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Berlin: Ein bisschen anders

Die französische Botschaft am Pariser Platz ist fast fertig – die Meinungen über sie sind geteilt

Von Christian van Lessen

„C’est jolie“, sagen die beiden Damen immer wieder, als ihnen gestern Mittag ein Mitarbeiter der Botschaft vor dem Bauzaun die Fassade des Neubaus erklärt: Die hohen Fenster, die sehr viel Licht ins Haus bringen, die Komposition der Farben grau und weiß, den hochgemauerten Sockel, der wie die Fenster so ungewöhnlich an diesem Platz wirkt. Dann weist sich der Botschaftsmitarbeiter mit seinen Gästen aus Paris beim Wachpersonal aus, und schon verschwinden sie zur kleinen Besichtigungstour im Inneren des Hauses. Es ist bald keine Baustelle mehr.

Die neue französische Botschaft am Pariser Platz steht vor der Fertigstellung, etliche Diplomaten, zurzeit an der Kochstraße arbeitend, sehen sich bereits intensiv im neuen Haus um, denn im nächsten Monat beginnt der Einzug. Die Botschaft aber ist, seit die Gerüste gefallen sind, schon zum viel diskutierten Blickfang geworden, und die Meinungen über das Äußere des Hauses sind geteilt.

Botschaftssprecher Jean-Claude Tribolet ist auf Kritik am Äußeren des Hauses vorbereit. Er betont, die neue Botschaft seines Landes sei eben kein preußischer, kein wilhelminischer Bau. Er hält die negativen Äußerungen über die diplomatische Vertretung, wie sie etwa aus den Reihen der Gesellschaft Historisches Berlin zu hören waren, für verfehlt. Bunkerhaft, wie barrikadiert wirke das Haus, und die schmalen Fenstersschlitze im Sockel erinnerten an Schießscharten, hieß es. Ein weiterer Mitarbeiter der Botschaft sagte, solche Kritik überrasche überhaupt nicht. Sie sei schon 1997 geäußert worden, als Architekt Christian de Portzamparc aus Paris seinen Entwurf vorstellte. Die Franzosen seien überzeugt, ein schönes, überaus gelungenes Gebäude zu beziehen, und bald werde man das neue Haus am Pariser Platz auch öffentlich präsentieren können.

Noch wird am Inneren gefeilt, auf dem diplomatischen Parkett verkehren die Bauarbeiter, der Zugang ist nur unter strengen Sicherheitsvorkehrungen möglich. Um sich langsam auf das neue Haus einzustimmen, treffen sich Botschaftsangehörige gern schon mal zum Kaffee bei Starbucks im Nachbarhaus. Da müssen sie nur ein wenig um die Ecke schauen, um ihre neues Domizil vor Augen zu haben. An den Tischen will man nicht gern verraten, ob das neue Haus gefällt oder nicht. Einer der Botschaftsangehörigen zuckt mit den Achseln und lächelt nur, was bei Diplomaten viel bedeuten kann.

Gar nicht diplomatisch sind die Taxifahrer, die gegenüber vorm Adlon stehen und schon Zeit genug fanden, sich den Neubau anzusehen. Bernd Wittenberg und etliche Kollegen haben bereits darüber diskutiert, und Wittenberg findet, dass den Franzosen etwas Besseres hätte einfallen können. „Das passt nicht rein“, sagt er und spricht vom Eindruck ,das Bauwerk igele sich ein oder sei abgezäunt. Vor dem Bauzaun direkt an der Botschaft steht der Kölner Raimund Eul. Er arbeitet beim Bundespresseamt, aber schaut regelmäßig und ganz privat am Pariser Platz vorbei, um seine Vollendung zu beobachten. Die neue Botschaft, sagt auch er, „ist nichts für den Platz“, hier müsse auf die Historie Rücksicht genommen werden, aber Rücksicht nehme das Gebäude der DG-Bank gegenüber auch nicht, die künftige gläserne Akademie der Künste schon gar nicht.

Unzufrieden ist Herbert Pöppel nicht. Der Mann kommt aus der Baubranche, steht vor dem Bauzaun der Botschaft und fotografiert. Nicht das Haus, sondern Arbeiter, die gerade die Vorfahrt pflastern. Die Botschaft komme auch noch dran, sagt Pöppel und drückt auf den Auslöser.

Mögen viele Leute auf den Neubau schimpfen, ihm gefalle er, der Steinsockel erinnere auch farblich an die Häuser in französischen Dörfern. Die Botschaft sei eben ein bisschen anders als die Umgebung, das Besondere müsse sein, damit es am Pariser Platz nicht allzu langweilig werde. So gibt es durchaus Zustimmung, und Leute auf dem Platz erzählen sich, man müsse nur fünf bis zehn Minuten auf das neue Haus und seine gewohnte Umgebung starren, dann wirke alles fast wie aus einem Guss.

Der Grauton des Gebäudes will zwar auf den ersten Blick nicht so recht zum Gelb-Ocker der Grundstücksnachbarn passen, doch der düstere Farbton wird durch die weiße Umgebung der hohen Fenster gemildert. Die Farbgebung bleibt im Rahmen der Senatsrichtlinien für den Pariser Platz. Immerhin gab es vor bald fünf Jahren für den Botschaftsneubau einen Wettbewerb, der Entwurf wurde überarbeitet und öffentlich diskutiert. Das Haus ist nicht vom Himmel gefallen, heißt es aus dem Haus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Zur Architektur wird keine Stellung mehr genommen.

Französische Raffinesse und Liberté mit preußischer Strenge wollte Christian de Portzamparc mit seinem Entwurf verbinden. Mit hohen Fenstern erinnert er an die Palaisarchitektur von einst und an die alte Botschaft, die einst hier stand und im Krieg zerstört wurde. Das Grundstück, ungewöhnlich geschnitten, hat einen verhältnismäßig „normalen“ Bauteil an der Wilhelmstraße, der über zwei lichte Höfe verbunden ist. Einer ist Botschaftsgarten, ein anderer, tiefer gelegter, soll als Skulpturenhof für Besucher und Veranstaltungen des Kulturzentrums offen sein.

Über die Höfe, so zeigte sich in den vergangenen Tagen, kommt eine erfrischende Kühle in das Haus, in dem sich demnächst 250 Diplomaten und ihre Mitarbeiter einrichten. Kanzlei und Residenz sind unter einem Dach.

Eröffnet wird die neue Französische Botschaft vermutlich im Januar, ursprünglich sollte das Haus schon im vergangenen Jahr fertig sein.

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