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Das Tempelhofer Feld bietet für so ziemlich jede Aktivität, die Platz braucht, Möglichkeiten.

© Christophe Gateau/dpa

Ehemaliges Flugfeld: Zehn Jahre Tempelhofer Freiheit

Vor zehn Jahren wurde der Flughafen Tempelhof geschlossen. An diesem Sonnabend wird das gefeiert. Hier erklären zehn Menschen, warum ihnen die große Freiheit das Herz weitet.

Die Schließung des Flughafens Tempelhof vor zehn Jahren hat den Berlinern mehr als 300 Hektar freie Fläche mitten in der Stadt beschert, einen neuen Ort für Erholung und Kultur, fast so groß ist wie der Central Park in New York. Doch die Debatte um die Nutzung der freien Fläche und die der Gebäude ist nicht vorbei.

Heftig diskutiert über die Zukunft wird sicher auch am Sonnabend, am Tag der offenen Tür. Von zwölf bis 21 Uhr erwarten die Gäste Einblicke in das alte und neue Tempelhof. Die Tempelhof Projekt GmbH, die das Gebäude verwaltet, stellt ihre Zukunftspläne vor. Das Arbeitsgremium „Zukunft Flughafen Tempelhof“ erklärt, wie Bürgerbeteiligung den Standort mitgestaltet. Bei kostenlosen Führungen können Besuchende unter anderem die Dachterrasse und die alten Räumlichkeiten der Air Force erkunden. Über die Luftbrücke vor 70 Jahren erzählen Zeitzeugen. Zugang zum Gebäude und zum Volksfest auf dem Vorfeld ist ausschließlich über das Tempelhofer Feld möglich.

Fast zehn Jahre ist es her, dass das Areal mit der Schließung des Flughafens am 30. Oktober 2008 zum öffentlichen Ort wurde. Aus diesem Anlass stellen wir zehn Menschen vor, die besonders mit dem Flughafengelände verbunden sind.

Kirstin Dörner, Hobby-Gärtnerin

Über den Sommer ist das meiste Gras vertrocknet. Doch es gibt eine grüne Oase auf dem Feld: Der Gemeinschaftsgarten Allmende-Kontor wird regelmäßig gewässert. Hobby-Gärtnerin Kirstin Dörner hat dieses Jahr 20 Kilo Zucchini geerntet und in ihrem Hochbeet ist immer noch Gemüse, darunter Tomaten und Kürbisse. „Man kann hier die kleinen Dinge wiederentdecken, die im Großstadtgetümmel untergehen“, sagt die 41-Jährige. Seit drei Jahren gärtnert sie mit ihrer Lebensgefährtin und einer Freundin. Neben ihrem Hochbeet ist eine Bank, wo sich oft Besucher hinsetzten. Um die muss sie dann manchmal „herumgärtnern“. Dörner zog von Chemnitz nach Berlin, als der Flughafen noch geöffnet war. „Das war spannend: Flugzeuge über dem Kopf und die Gläser im Schrank klirrten vom Verkehr“, sagt sie, „da wusste man, dass man in der Großstadt ist“. Mittlerweile schätzt sie aber die Ruhe: Im Herbst spaziert sie gerne über das neblige Feld, gemeinsam mit Hund Cleo, der auch zum Gärtnern mitkommt und bei Parkbesuchern um Snacks bettelt.

Hobby-Gärtnerin Kirstin Dörner mit ihrem Hund.
Hobby-Gärtnerin Kirstin Dörner mit ihrem Hund.

© Pauline Faust

„Micha“, Windskater

Weite Flächen, viel Wind, glatter Asphalt: Das Tempelhofer Feld ist ideal für Windsportarten. Micha, der nicht mit seinem wirklichen Namen genannt werden möchte, stand schon am Eröffnungstag des Feldes sehnsüchtig vor dem Tor. „Es gibt wenige Flächen in der Stadt, wo man windskaten kann“, sagt der Köpenicker. Auf einem Rollbrett hat er ein Segel montiert. Damit er fort kommt, muss natürlich Wind wehen: „Hier ist das ideal mit dem Durchzug“, meint Micha. Als Alternative nennt er große Parkplätze, „aber da kommt dann immer der Wachschutz“. Beim Windskaten werden Küren gefahren: „Es geht nicht darum, irgendwo hinzufahren, sondern den Moment zu genießen“, sagt Micha.

Benjamin Bär, musiziert

Zurückgekehrt ist Benjamin Bär, er hat am Tempelhofer Feld gewohnt und lebt jetzt in Niederbayern. Wenn er auf dem Balkon saß, flogen die Flugzeuge über seinen Kopf. „Ich war schon froh, als der Flughafen geschlossen wurde“, sagt der Bayer. Fliegen sei sowieso nicht so seins. Bei seinem Stadtbesuch sitzt er nun mit seinen Freunden beisammen und musiziert. „Es hat sich so viel verändert“, sagt der 34-Jährige, „früher war auf dem Feld nix, jetzt gibt es diese Häuschen und den Garten“. Ganz so ruhig wie auf dem Land ist es hier aber nicht: „Man trifft die ganze Zeit Menschen“. Er überlegt, mit seinen Kindern wieder nach Berlin zu ziehen, „oder nach Afrika – das weiß ich noch nicht“.

Musiker Benjamin Bär.
Musiker Benjamin Bär.

© Pauline Faust

Rainer Altenkamp, Ornithologe

Beruflich auf dem Feld ist Rainer Altenkamp unterwegs. Der Ornithologe und Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) Berlin fertigt Gutachten zum Vogelbestand an. Die Öffnung des Feldes war nicht für alle Vögel gut: Der Brachpieper und die Schafstelze sind heute kaum noch zu finden. Sie bevorzugen sandige Flächen und flache Vegetation, dort kommen mittlerweile zu viele Spaziergänger vorbei. Ganz unberührt von den Veränderungen hingegen zeigt sich das Maskottchentier, die Feldlerche: Schon vor der Schließung lebten etwa 200 Brutpaare des gefährdeten Vogels auf dem Feld. Das sind 40 Prozent des Landesbestandes. „Das Tempelhofer Feld ist auf ihre Bedürfnisse angelegt. Auf einem Hektar brüten zehnmal so viele Vögel wie auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche“, sagt der Nabu-Experte. Klarer Gewinner ist die Grauammer. Ohne Flugverkehr dürfen kleine Bäume auf dem Feld wachsen, was der Bodenbrüter als Brutrevier bevorzugt.

Vanessa Rottenburg, Schauspielerin

Im Gemeinschaftsgarten hat es sich auch Vanessa Rottenburg gemütlich gemacht. Zwischen den grünen Pflanzen lernt sie einen Text für ein Vorsprechen am Theater. „Man kann hier gut für sich sein“, sagt die 33-Jährige. Zum Sonnen und um die weite Sicht zu genießen kommt sie her. Und wie viele andere war sie im Juli hier, um den Blutmond zu beobachten. „Die Parkwächter wollten pünktlich um halb elf schließen – aber dann haben sie eingesehen, dass das doch nicht geht“, sagt Rottenburg. Sie wünscht sich, dass das Feld in so heißen Sommern wie diesem mehr bewässert wird: „Am Eingang wird ein kleiner Streifen gesprengt, aber das bringt doch nichts, wenn auf dem Feld alles ausgetrocknet ist.“

Die Schauspielerin Vanessa Rottenburg.
Die Schauspielerin Vanessa Rottenburg.

© Pauline Faust

Anton, Streetkiter

Der zwölfjährige Anton fährt mit seinem Longboard über die alte Landebahn und lenkt dabei mit beiden Händen einen Drachen: „Das Schwierigste sind die Kurven.“ Um die Richtung zu wechseln, muss man nämlich auch die Hände an der Lenkung umgreifen und dabei nicht die Kontrolle über das Flugobjekt verlieren. Sein Vater Ludger hat die „Streetkiter“ auf dem Tempelhofer Feld beobachtet und wollte es selbst ausprobieren. „Das ist ein toller Ersatz zum Segeln“, sagt Ludger. Letzten Winter war er auf dem Longboard und dem Drachen unterwegs, bei Minusgraden in Skikleidung. Jetzt lernt Anton das Longboarden mit Drachen. Zweimal ist er schon hingefallen und hat sich Schrammen geholt, aber zum Aufhören macht es zu viel Spaß.

Der zwölfjährige Streetkiter Anton.
Der zwölfjährige Streetkiter Anton.

© Pauline Faust

Johannes Kaya, grillt

Johannes Kaya sitzt mit seinen Freunden an einem der ausgewiesenen Grillplätze. Auf dem Mini-Grill brutzelt Putenbrust. „Ich habe eine große Familie und viele Freunde“, sagt der 22-Jährige. Auf dem Tempelhofer Feld gibt es genug Platz für alle. Kaya macht eine Ausbildung zum Physiotherapeuten, entspannen kann er sich beim Joggen und Footballspielen auf der Grünfläche. „Ich möchte, dass es so bleibt wie es ist und keine Wohnungen gebaut werden“, sagt er, „dieser Ort hier soll für uns sein und nicht für Investoren.“

Klaus Eisermann, Tourguide

Klaus Eisermann leitet Führungen durch die Gebäude des alten Flughafens, er zeigt seinen alten Arbeitsplatz. Bis 2002 hat er im Verkehrsdienst gearbeitet. Auf den Landebahnen, wo nun Spaziergänger unterwegs sind, sorgte der heute 79-Jährige für reibungslose Abläufe. „Tempelhof war ein besonderer Flughafen“, sagt Eisermann. Klein und weniger hektisch als das heute üblich ist, im Winter parkten alle Flugzeuge unter einem Dach. Auf Tempelhof war auch ein Stützpunkt der US-Air-Force. Manchmal führt Eisermann amerikanische Veteranen durch deren alten Arbeitsplatz, dem ein oder anderen sollen dabei die Augen feucht geworden sein. Eisermann bedauert die Schließung des Flughafens, bis 2008 hatte er sich für die Offenhaltung eingesetzt.

Pascal Ziemann, Tempelburger

Pascal Ziemann hat den besten Arbeitsplatz – findet er: Er arbeitet im Tempelburger, einem Imbisswagen am Feldrand. „Ich beobachte am liebsten, wie abends die Sonne hinter dem Wasserturm untergeht“, sagt er. Er schwärmt von der Weite und dem Horizont ohne Häuserfront. Ziemann schätzt besonders die entspannte Stimmung: „Das ist Frieden“. Der Standort sei noch nicht sehr touristisch erschlossen, eher selten würden Urlauber mit ihren Leihrädern aufs Feld kommen. Vielleicht hilft Ziemanns Werbung für den Tempelburger, das zu ändern. „Auf unseren Bänken haben wir Platz für 200 Gäste. Wir machen solides Essen, nicht zu hipp. Am besten kommt der Cheeseburger an.“

Pascal Ziemann arbeitet beim Imbiss Tempelburger.
Pascal Ziemann arbeitet beim Imbiss Tempelburger.

© Pauline Faust

Detlef Wilde, Nachbar

Der SV Tasmania grenzt direkt an das Tempelhofer Feld. „Früher hatten wir hier ein Stadion mit Kapazitäten für fünfzehntausend Besucher“, sagt der Vereinsvorsitzende Detlef Wilde. Heute hat der Verein drei kleinere Fußballfelder. In der Vorbereitungsphase laufen die Fußballer ihre Runden über den alten Flughafen. „Als das Feld bebaut werden sollte, waren auch drei neue Sportplätze geplant“, sagt Wilde. Mit dem durch den Volksentscheid herbeigeführten Baustopp ist daraus nichts geworden. Für die 350 Jugendlichen reichten die Trainingsmöglichkeiten aktuell gerade so hin. „Wir hätten uns über mehr Platz gefreut“, sagt Wilde.

Pauline Faust

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