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Berlin: Ein Berater für 150 Arbeitslose

Um Hartz IV umzusetzen, fehlen in den Bezirken Personal und Räumlichkeiten / 1000 Arbeitskräfte gesucht

Das ist ganz im Sinn von Hartz IV: In einem Komplex an der Rudower Chaussee in Treptow-Köpenick liegen die Gebäude der Arbeitsagentur und des Sozialamtes direkt beieinander. Das passt gut, denn im kommenden Jahr werden Bezirksamt und die Arbeitsagentur Süd das gemeinsame Job-Center aufbauen, das die Langzeitarbeitslosen im Bezirk betreuen soll. Die enge Zusammenarbeit zwischen den Ämtern hat Tradition. Seit dem Jahr 2000 praktiziert der Bezirk das so genannte Kölner Modell, mit dem erwerbslose Sozialhilfeempfänger durch eine bessere Betreuung schneller ins Berufsleben integriert werden sollen.

Trotz der vergleichsweise guten Ausgangsbedingungen steht Treptow-Köpenick wie die anderen elf Berliner Bezirke auch vor Problemen beim Aufbau der Job-Center. Zwar werden Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) und der Chef der Berliner Regionaldirektion der Arbeitsagentur, Rolf Seutemann, heute als erstes Bundesland die Vereinbarung unterzeichnen, nach der die Bezirke mit den Arbeitsagenturen die Job-Center gründen können. Aber viele Fragen sind noch nicht geklärt.

Es wird darauf hinauslaufen, dass die meisten Job-Center ihre Arbeit nicht zum 1. Januar aufnehmen können, sondern erst im Verlauf des Jahres. Eine solche Frist ist in der Rahmenvereinbarung enthalten. Bis die Job-Center arbeitsfähig sind, werden die Betroffenen wie bisher entweder vom Sozialamt oder von der Arbeitsagentur betreut. Die CDU im Abgeordnetenhaus wirft deswegen dem Senat bei der Umsetzung der Arbeitsmarktreform handwerkliche Fehler vor und fordert den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit auf, Hartz IV zur Chefsache zu machen.

Die Bezirke klagen vor allem darüber, nicht zu wissen, welche Mittel der Bund zur Verfügung stellt und woher das Personal für die zusätzlichen Aufgaben kommt. „Wir wissen nicht, wie viel Geld wir haben werden, um die Infrastruktur für die Job-Center aufzubauen“, sagt die Sozialstadträtin von Marzahn-Hellersdorf, Dagmar Pohle (PDS). „So lange können wir keine Räume mieten.“ In dieser Situation stecken auch die meisten anderen Bezirke; nur wenige haben eine passende Liegenschaft parat. Gravierender aber ist, dass es bisher nicht genügend Personal gibt, um die Bezieher von Arbeitslosengeld II angemessen zu betreuen.

Rund 270000 Betroffene gibt es derzeit in Berlin: 170000 Empfänger von Arbeitslosenhilfe und rund 100000 erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger. Das Gesetz sieht vor, dass sich ein Berater künftig um 150 Arbeitslose kümmern soll. Bei jungen Leuten unter 25 Jahren liegt der Betreuungsschlüssel bei eins zu 75. Denn Hartz IV soll im Ausgleich zu den finanziellen Kürzungen eine bessere Eingliederung in den Arbeitsmarkt bringen. Nach den Worten von Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, braucht Berlin für diese Aufgaben 3500 Mitarbeiter. Bisher können die Bezirksämter dafür 1500 Stellen zur Verfügung stellen, 1000 weitere Bearbeiter kommen von den Arbeitsagenturen. 1000 Stellen und entsprechend Arbeitskräfte fehlen noch. Und keiner weiß, woher die kommen sollen.

Der Regierende Bürgermeister deutete kürzlich an, dass vielleicht noch Beschäftigte aus dem Personalüberhang des Landes eingesetzt werden können. Doch das ist nicht in der nötigen Größenordnung möglich. Die Verwaltung der Sozialsenatorin sieht vor allem die Bundesagentur für Arbeit in der Pflicht, die Lücken auszugleichen. Die Regionaldirektion hingegen verweist darauf, dass die Job-Center sich darauf verständigen können, bestimmte Dienstleistungen – etwa psychologische Beratungen bei Jugendlichen – an freie Träger zu vergeben.

Auch Jens Meißner, Sozialamtsleiter in Treptow-Köpenick, kann sich nicht vorstellen, wie die Personallücke geschlossen werden soll. Vor allem müssen die Mitarbeiter in die neuen Rechtsvorschriften eingearbeitet werden. In seinem Bezirk wurden bisher drei Mitarbeiter von der Arbeitsagentur entsprechend geschult; sie müssen ihr Wissen an 150 weitere Mitarbeiter weitergeben. Die Zeit drängt – jetzt kommen, allerdings zögerlich, die ersten Anträge für das Arbeitslosengeld II wieder zu den Ämtern zurück. Anfang Oktober müssen die Daten zur Berechnung in den Computer eingegeben werden. Denn in einem Punkt sind sich alle Verantwortlichen in Bezirken, Senat und Arbeitsagenturen einig: Auch wenn die Job-Center noch nicht richtig arbeiten, das Geld sollen die Erwerbslosen auf jeden Fall pünktlich bekommen.

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