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Eigentümer können Haftung nicht abwälzen: Kommt die Räumfirma nicht, muss der Hausbesitzer schippen

Viele Eigentümer hofften, sich im Winter nicht groß um die Wege vor ihren Häusern kümmern zu müssen. Doch wenn der bestellte Räumdienst nicht kommt, müssen sie aufgrund des neuen Gesetzes trotzdem selbst schippen.

Von Fatina Keilani

Irmgard Häbler (Name geändert) ist sauer. „Wir haben schon im August 485 Euro an die Firma Ruwe für den Winterdienst gezahlt, und jetzt müssen wir doch selbst Schnee schippen“, klagt die Frau, und sie ist nicht allein. Hausbesitzer in der ganzen Stadt kennen das Problem.

Die Firma sei ein einziges Mal gekommen, so Häbler, und dann nicht mehr. „Ich schicke jeden Tag drei Faxe an Ruwe, es meldet sich niemand, und es kommt keiner.“ Sie sei sogar selbst zum Betriebshof gefahren, wo aber vormittags alle Jalousien unten waren. „Das wird noch ein dickes Nachspiel haben“, kündigt sie an. „Wir haben jahrelang gezahlt, auch wenn den ganzen Winter keine Flocke fiel. Jetzt schneit es und die tauchen ab. Wenn die jetzt nicht ausgestattet sind, dann haben sie einfach nicht vorgesorgt.“ Ruwe-Chef Klaus Dieter Tschäpe war tagelang für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Frau Häbler und ihre ebenfalls berufstätigen Nachbarn hatten eigentlich gehofft, sich im Winter nicht groß um die Wege vor ihren vier Reihenhäusern kümmern zu müssen. Aufgrund des neuen Gesetzes müssen sie nun doch selbst schippen, denn die öffentlich-rechtliche Verkehrssicherungspflicht kann ihnen keinen Räumdienst mehr abnehmen.

Im vergangenen Winter war das noch anders: Wer einen Vertrag mit einem Winterdienst hatte, konnte dies beim Amt für regionalisierte Ordnungsaufgaben in Lichtenberg eintragen lassen. Stürzte dann ein Passant vor der Haustür und verletzte sich dabei, war der Grundstücksbesitzer aus der Haftung raus. Das geht nicht mehr. Das Verzeichnis in Lichtenberg ist geschlossen, der Eigentümer haftet selbst. Hat er einen Winterdienst beauftragt, der nicht kommt, so kann er sich zwar auf den Vertrag berufen. Aber die öffentlich-rechtliche Pflicht, für einen freien Gehweg zu sorgen, wird er nicht los.

„Man muss sich die Vertragsklauseln genau anschauen“, sagt Roman Becker, Fachanwalt für Verkehrsrecht. „Viele Firmen halten sich nämlich ein Hintertürchen offen und garantieren zum Beispiel nicht, dass sie zu einer bestimmten Zeit da sind, um zu räumen.“ Ist morgens der Gehweg verschneit, muss der Hausbesitzer ihn selbst frei machen – ab sieben Uhr muss der Weg blank sein. Kommt die Firma erst um neun, dann ist wichtig, was im Vertrag steht. Hat sie ihre Pflichten erfüllt oder nicht? Im Vertrag von Frau Häbler, der dem Tagesspiegel vorliegt, steht etwa: „Bei lang anhaltenden Schneefällen können Verzögerungen eintreten.“ Eine wie lange Verzögerung noch hinzunehmen ist, steht da aber nicht.

Falls ein Fußgänger sich ein Bein bricht, weil der Räumdienst nicht gekommen ist und der Hauseigentümer auch nicht schippen konnte, muss Letzterer haften. „Den Eigentümer trifft die Verkehrssicherungspflicht“, sagt Anwalt Becker. „Beim Beinbruch muss er also zahlen. Er kann dann versuchen, bei seinem Räumdienst Regress zu nehmen.“ Das könne ziemlich kompliziert werden, denn der Hausbesitzer muss alle Tatsachen beweisen, die seinen Anspruch begründen. Anwalt Becker rät: „Beweissicherung ist hier das A und O. Also rausgehen, Fotos machen, Filmen, um zu belegen: Hier war nicht geräumt.“

Den Missmut teilen nicht alle: Die Kolonie Sonnental in Spandau beschäftigt zum Beispiel einen Winterdienst und ist eigentlich recht zufrieden. „Es klappt ganz gut hier“, sagt einer der Siedler. „Allerdings halten wir die auch unter Druck. Die letzte Rate haben wir noch nicht gezahlt.“

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