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Berlin: Ein Bayer in der Gedächtniskirche

Zurück in Berlin: Schauspieler Günther Kaufmann steht im Musical über Martin Luther King auf der Bühne

Schmatz und noch mal Schmatz – auf jeder Wange sitzt ein Bussi. Dazu ein warmer Händedruck des Hünen und eine volltönende Begrüßung. Auch wenn Günther Kaufmann mit der Münchner Schickeria nichts am Hut hat, geprägt hat sie ihn doch, die Bussi-Bussi-Bagage mit ihrer Vorliebe für große Auftritte.

Im Probenraum wirkt der massige Schauspieler dann viel verhaltener. Vor verspiegelten Wänden und im gleißenden Neonlicht probt das Ensemble des Musicals „Martin Luther King – The King of Love“ die Szene, in der die Ikone der schwarzen Bürgerrechtsbewegung erschossen wird. Ron Williams, Autor und Hauptdarsteller, sinkt als Dr. King todeswund Günther Kaufmann in die Arme, der seinen besten Freund, den Baptistenpfarrer Ralph Abernathy, spielt. Mit sonorem Timbre und ohne seinen sonstigen bayerischen Akzent schickt der ein Stoßgebet zum Himmel: „Bitte Gott, lass ihn leben. Sein Traum ist noch nicht erfüllt.“

Bald werden die Sätze allabendlich durch die Gedächtniskirche tönen, wo „The King of Love“ uraufgeführt wird. Wie der 59-jährige Fassbinder-Star, Seriendarsteller, Theatermime und Ex-Häftling Günther Kaufmann zu der Rolle gekommen ist? „Der Ron und ich, wir sind schon dreißig Jahre befreundet. Wir sind ja beide Münchner.“ Erst wollte er nicht mitmachen, weil er dachte, im Musical würde nicht nur Englisch gesungen, sondern auch gesprochen, aber dann habe der Ron das Casting in Berlin gemacht, und er sei hingegangen und hätte sich überzeugen lassen. „Das ist ja alles kein Zufall. Letztes Jahr hab’ ich im Musical „Robin Hood“ als Bruder Tuck einen Gospelsong gesungen. Und jetzt macht der Ron sein Martin-Luther-King-Musical in Berlin, wo ich seit einem halben Jahr lebe. In der Kirche. Und ich spiel’ wieder einen Geistlichen und singe Gospel. Davor hab’ ich Kresniks „Zehn Gebote“ in Bremen in der Kirche gespielt. Ich hab’einen Auftrag, scheint mir, da hat einer was mit mir vor.“

So wie Rainer Werner Fassbinder Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre. Er besetzte den Matrosen und Zeitungsdrücker Günther Kaufmann in Filmen wie „Querelle“ oder „Lola“. Als der die Anmachversuche des Regie-Berserkers ablehnte, verstieß Fassbinder ihn dann aus seinem Hofstaat. Das ist alles vergeben und vergessen, sagt Kaufmann. So stehe es auch in seiner Biografie „Der weiße Neger vom Hasenbergl“. „Dem Fassbinder bin ich dankbar, der hat mich geprägt. Wegen ihm bin ich gut im Geschäft. Und ich kann mit schwierigen Regisseuren umgehen.“ Gut im Geschäft ist allerdings relativ. Im Gegensatz zu den 80er und 90er Jahren, als er ständig in TV-Serien wie „Der Alte“ und „Derrick“ zu sehen war, hapert’s inzwischen mit TV-Auftritten. „Im Fernsehen haben sie keine Rollen für mich und wenig Mut, einen schwarzen Deutschen zu besetzen. Aber wieso soll ich keinen Arzt oder Anwalt spielen, wieso nicht?“ Dafür komme im Frühsommer endlich wieder ein Kinofilm mit ihm raus: „Leroy“ von Armin Völkers.

Ob Rassismus immer noch ein Thema für ihn sei? Klar, dröhnt Günther Kaufmann im kämpferischen Stil eines Predigers, deshalb finde er auch das Martin-Luther-King-Musical so wichtig. „Die Botschaft ist: Es ist wurscht, wie einer aussieht. Egal ob gelb oder grün, akzeptiert muss er werden.“ Immerhin seien zum Glück die Zeiten in Deutschland vorbei, als er als Sohn eines schwarzen GIs in Schwabing nicht ins Schwimmbad durfte, weil man Angst hatte, er mache das Wasser dreckig. Ob Martin Luther King damals sein Idol war? „Nee, als Deutschen und Münchner hat mich seine Ermordung 1968 nicht so berührt.“

Mit seiner Rolle als Pfarrer Abernathy, der Angst um seinen Freund King hat, ihn permanent ermutigt und beschützt, schließt sich für Günther Kaufmann ein Kreis. Seiner dritten Frau Alexandra, die schwer krebskrank war, habe er auch so zur Seite gestanden. „Das hab’ ich gestern dem Ron erzählt, da war der völlig fertig.“ Das Mordkomplott seiner Frau gegen einen Steuerberater brachte Kaufmann 2002 in den Knast und in die Yellow Press. Er legte ein falsches Geständnis ab, um sie zu decken, saß 831 Tage im Gefängnis und wurde dann 2005 wieder freigesprochen.

Was ihn nach Berlin verschlagen hat? „Ich hab’ einfach zu meiner Patricia – die ist Bremerin und ich nenn’ sie mein Wikingermädchen – gesagt: komm jetzt, gehn mer mal dahin, wo was los is.“ Seine vierte Frau hat er im Standesamt Charlottenburg geheiratet. „Meine Stammkneipe ist der Diener in der Grolmannstraße. Der Zapfer ist der Rolf aus Fischbachau.“ Von wo? „Aus Fisch-bach-au in Oberbayern!“ Er finde es toll in Berlin, die Stadt sei multikulti und nicht so versnobt wie München. „Wir sind ja alle eine Mafia hier: in Berlin, da leben die echten und wahren Bayern.“

Martin Luther King – The King of Love ist vom 2. bis 11. Februar um 20 Uhr in der Gedächtniskirche zu sehen. Kartentelefon: (01805) 01 90 10.

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