juni zu: Der Dachstuhl brennt auf einer Fläche von 80 Quadratmetern, die Rauchsäule ist kilometerweit zu sehen. Die Kosten für die Einsätze können nur geschätzt werden – sie belaufen sich auf mehrere zehntausend Euro, mindestens.

Die Polizei geht davon aus, dass Kinder oder Jugendliche auf dem Gelände zündeln – ansonsten tappt sie im Dunkeln. „Bislang konnte kein Tatverdächtiger ermittelt werden“, sagt Polizeisprecher Thomas Neuendorf. Von einer Serie möchte er nicht sprechen – dies setze voraus, dass nur eine Person die Taten begeht. Stattdessen vermutet Neuendorf, dass es sich um eine „Reihe wiederholter Brandlegungen“ handelt. Das Brandkommissariat fand auf dem Gelände mehrere kleinere Brandstellen, aber keine konkreten Hinweise auf die Verwendung von Brandbeschleunigern wie Benzin oder Spiritus.

Zuletzt brachen mehrere Brände hier aus.
Zuletzt brachen mehrere Brände hier aus.

© Fabian Zschau

Der oder die Täter haben leichtes Spiel. Es ist kein Problem, auf das Gelände zu kommen. Das Tor steht offen, der Zaun ist kaputt. Die fünf Gebäude aus der Kaiserzeit – alle stehen unter Denkmalschutz – sind nur noch Ruinen: Zerschlagene Scheiben, fehlende Türen, Schutt und Müll überall. Rußgeschwärzte Fensteröffnungen und Treppenhäuser zeigen an, wo es gebrannt hat. Riesige Löcher klaffen an den Stellen, wo infolge der Brände Teile der Dachkonstruktion eingestürzt sind. Das Grundstück selbst ist völlig mit Sträuchern und Gestrüpp überwuchert – es gibt kaum ein Durchkommen.

Das alte Kinderkrankenhaus Weißensee ist zu einer 21 000 Quadratmeter großen Spielwiese für Graffitikünstler und Hobbyfotografen geworden, eine urbane Brache mit Seltenheitswert. Im Internet kursieren Fotos und Videos, die auf dem Gelände und in den Gebäuden aufgenommen wurden. Inzwischen ist das Areal auch ein Rückzugsort für Wohnungslose, die dann und wann dort übernachten – auch wenn Polizeisprecher Neuendorf keine konkreten Hinweise hat, „dass sich in den Gebäuden regelmäßig Obdachlose aufhalten“.

Eigentümer des Grundstücks ist die MWZ Bio-Resonanz GmbH. Das Ende 2002 gegründete Unternehmen kaufte das Grundstück mitsamt den darauf befindlichen Gebäuden im November 2005 vom Liegenschaftsfonds der Stadt Berlin – und machte große Versprechungen. „Seinerzeit ist die Errichtung eines wissenschaftlichen und medizinischen Gesundheitszentrums vereinbart worden“, sagt Irina Dähne, Sprecherin beim Liegenschaftsfonds. Doch die neuen Eigentümer hielten sich nicht an die Abmachung; für jeden offensichtlich, lassen sie den 1911 eingeweihten und 1997 stillgelegten Gebäudekomplex verfallen. Als der Liegenschaftsfonds Ende 2012 feststellte, dass die Investoren gar nicht investieren, forderte er das Grundstück zurück. Seitdem ist man mit der Rückabwicklung des Kaufvertrages beschäftigt.

Trotz Wohnungsmangel liegt ein riesiges Grundstück brach - das ärgert den Pankower Bezirksstadtrat.

Anwohner Fabian Zschau und seine Freundin beobachteten und fotografierten die Brände rund um das Baudenkmal.
Anwohner Fabian Zschau und seine Freundin beobachteten und fotografierten die Brände rund um das Baudenkmal.

© Timo Kather

Die MWZ Bio-Resonanz GmbH hat ihren Sitz in einem elfstöckigen Betonriegel in der Leipziger Straße, zwei Gehminuten vom Gendarmenmarkt entfernt. Am Klingelschild stehen neben vier Familien- auch drei Firmennamen. Neben der MWZ Bio-Resonanz GmbH sind das die ZQM Bio-Quant GmbH und die NTI Quant GmbH. Die im Handelsregister eingetragene Geschäftsführerin Elena Dvoryadkina sei geschäftlich außer Landes, erklärt ein junger Mann, der die Tür öffnet. Er verweist an Sergey Danilov, den Bevollmächtigten der Geschäftsführung. „Wir hatten Probleme mit der Finanzierung“, gibt Danilov im Gespräch zu. „Seit dem Frühjahr haben wir aber einen neuen Partner und wollen das Projekt jetzt umsetzen. Spätestens Anfang nächsten Jahres geht es los.“

Danilov weiß um die Situation im Kinderkrankenhaus Weißensee, zeigt sich angesichts der Geschehnisse aber ratlos: „Wir sichern das Gelände alle zwei Wochen mit Ketten, die werden aber sofort wieder aufgebrochen.“ Auch habe man mehrfach Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs bei der Polizei gestellt, passiert sei aber nichts. Vorwürfe, die MWZ Bio-Resonanz GmbH sei ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen, weist Danilov von sich: „Das ist die Meinung des Liegenschaftsfonds. Die wissen, dass sie das Grundstück heute wesentlich lukrativer veräußern könnten und wollen es deshalb zurückhaben.“ Zum genauen Kaufpreis möchte Danilov aber nichts sagen.

Weißensee ist ein Boombezirk mit vielen zuziehenden Familien und liegt relativ nah am Zentrum: Mit der Tramlinie M4 braucht man eine Viertelstunde vom Kinderkrankenhaus zum Alexanderplatz. Dass trotz Wohnungsmangels ein riesiges Grundstück in Weißensee brachliegt, ist dem Pankower Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner (Grüne), ein Ärgernis. „Die ganze Sache erinnert an ein schlechtes B-Movie“, sagt er. Der Kaufvertrag sei inklusive Sanierungsverpflichtungen geschlossen worden, das „Sahnegrundstück“, wie Kirchner es nennt, ging daher unter Verkehrswert weg. Ihn als zuständigem Stadtrat habe nie eine Bauanfrage erreicht, auch sei seitens der Eigentümer nie das Gespräch mit ihm gesucht worden.

Kirchner jedenfalls kann sich im Prinzip auch vorstellen, dass die Gebäude nach einer Sanierung für Wohnungen genutzt werden – solange die denkmalgeschützte Substanz erhalten bleibt. „Wir halten an dem Ziel fest, dass wir das Krankenhaus sanieren wollen“, sagt Kirchner, „unser Interesse ist, dass das Gebäude nicht weiter verfällt und dort wieder Leben einzieht.“ Auch die Denkmalpflege werde sicher auf der Erhaltung des Ensembles pochen.

Im Raum steht die Frage, ob die MWZ Bio-Resonanz GmbH überhaupt an der Sanierung des Krankenhauses und einer medizinischen Nutzung interessiert ist oder längst einen anderen Verwendungszweck ins Auge gefasst hat – und den Gebäudekomplex deshalb verfallen lässt. Sergej Danilov jedenfalls sagt: „Unser Plan bleibt bestehen, dass alle denkmalgeschützten Gebäude erhalten werden.“

Am vergangenen Wochenende wurde der Eingang an der Hansastraße wieder mit Schlössern gesichert – Danilov will nun zusätzlich einen Zaun aufstellen, damit die Brandstifter nicht mehr so leicht auf das Gelände kommen. Nach mehr als sieben Jahren.

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