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Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (2. v. r.) bei der Vorstellung des Bauprojekts im April.

© Andreas Klaer

Ehemaliges Kasernengelände in Potsdam: Es gibt Zweifel am Krampnitz-Deal

Kritiker meinen, Potsdam hätte beim Verkauf des Kasernenareals mehr Geld herausholen können. Die Verantwortlichen sehen das anders.

Potsdam - Die Freude war groß, als Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) Ende März den Durchbruch für das ehemalige Kasernengelände in Krampnitz verkünden konnte. Mit der börsennotierten Gesellschaft Deutsche Wohnen sei ein erfahrenes und leistungsstarkes Großunternehmen gefunden worden, das die Rechtsstreitigkeiten um das Areal mit einem Schlag beendet habe und nun bis zu 400 Millionen Euro investieren wolle. Statt der geplanten 3800 Einwohner sollen in dem neuen Entwicklungsgebiet nun sogar bis zu 6500 Menschen leben – das soll den angespannten Wohnungsmarkt der schnell wachsenden Stadt entlasten.

Doch nun werden Details des Geschäfts bekannt und Zweifel laut. Potsdam habe sich bei den Verhandlungen über den Tisch ziehen lassen und hätte mehr Geld für das Projekt verlangen müssen, lautet der Tenor eines Beitrags mit der Überschrift „Krampnitz – in die Knie gezwungen“ in der Hauspostille der Wählergruppe Die Andere, die als fünfköpfige Fraktion in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung sitzt. Dies sei „ein weiterer Akt in einer Tragödie“, so der Vorwurf des Autors Nicolas Bauer, der im renommierten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) arbeitet und nebenbei für Die Andere im Aufsichtsrat des Entwicklungsträgers für Krampnitz sitzt, einer Tochter der kommunalen Bauholding Pro Potsdam. Bauers Fraktion hat bereits mehrere Anfragen zu dem Krampnitz-Geschäft im Stadtparlament gestellt, allerdings sind die Antwortfristen der Stadt inzwischen verstrichen.

Bauer kritisiert, dass die Stadt für Flächen, die an die Deutsche Wohnen verkauft wurden, lediglich einen sogenannten Ausgleichsbetrag von nur 46,6 Millionen Euro kassiert. Ausgleichsbeträge geben Kommunen in Entwicklungsgebieten die Möglichkeit, entwicklungs- und spekulationsbedingte Wertsteigerungen abzuschöpfen und diese für die nötige Infrastruktur zu verwenden, also für Straßen, Kitas oder Schulen. Der Vorwurf von Bauer: Die Stadt hätte einen höheren Ausgleichsbetrag für die Infrastruktur als jene 46,6 Millionen Euro fordern müssen. Stattdessen seien Millionensummen an die dubiosen früheren Käufer des Krampnitz-Areals geflossen.

Um diesen Vorwurf zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen: Seit Jahren war Krampnitz eine Brache, verfielen die dortigen, teils denkmalgeschützten Bauten. Im Fokus stand dabei der Firmenverbund TG Potsdam, der die lukrativsten Teile des Areals vor rund zehn Jahren vom Land Brandenburg unter fragwürdigen Umständen erworben hatte. Später hatten Stadt und Land diverse Prozesse gegen die TG mit dem Ziel einer Rückabwicklung der Kaufverträge angestrengt. Ein Ende war nicht absehbar. Doch mit dem Einstieg der Deutsche Wohnen sind diese Auseinandersetzungen obsolet, die TG-Firmen wurden abgefunden. Welcher Preis dafür gezahlt wurde, darüber haben alle Seiten Stillschweigen vereinbart, Fragen werden nicht beantwortet. Bauer spekuliert in seinem Text über Gerüchte, wonach es 20 Millionen Euro gewesen sein sollen. Diese Summe, so Bauer, hätte der Entwicklungsträger auch für Krampnitz einsetzen können. Die Stadt hätte sich aber mit einem Verzicht auf eine Enteignung der Flächen in eine schlechte Verhandlungsposition manövriert.

Solchen Vorwürfen widerspricht Bert Nicke, Geschäftsführer des kommunalen Entwicklungsträgers Pro Potsdam. Enteignungen seien keine Option gewesen. Die Gerichtsverfahren hätten sich Jahre hingezogen und Krampnitz wäre weiter verfallen. Auch die Ausgleichsbeträge seien angemessen. Nach Tagesspiegel-Informationen stellte dies die Potsdamer Immobilien-Gutachterin Elke Hänicke-Hurlin nach den Verhandlungen mit der Deutschen Wohnen auch in einem eigens von Pro Potsdam beauftragten Gutachten fest.

Nicke macht eine andere Rechnung auf als Bauer: In Krampnitz sollen 92 Millionen Euro in die Infrastruktur investiert werden, unter anderem für drei Kitas, zwei Schulen, eine Tramtrasse, Straßen. Zudem habe die Deutsche Wohnen nicht das gesamte Areal gekauft, sondern nur 41 Prozent der bebaubaren Flächen. „Daher ist es durchaus angemessen, wenn sich dieser Investor mit 55 Prozent an den Infrastrukturkosten beteiligt.“ Die Restsumme soll demnach von weiteren Bauherren, die vom Entwicklungsträger noch ausgewählt werden müssen, aufgebracht werden (siehe Kasten). Die Zahlungen an die TG-Firmen seien vermutlich in den Renditeerwartungen der Deutschen Wohnen eingepreist, so Nicke – und eben nicht in den Ausgleichsbeträgen an die Stadt.

Auch einen anderen Vergleich lässt Nicke nicht gelten: den zum fast fertigen Entwicklungsgebiet Bornstedter Feld, wo bis zu 12 500 Menschen leben sollen, doppelt so viele wie in Krampnitz. Dort nahm der kommunale Entwicklungsträger aus Verkäufen und daran gekoppelten Ausgleichsbeträgen insgesamt fast 290 Millionen Euro ein – und investierte rund 200 Millionen Euro in die Infrastruktur. Dieses Entwicklungsgebiet sei aber sehr viel größer als Krampnitz und die Maßnahmen, etwa zwei Tramlinien oder der Volkspark, auch deutlich umfangreicher. Zudem sei die Wertsteigerung in dem Bereich für Investoren, vor allem durch die zentrumsnahe Lage, deutlich höher ausgefallen als dies für Krampnitz zu vermuten sei. Auch dadurch habe man im Bornstedter Feld höhere Ausgleichsbeiträge abschöpfen können, so Nicke.

Noch etwas ist Nicke bei dem Geschäft mit der Deutschen Wohnen, die schon 2018 Planreife für ihr Projekt erreichen will, wichtig zu erwähnen: „Unser Vorgehen war der einzige Weg, den Gordischen Knoten in Krampnitz zu durchschlagen.“ Und eine Einigung unter Druck hat eben ihren Preis. Henri Kramer

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