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Berlin: Ehen ohne Leidenschaft

Vor drei Jahren trat die Bezirksreform in Kraft. Aus 23 wurden 12 Verwaltungseinheiten. Größer, effizienter und vor allem billiger sollten sie werden. 3000 Behörden-Mitarbeiter sind seither verzichtbar geworden und sollen andere Aufgaben übernehmen. Doch das ist schwieriger als gedacht

Vor drei Jahren sparte sich Berlin elf seiner zuvor 23 Bezirke – und ein großer Teil des Personals in den kommunalen Amtsstuben wurde verzichtbar. Über 3000 Behördenmitarbeiter stehen nicht nur im Zuge der Bezirksreform auf der Überhangliste der Berliner Verwaltung. Ihr Posten trägt den berüchtigten Vermerk „k.w.“ –kann wegfallen. Dennoch sitzen viele der Betroffenen seit Jahren weiter am gleichen Platz und werden für die überflüssige Tätigkeit bezahlt. Zugleich haben viele Bezirke Probleme, freie Stellen zu besetzen. Oft mangelt es an der erforderlichen Fachkenntnis der Kandidaten, manche der Betreffenden scheuen auch weite Wege und disqualifizieren sich bewusst. Dennoch lehnt der Rat der Bürgermeister den neuen Stellenpool des Senats, der im neuen Jahr seine Arbeit aufnehmen soll, nicht nur aus rechtlichen Gründen ab, sondern hält ihn auch für wenig hilfreich.

Noch vor Jahresfrist meldeten Spandauer Kindertagesstätten akuten Personalnotstand. In Ostbezirken standen dagegen Erzieherinnen auf der Überhangliste. Das Loch im Westen musste dennoch anders gestopft werden, denn fast keine der Frauen wollte die Anfahrt zur Arbeitsstätte quer durch die Stadt auf sich nehmen. Sinnvoller wäre es, wenn die Bezirke sich untereinander absprechen könnten, so eine häufig wiederholte Forderung des Spandauer Bürgermeisters Konrad Birkholz (CDU). „Die Köpenickerin wechselt nach Wilmersdorf, dafür kommt ein Wilmersdorfer, der schon immer nach Spandau wollte, zu uns.“

Im zentraleren Bezirk Neukölln kennt Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) diese Probleme nicht. Er sieht dagegen vielmehr ein Qualitätsproblem. „Leute mit 100 Fehltagen im Jahr finden Sie wie Sand am Meer“. Von den rund 50 Kandidaten für die Besetzung von drei vakanten Platzwart-Stellen auf Reinickendorfer Sportplätzen ist die Hälfte erst gar nicht zum Bewerbungsgespräch erschienen, berichtet Sport- und Sozialstadtrat Frank Balzer (CDU). Der Rest der Überhangkräfte habe gleich deutlich gemacht, dass er sich nicht für die Aufgabe geeignet hält. Schließlich genehmigte die Senatsverwaltung für Finanzen eine Freistellung von der Beschränkung auf die Überhangkräfte. Doch auf dem freien Arbeitsmarkt durfte Balzer dennoch kein Personal rekrutieren. Belehrt, dass er nur behördenintern nach Fachkräften suchen darf, hat Balzer inzwischen zwei Mitarbeiter aus Mitte abgeworben. „Jetzt hat der Kollege dort das Problem.“

Für Heinz Buschkowsky liegen die eigentlichen Schwierigkeiten bei den Senatsverwaltungen, die nicht in der Lage seien, Personal zu reduzieren. Innerhalb der Bezirke würden Abbau und Übernahme von Mitarbeitern dagegen weitgehend glatt laufen. Gegen den Stellenpool hat er wie die anderen Bürgermeister massive rechtliche Bedenken, die auch von Personalrat und der Gewerkschaft Verdi geteilt werden. Die Arbeitnehmervertreter befürchten eine weitere Einschränkung der Mitbestimmungsrechte. Notfalls, so droht die Gewerkschaft, will sie bei jeder Zwangsversetzung klagen.

Gerade die Fusionen hätten gezeigt, dass die Bezirke in der Lage sind, Personal eigenständig abzubauen, betont Pankows Bürgermeister Burkhard Kleinert (PDS). Seine Amtskollegin Marlies Wanjura (CDU) aus Reinickendorf sieht im Pool, für den mehr als 80 Mitarbeiter in der Vermittlung tätig sein sollen, eine weitere überflüssige Behörde.

Rainer W. During

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