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Ehrenamtliches Engagement: Russisch für Anfänger

Ein Student und seine Freunde wollten mehr wissen über ein rätselhaftes Land – und bringen Leute zusammen, denen es auch so geht.

Am Anfang hat sich Christoph von Oldenburg eigentlich gar nicht besonders für Russland interessiert. Mit 21 Jahren verspürte er das Bedürfnis, mal etwas Soziales zu machen. Ein Freund erwähnte das Murmansk-Projekt, schlug vor, dass er einfach mal vorbeischauen solle. Nicht lange darauf war er Vorsitzender. Es ging darum, medizinische Geräte, die in deutschen Kliniken und Praxen steuerlich abgeschrieben, aber noch gut zu gebrauchen waren, in russische Krankenhäuser zu bringen. Auch Betten wurden transportiert und andere Gegenstände.

Bei seinen Reisen und beim Lösen vieler Probleme, zum Beispiel mit dem Zoll, machte der gebürtige Hamburger Christoph von Oldenburg eine überraschende Entdeckung: Da liege ein riesiges Land ganz in der Nähe von Deutschland, „und wir wissen so gut wie nichts darüber“.

Heute ist er 26, arbeitet in Adlershof an seiner Diplomarbeit im Fach Chemie und ist Vorsitzender des von ihm mitgegründeten Vereins „Deutschland – Russland – Die neue Generation“ (www.die-neue-generation.ru). Die Sache mit den Kliniken hatte sich nach seinem Gefühl irgendwann erledigt. Inzwischen können die Russen diese auch selbst gut ausstatten.

Die Wissenslücken aber sind geblieben. Und das will er ändern in seiner Generation. Schon zum vierten Mal haben die Vereinsmitglieder ehrenamtlich eine Deutsch-Russische Young Leaders Konferenz organisiert: Je 140 deutsche und 140 russische Multiplikatoren entwickelten am vorigen Wochenende in Workshops und Plenardebatten neue Perspektiven. Dabei wurde natürlich auch über das Urteil gegen Mitglieder der Punkband „Pussy Riot“, über Syrien und andere kritischen Themen diskutiert. Es habe sehr kontroverse Meinungsbeiträge gegeben, wobei keineswegs immer jeweils Deutsche und Russen der gleichen Meinung waren. „Da lässt sich gar nichts verallgemeinern“, sagt von Oldenburg.„Ich persönlich empfinde das Urteil gegen Pussy Riot als sehr hart“, sagt er. Die Diskussionen seien immerhin sehr konstruktiv verlaufen.

Den größten Applaus gab es immer, sobald es um den Wunsch nach Visa-Erleichterungen ging. „Wenn es unkomplizierter würde zu reisen, wäre noch viel mehr Austausch möglich.“ Die ersten beiden Konferenzen fanden in Berlin statt, danach war Moskau dran, diesmal traf man sich in München, und 2013 geht es nach St. Petersburg. Das Vorbereitungskomitee fliegt öfter hin und her, deshalb ist man dankbar, dass die Botschaft mit einem Jahresvisum geholfen hat. Zu den Förderern gehört Maria Koteneva, die Frau des früheren Botschafters, deren erwachsene Kinder sich auf den Konferenzen ebenfalls engagieren. Die Altersgrenze im Verein ist 35 Jahre. Hier soll wirklich ein Neubeginn gewagt werden.

Große Konferenzen ehrenamtlich zu stemmen, ist nicht leicht, da ist Christoph von Oldenburg ganz ehrlich. „Wir haben alle mal unsere Durchhänger.“ Fast täglich gibt es „Team Calls“, wie er das nennt, Telefonkonferenzen. Am Wochenende trifft man sich in Bars oder Wohnungen. E-Mails bearbeitet der rührige Vorsitzende auf der S-Bahn-Fahrt zwischen seiner Wohnung in Mitte und dem Studienort in Adlershof. Jeder hat seine Zuständigkeit, der eine kümmert sich um die Webseite, der andere um die Konferenzteilnehmer. Bis zu 40 Stunden die Woche koste ihn das, sagt von Oldenburg: „So was macht man nicht, wenn man nicht auch was davon hat.“ Das Ziel sei altruistisches Handeln. „Aber man lernt auch sehr viel und entwickelt sich persönlich weiter.“ Und manchmal hat man Spaß. Schon beim Murmansk-Projekt hat er die Organisation von Fundraising-Partys gelernt. Die haben sie in angesagten Clubs wie dem „Tape“ hinterm Hauptbahnhof veranstaltet, die Miete ausgehandelt, DJs aus dem Freundeskreis rekrutiert und mit Flyern in der Uni geworben.

Der Verein hat schon eine stattliche Liste an Sponsoren: Siemens, Porsche, Sal. Oppenheim, Gazprom. „Auch das war viel Arbeit“, kontert der 26-jährige Diplom-Anwärter den überraschten Blick. „Man muss Anträge stellen, dann muss man im persönlichen Gespräch das Konzept erläutern.“ Das Problem, das so viel Arbeit macht, ist eigentlich keins: „Wir rennen ja überall offene Türen ein.“

Dass negative Meldungen die Berichterstattung über Russland dominieren, stört ihn, weil der Eindruck von der Vielfalt des Landes verzerrt werde. Nichts wirke so gut dagegen wie Austausch. Der Erfolg motiviert auch, den Urlaub hat von Oldenburg zurückgestellt.

Ob sich das beruflich für ihn in irgendeiner Weise gut auswirkt, ob es ihn gar mal nach Russland verschlagen könnte, weiß er noch nicht. „Das steht alles in den Sternen.“ Aber vorstellen kann er sich vieles.

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