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Na dann: Wöhlchen! An der Bar der Preußischen Spirituosenmanufaktur in Wedding lässt Geschäftsführer Gerald Schroff die Kunden gerne die produzierten Erzeugnisse probieren.

© Kitty Kleist-Heinrich

Eierlikör aus Berlin: Flüssiges Osterei gibt's in Wedding

Extra für die Feiertage produziert die Preußische Spirituosenmanufaktur ihren Likör. Was diesen so besonders macht, bleibt ihr Betriebsgeheimnis. Ein Besuch in der Spirituosenfabrik.

Eierlikör ist nur was fürs Damenkränzchen? Denkste! Da muss man bloß Gerald Schroff fragen. „Vor Ostern steh’n wir hier von morgens um acht und schlagen Eier auf und sind nachts um eins immer noch nicht fertig.“ Dass Schroff, einer der beiden Geschäftsführer der Preußischen Spirituosenmanufaktur in Wedding, selbst mitanpackt, kann man sich gut vorstellen. Derbe Cordhose, hochgeschobene Ärmel, grauer Dreitagebart, Typ Macher. Erster Eindruck: Nachname passt zum Gemüt. Doch das verflüchtigt sich nach fünf Minuten und allerspätestens nach dem ersten Gläschen Likör, das der Gast selbstverständlich serviert bekommt.

Die Preußische Spirituosenmanufaktur, kurz PSM, ist ein Traditionshaus: 1874 gegründet, zwischenzeitlich ziemlich heruntergewirtschaftet, seit einigen Jahren wieder eine Institution in Sachen Hochprozentiges. 2005 übernahm Schroff, Hotelfachmann, Koch, Sommelier, Barkeeper und gebürtiger Schwarzwälder, den Betrieb zusammen mit dem Berliner Mikrobiologen und TU-Professor Ulf Stahl. Letzterer ist Experte für Hochprozentiges und Aromen und betreibt auf dem Gelände der PSM sein Institut, das sowohl eine Lehranstalt für den Destillateurnachwuchs als auch ein Versuchslabor für neue Kreationen ist. Schroff und Stahl legten Manufaktur, Labor und Lehranstalt zusammen und eröffneten zudem einen kleinen Laden, in dem sie ihre Erzeugnisse verkaufen.

Ausschlaggebend für den Eierlikör war das KaDeWe

„Damals war das hier ’ne ganz schöne Ruine“, erinnert sich Schroff an die Zeit vor der Umgestaltung. Vor allem dreckig seien die Räume der Manufaktur gewesen: „Wir dachten, das sind Milchglasfenster. Aber die hatte nur hundert Jahre niemand geputzt!“ Kein Wunder, dass die Scheiben blind waren, nachdem sie jahrelang täglich den Dämpfen des gärenden Alkohols ausgesetzt waren. Heute blitzen nicht nur die Fenster, sondern auch die kupfernen Destilliergeräte, die hochprozentigen Destillate in den Glasflaschen und die Tropenholzfässer mit exotischen Extrakten wie China-Rinde, Curacaoschalen und Guajakharz.

Etwa zur selben Zeit wie die Ära der PSM begann auch die Erfolgsgeschichte des hier produzierten Eierlikörs: „Wir waren vollauf mit den Aufräumarbeiten beschäftigt, und dann kam auch noch der Eierlikör“, sagt Schroff.

Ausschlaggebend war das KaDeWe, das bei Schroff und Stahl neben den üblichen klaren Likören auch ein paar Flaschen von dem gelben dickflüssigen in Auftrag gab. Heute produzieren Schroff und sein kleines Team hier zu Ostern 500 bis tausend Liter. „Aus dem Nischenprodukt ist ein echter Verkaufsschlager geworden“, sagt Schroff und klingt, als ob er selbst ein bisschen verwundert sei. Nach wie vor ist der Eierlikör in der PSM ein Saisonprodukt, das ausschließlich zu Weihnachten und Ostern hergestellt wird. Das liegt natürlich auch an den Zutaten: Da keine Emulgatoren verwendet werden, gerinnt das Eigelb, sobald es wärmer wird. Der Likör ist wegen des Alkohols zwar noch haltbar, aber „nichts mehr fürs Auge“.

Nicht nur Eierlikör im Angebot.
Nicht nur Eierlikör im Angebot.

© Kitty Kleist-Heinrich

Immerhin wird er hier überhaupt produziert, wenn auch nur zwischen November und April. In Berlin sucht man ansonsten vergebens nach professioneller Eierlikörproduktion. In Brandenburg gibt es einige Höfe, die selbst herstellen, wie den Senftenberger Betrieb mit der Marke „Scharfes Gelb“ oder der Spreewälder Hofladen in Raddusch. Die größte Konkurrenz lauert aber woanders: „Ein Zehntel aller Hausfrauen macht ihren eigenen Eierlikör, zum Teil nach lange bewährten Familienrezepten“, sagt Gerald Schroff. „Da müssen wir schon was bieten.“

Madagaskar-Vanille "und natürlich Kirschwasser"

Was seinen Likör so besonders macht, bleibt natürlich Betriebsgeheimnis. Nur dass er Extrakt aus Madagaskar-Vanille verwende „und natürlich Kirschwasser“, ist dem Spirituosenfachmann zu entlocken. Das Rezept stammt vom Destillateurmeister Manfred Paul, der seine Meisterprüfung 1963 in der Manufaktur abgelegt hatte, den Betrieb dann aber einige Jahre später im Streit verließ. Erst auf dem Sterbebett habe er das Rezept verraten, „unter der Bedingung, dass seine Urkunde zur Meisterprüfung hier aufgehängt wird“. Schroff zeigt an die Wand, wo das Schriftstück jetzt selbstverständlich hängt.

Hergestellt werden auch Wodka, Gin, Magenbitter, Kümmel und verschiedene Brände.
Hergestellt werden auch Wodka, Gin, Magenbitter, Kümmel und verschiedene Brände.

© Kitty Kleist-Heinrich

Bioeier werden nicht verwendet, davon hält Schroff nicht viel: „Mit dem Bio-Siegel wird viel zu viel Schindluder getrieben.“ Wichtig sei, dass die Eier nicht aus Legebatterien kommen. Davon überzeugt er sich selbst vor Ort bei den Handelspartnern. Die Flaschen werden von Hand gefüllt und etikettiert. Die Kunden, laut Schroff zunehmend auch jüngere, wissen die Handarbeit immer mehr zu schätzen, vor allem der manufaktureigene Laden läuft gut. An der Bar können sich die Kunden durch den „Adler Berlin“ Wodka und Gin, Kurfürstlichen Magenbitter, Berliner Getreidekümmel und natürlich die diversen Brände und Liköre von Anis über Mirabelle bis Zimt probieren. Schroff freut sich über den direkten Kundenkontakt. Meistens jedenfalls. „Einige fragen, ob wir die Flaschen auch als Geschenk einpacken.“ Schroff streckt lachend seine ziemlich prankigen Hände aus. „Seh ich aus, als ob ich Geschenke einpacken würde?“

Preußische Spirituosenmanufaktur, Seestraße 13, Wedding. Kaufen kann man den Eierlikör im hauseigenen Shop und im KaDeWe für 15,70 €, solange der Vorrat reicht. Weitere Infos unter: www.psmberlin.de

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